AstraZeneca-Impfstoff
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Impfstoffe

Experten zerstreuen Zweifel an AstraZeneca

Drei Impfstoffe gegen das Coronavirus sind bisher in der EU zugelassen. Doch eines der Präparate, das Mittel von AstraZeneca, hat ein Imageproblem. Zu Unrecht, wie Experten versichern: Gegen schwere Verläufe helfe das Vakzin ebenso gut wie die anderen.

Der Leiter der Wiener Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie, Markus Zeitlinger, verteidigte den Impfstoff von AstraZeneca. In seiner Schutzwirkung sei er grundsätzlich mit anderen Impfstoffen vergleichbar, sagte er Mittwochabend in der ZIB2. AstraZeneca verursache bei der ersten Impfung mehr Nebenwirkungen und bei der zweiten weniger, bei Biontech und bei Moderna sei es genau umgekehrt. Schwere Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen würden bei Pfizer tatsächlich doppelt so häufig auftreten als bei AstraZeneca.

„Fakt ist: Er wirkt tatsächlich gegen die südafrikanische Variante offenbar schlechter. Fakt ist aber auch, dass wir bei den anderen Impfstoffen hier keine Vergleichsdaten haben“, sagte Zeitlinger. „Das heißt, hier wäre der Vergleich etwas unfair.“ Die Ursache für die Skepsis gerade beim medizinischen Personal gegenüber AstraZeneca sieht er in der „ungeahnten Datenfülle“.

Zeitlinger über Impfstoffnebenwirkungen

Markus Zeitlinger, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie, spricht im Interview über die Nebenwirkungen der Impfstoffe gegen das Coronavirus.

Gegen nationale Alleingänge

Wenn man nach der Marke der Grippeimpfung vor fünf Jahren fragen würde, wüsste das kein Mensch. „Jetzt reden wir hier über 70, 80, 90 Prozent Schutz – kleinste Unterschiede in Subgruppen, und hier sind wir jetzt einfach massiv übersensibilisiert. Ich verstehe diese Verunsicherung. Aber ich glaube, sie ist etwas überzogen.“

Zugleich sprach sich Zeitlinger gegen nationale Zulassungen aus, um den Lieferengpass zu lösen, wie etwa von Ungarn, das damit begann, den russischen Impfstoff „Sputnik V“ zu verabreichen. „Der EMA (Europäischen Arzneimittelagentur, Anm.) steht hier ein ganz anderer Apparat zur Verfügung – und wir sollten den Weg einer zentralen Zulassung gehen“, so der Pharmakologe.

Schutz vor schweren Verläufen

Auch der Mikrobiologe Rainer Gattringer vom Klinikum Wels-Grieskirchen (Oberösterreich) hob die Wirksamkeit des AstraZeneca-Vakzins jüngst hervor. Dass es ein schlechterer Impfstoff wäre, stimme so nicht, „er zeigt vor allem eine sehr gute Effektivität bei der Verhinderung von schweren Verlaufsformen“, so Gattringer – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Herwig Kollaritsch, Leiter der Abteilung Epidemiologie und Reisemedizin am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinischen Universität Wien, äußerte sich ähnlich. Eine mögliche Wirkungsreduktion bei mutierten Viren bedeute keinen Wirkungsverlust. Das Vakzin von AstraZeneca könne schwere Krankheitsverläufe verhindern, ebenso wie die anderen eingesetzten Impfstoffe.

Darauf komme es in der Pandemiebekämpfung im Moment hauptsächlich an. Einen hundertprozentigen Schutz wie etwa bei einer FSME-Impfung gebe es bei solchen Vakzinen nun einmal generell nicht. Doch mit den derzeitigen Technologien gebe es auch gute Möglichkeiten, die Impfstoffe an die Mutanten anzupassen. Das hatte AstraZeneca bereits angekündigt.

Uneingeschränkte Empfehlung der WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt das AstraZeneca-Vakzin auch für die B.1.351-Variante. „Es ist plausibel zu erwarten, dass dieser Impfstoff gegen schwere Krankheitsverläufe wirksam ist“, so die WHO. Den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Pfizer sowie Moderna wird aber bei leichten Verläufen eine höhere Wirksamkeit gegen die Mutante zugeschrieben.

Das vektorbasierte AstraZeneca-Mittel ist in der EU ein wichtiger Baustein in der Impfstrategie, da es vergleichsweise günstig ist und weniger hohe Anforderungen an Transport und Lagerung stellt als die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Für den Weg hin zum Impfen in Arztpraxen ist das entscheidend.

Unglückliche Öffentlichkeitsarbeit

Hinter dem Impfstoff AZD1222 steht neben dem britisch-schwedischen Konzern auch die renommierte Universität Oxford. Der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charite sieht in der „halb-akademischen“ Konstellation einen Grund für das teils unglückliche Bild in der Öffentlichkeit. Daten, etwa aus Teilstudien, seien schnell häppchenweise veröffentlicht worden, während große Pharmakonzerne erst am Ende zusammenfassend publizierten.

Während es in Österreich und in Deutschland also um die Akzeptanz von AstraZeneca geht, gibt es in Großbritannien den umgekehrten Fall: In britischen Medien hatten Fälle für Aufsehen gesorgt, bei denen Menschen den Impfstoff von Biontech/Pfizer (Deutschland/USA) zurückgewiesen hatten, um „auf den englischen Impfstoff“ zu warten. Dem Hausärzteverband Royal College of General Practitioners zufolge handelt es sich dabei jedoch nicht um ein Massenphänomen.