Der Eingangsbereich zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
ORF.at/Christian Öser
Justiz weiter im Fokus

Grüne stärken WKStA, ÖVP erneuert Vorwürfe

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) steht weiterhin im Mittelpunkt der innenpolitischen Aufmerksamkeit. Am Donnerstag zieh die ÖVP die Behörde der „Schlampereien“, ihre Vorgehensweise sei „menschlich letztklassig“ gewesen. Die Grünen hingegen stärken die WKStA, indem nun ihre Berichtspflicht gelockert wird.

Die Hausdurchsuchungen bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und bei der Novomatic ließen am Donnerstag erneut die Wogen hochgehen. Die WKStA prüft ja, ob der Glücksspielkonzern Novomatic der ÖVP 2017 Geld im Abtausch für die Unterstützung bei einem Steuerproblem in Italien geboten hat. Am Donnerstag lud ÖVP-Klubchef August Wöginger zu einer Pressekonferenz, in der er den Angriffen auf die WKStA noch einmal Nachdruck verlieh.

Die Vorgehensweise bei Blümel sei „menschlich letztklassig“ gewesen, eines Rechtsstaates unwürdig und entspreche nicht westlichen Standards. Allerdings handle es sich um „Verfehlungen“ und „Schlampereien“ einiger weniger. Wöginger verlangte von der WKStA auch eine „Richtigstellung“. Denn für die seiner Meinung nach rechtswidrige Hausdurchsuchung sei die inzwischen berühmte Namensverwechslung Auslöser gewesen – ein Eintrag lautend auf „Kurz“ im Kalender von Novomatic-Chef Johann Graf. Mit dieser Person mit Namen „Kurz“ soll nicht Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gemeint gewesen sein, sondern die frühere Novomatic-Aufsichtsrätin Martina Kurz, Grafs Schwiegertochter.

Blümel lobte „sehr sensible Vorgangsweise“

Auch Martina Kurz hatte sich am Donnerstag zu Wort gemeldet. Sie bestätigte per eidesstattlicher Erklärung, dass tatsächlich sie mit dem Kalendereintrag gemeint gewesen sei. Es habe sich um einen persönlichen Termin von ihr bei Graf gehandelt. „Ich war im Juli 2017 Mitglied des Aufsichtsrates der NOVOMATIC AG und hatte am 25.07.2017 um 13:00 Uhr einen persönlichen Termin mit Prof. Johann Graf. Es ist mir ein Anliegen, mit dieser Klarstellung die in den letzten Tagen öffentlich kommunizierte Verwechslung aufzuklären“, hieß es in der Aussendung von Grafs Rechtsanwalt Christopher Schrank. Im Akt der WKStA wurde von den Ermittlern zu dem Kalendereintrag explizit darauf hingewiesen, dass Grafs Schwiegertochter Martina Kurz heiße, man aber dennoch davon ausgehe, dass es sich um den Kanzler handle.

Blümel selbst will keine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung einlegen. „Ich will das Verfahren nicht verzögern, sondern beschleunigen, und deshalb werde ich davon Abstand nehmen“, sagte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Auch lobte er die „sehr professionelle und sehr sensible Vorgangsweise“ der Behörde.

Novomatic will gegen Hausdurchsuchung vorgehen

Die Novomatic will hingegen rechtliche Schritte ergreifen. Neben dem Kalendereintrag stützt die WKStA ihre Ermittlungen auch auf eine Nachricht des damaligen Novomatic-Chefs Harald Neumann vom 10. Juli 2017. Darin bat Neumann um einen Termin beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz wegen einer Parteispende sowie „bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben“.

Firmenanwalt Michael Rohregger kritisierte gegenüber der APA, dass sich die Anordnung der Korruptionsstaatsanwaltschaft nur auf Vermutungen stütze und auch ein gelinderes Mittel ausgereicht hätte. Anwalt Rohregger kritisierte, „dass sich die Anordnung nur auf Vermutungen stützt, von denen sich bei zwei in wenigen Tagen herausgestellt hat, dass sie nicht stimmen“. Denn tatsächlich habe es weder eine Spende an die ÖVP noch ein Treffen zwischen Graf und Kanzler Kurz gegeben. Zudem ging Rohregger davon aus, dass wegen der besonderen öffentlichen Bedeutung des Falles nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das Gericht die Razzia hätte anordnen müssen. Die Beschwerdefrist läuft bis kommenden Donnerstag. Womöglich muss sich in weiterer Folge das Oberlandesgericht Wien mit der Zulässigkeit der Razzia befassen.

Razzien müssen nicht mehr vorab berichtet werden

Während Teile der ÖVP die WKStA scharf attackieren, unternahm das grün geführte Justizministerium am Donnerstag einen Schritt, um diese zu stärken. Vizekanzler Werner Kogler, der derzeit Justizministerin Alma Zadic (beide Grüne) vertritt, nahm die Dreitagesberichtspflicht an die staatsanwaltschaftlichen Oberbehörden zurück. Eine entsprechende Weisung erging am Donnerstag an die Oberstaatsanwaltschaft Wien.

Blümel: Keine Beschwerde gegen Hausdurchsuchung

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wird keine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung einlegen. Die Novomatic will hingegen aktiv werden.

Es muss zwar weiterhin etwa im Fall einer Hausdurchsuchung berichtet werden, künftig aber nicht mehr drei Tage vorher, sondern spätestens mit Beginn der Durchführung der Maßnahme. Damit kehrt man zur früheren Praxis zurück. Der Erlass zur Dreitagesberichtspflicht war Ende 2018 unter ÖVP-Justizminister Josef Moser ergangen. Mit diesem ersten Schritt wolle man die Effizienz der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsarbeit stärken, hieß es aus Koglers Büro.

Der „Entfall von vermeidbaren Berichten“ ist Teil des Regierungsprogramms. Es solle nicht einmal der Anschein entstehen, dass die Ermittlungen in clamorosen Strafsachen durch Berichtspflichten behindert werden, hieß es aus dem Justizressort. Weisungen und Berichtspflichten würden „politisch interpretiert und können in der Wahrnehmung der Außenwelt den Anschein der Behinderung der Staatsanwälte oder gar eines politischen Einflusses begründen“, wurde argumentiert. Zadic hatte auch eine Reform der Berichtspflichten in Auftrag gegeben. In den nächsten Wochen soll ein Gesetzesvorschlag an den Koalitionspartner ÖVP übermittelt werden.

Kogler beauftragte außerdem die Prüfung internationaler Best-Practice-Modelle für die Einführung eines unabhängigen Obersten Staatsanwalts. „Zentral dabei ist, dass es zu einer echten Entpolitisierung der Weisungsspitze und Stärkung der Staatsanwaltschaften kommt.“

Oppositionskritik an ÖVP

Die Kritik der ÖVP zog am Donnerstag auch wieder Kritik an der ÖVP nach sich. Die SPÖ warf der Volkspartei vor, mit ihren wiederholten Attacken auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Justiz zu schwächen. „Grundsätzlich halte ich diese Angriffe auf die Justiz einer Regierungspartei für unwürdig“, so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bei einer Pressekonferenz. Blümel habe das Amt des Finanzministers beschädigt und sei in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt: „Das Budget ist die in Zahlen gegossene Politik, da braucht es Stärke.“ Die zunehmende Heftigkeit der Attacken zeige nur die zunehmende Nervosität von Kurz, Blümel und anderen, so auch der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. „Geht es nach Wöginger, sind außerdem Ermittlungen der Justiz gegen Beschuldigte unzulässig, wenn die Beschuldigten eidesstattlich erklären, dass sie sich nichts zuschulden haben kommen lassen“, hieß es in einer Aussendung.

Die FPÖ zeigte sich „entsetzt“ über Wögingers Aussagen. „Nach der Großoffensive gegen die Grund- und Freiheitsrechte folgt nun der Generalangriff auf die Unabhängigkeit der Justiz“, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl in einer Aussendung, der Kurz „Cäsarenwahn“ attestierte und Blümel erneut zum Rücktritt aufrief.

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak war laut Aussendung „einigermaßen fassungslos“ nach Wögingers Pressekonferenz. „Das war nichts anderes als ein weiterer Rundumschlag gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, der zeigt, wie nervös die ÖVP aktuell wirklich ist.“ Der Kalendereintrag Grafs sei nicht der Grund für die Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen, es gehe „um zahlreiche Nachrichten zwischen Neumann und Blümel und um mögliche Interventionen und mögliche verdeckte Spenden. Und diese Vorwürfe sind nicht entkräftet“, so Scherak.

SPÖ über Schritte der Grünen erfreut

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim zeigte sich über die Änderung bei den Weisungen erfreut: „Es war höchst an der Zeit, dass der zuständige Minister endlich einen Beitrag dazu leistet, dass die WKStA nicht in Bürokratie erstickt wird, sondern sich ihren eigentlichen Aufgaben zuwenden kann“, meinte sie in einer Aussendung. Es sei erfreulich, dass der Justizminister trotz „der wilden Angriffe der ÖVP auf die WKStA“ die Forderung der Fachexperten durchsetze.