Themenbild zum Ibiza-U-Ausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
SPÖ, NEOS

„Ibiza“-U-Ausschuss verlängert

Wie das Nachrichtenmagazin „profil“ am Samstag berichtet, haben sich SPÖ und NEOS darauf verständigt, den „Ibiza“-Untersuchungsausschuss gemeinsam bis 22. September zu verlängern. Das rot-pinke Stimmgewicht ist dafür ausreichend. Unterdessen zeigten die Fraktionsführer von SPÖ, NEOS und FPÖ Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen Falschaussage im U-Ausschuss an.

„Angesichts der großen Schwierigkeiten, an Akten aus dem Kanzleramt und Finanzministerium zu gelangen, die uns zustehen; und angesichts der sehr langen, offenen Ladungsliste wird man an einer Verlängerung nicht vorbei kommen“, sagte die pinke Fraktionsführerin im U-Ausschuss, Stephanie Krisper, zu „profil“. Diese Verlängerung um drei Monate ist ein Minderheitenrecht.

Die Befragungen unter Wahrheitspflicht laufen somit bis Mitte Juli, danach bleibt Zeit für die Abschlussberichte. Der U-Ausschuss startete Anfang 2020. Die reguläre Laufzeit von 14 Monaten wurde im ersten Lockdown außertourlich um drei Monate auf 17 Monate ausgedehnt. Ohne die nun paktierte Verlängerung, die formal noch beschlossen werden muss, wäre der U-Ausschuss somit Ende Juni vorbei.

Opposition zeigt Blümel wegen Falschaussage an

Dem Finanzminister droht indes ein weiteres Ungemach: Die Fraktionsführer von SPÖ, NEOS und FPÖ zeigten Blümel wegen Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss an. Grund ist die Diskrepanz zwischen den Aussagen des Finanzministers bei seiner Befragung am 25. Juni des vergangenen Jahres und diversen an die Öffentlichkeit gelangten Chatnachrichten, wie etwa jene zwischen Blümel und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann.

SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer und NEOS-Fraktionsführerin Stefanie Krisper
APA/Helmut Fohringer
Die Fraktionsführer Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS), sind sich einig: Sie wollen eine Verlängerung des „Ibiza“-U-Ausschusses

Die ÖVP kritisierte die Anzeige der Opposition. „Was derzeit NEOS, SPÖ und Co. machen, erinnert frappant an die Anzeigewut von Peter Pilz, dessen laufende Anschüttungen immer demselben Muster folgten: Falsche Vorwürfe aufstellen, denn irgendetwas wird schon hängen bleiben“, findet die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz. Dieser politische Stil sei abzulehnen und komme auch bei den Menschen nicht gut an, zeigte sich Schwarz überzeugt.

Wie die drei Oppositionsvertreter im U-Ausschuss in einer der APA vorliegenden Sachverhaltsdarstellung anführen, bestehe der Verdacht, dass Blümel „tatsachenwidrig“ angab, dass er nicht wisse, ob Vertreter der Novomatic, insbesondere Neumann, jemals in zeitlichem oder sachlichem Konnex zu einer möglichen Spende Anliegen oder Wünsche ausgedrückt hätten. Eine mittlerweile aufgetauchte Nachricht von Ex-Novomatic-Chef Neumann an Blümel vom Juli 2017 legt nämlich das Gegenteil nahe: „Guten Morgen. Hätte eine Bitte. Bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz, erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben!“

„Kann für mich ausschließen, dass ich mich erinnern kann“

Blümel hatte jedoch im Juni etwa auf eine Frage von NEOS-Fraktionsführerin Krisper, ob jemals Vertreter der Novomatic an ihn herangetreten seien und dabei Spenden in Aussicht gestellt wurden, laut stenografischem Protokoll gemeint: „Nicht, dass ich mich erinnern könnte.“ Auf Nachfrage, ob er ausschließen könne, dass Spenden ein Thema waren, antwortete Blümel: „Ich kann für mich ausschließen, dass ich mich erinnern kann, dass das ein Thema war, ja.“

Finanzminister Gernot Blümel
APA/Georg Hochmuth
Blümel weist alle Vorwürfe zurück

Auf abermalige Nachfrage, ob Spenden ein Thema waren, meinte Blümel dann: „Ehrlicherweise kann ich das nicht ausschließen, dass jemals jemand etwas angeboten hat. Ich war aber auch nicht für diese Themen zuständig und ich könnte mich auch nicht erinnern, dass es solche gegeben hat.“

Antrag am Freitag eingebracht

Laut den Oppositionsparteien hat Blümel darüber hinaus auch verschwiegen, dass er mit Neumann zumindest seit 2012 in regelmäßigem Kontakt stehe – und auch rund um die Besetzung des Aufsichtsrates der Casinos Austria AG 2018 im Sinne einer „österreichischen Lösung“ sowie in Hinblick auf den möglichen Erwerb von Anteilen der Sazka Group an der Casinos Austria in regelmäßigem Austausch mit Neumann stand.

SPÖ, NEOS und FPÖ brachten die Sachverhaltsdarstellung am Freitag bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein. Für eine Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates drohen gemäß Paragraf 288 StGB (Strafgesetzbuch) wie bei einer Falschaussage vor Gericht bis zu drei Jahre Haft. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Hausdurchsuchungen bei Blümel und bei der Novomatic ließen diese Woche erneut die Wogen hochgehen. Die WKStA prüft ja, ob der Glücksspielkonzern Novomatic der ÖVP 2017 Geld im Abtausch für die Unterstützung bei einem Steuerproblem in Italien geboten hat. Blümel legte letzte Woche eine eidesstattliche Erklärung vor, wonach es von der Novomatic weder Spendengelder an die ÖVP noch an ÖVP-nahe Vereine gegeben habe. „Ich will und muss Verleumdungen entgegentreten“, sagte Blümel. Er kündigte Klagen gegen andere Behauptungen an. Am Donnerstag lud ÖVP-Klubchef August Wöginger zu einer Pressekonferenz, in der er den Angriffen auf die WKStA noch einmal Nachdruck verlieh.

Eidesstattliche Erklärung auch von Martina Kurz

Wöginger verlangte von der WKStA auch eine „Richtigstellung“. Denn für die seiner Meinung nach rechtswidrige Hausdurchsuchung sei die inzwischen berühmte Namensverwechslung Auslöser gewesen – ein Eintrag lautend auf „Kurz“ im Kalender von Novomatic-Chef Johann Graf. Mit dieser Person mit Namen „Kurz“ soll nicht Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gemeint gewesen sein, sondern die frühere Novomatic-Aufsichtsrätin Martina Kurz, Grafs Schwiegertochter. Diese hatte sich am Donnerstag zu Wort gemeldet. Sie bestätigte per eidesstattlicher Erklärung, dass tatsächlich sie mit dem Kalendereintrag gemeint gewesen sei.

In einer Aussendung am Samstag betonte das Justizministerium, dass der Kalendereintrag „Kurz“, der sich für den 25. Juli 2017 im Terminkalender der persönlichen Assistentin von Graf findet, kein entscheidender Grund für die Anordnung der Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen sei. „Dieser Termin wird in der Anordnung, die insgesamt 12 Seiten umfasst, lediglich am Rande in nur einem Satz erwähnt. Der Termin wurde von der WKStA nicht als rechtlich relevant für die Hausdurchsuchung betrachtet“, so das Justizministerium in einer Aussendung. Hingegen sei der SMS-Verkehr zwischen Blümel und Neumann als für die Hausdurchsuchung rechtlich relevant eingestuft worden.

Darstellung für ÖVP „irreführend“

Die ÖVP bezeichnete die Darstellung des derzeit von Vizekanzler Kogler (Grüne) geführten Justizministeriums als „irreführend“, denn die Akten der WKStA würden dieser Argumentation widersprechen. Schließlich begründe diese ihren Verdacht damit, dass Neumann über Blümel versucht habe, einen Termin bei Kurz zu bekommen. Nach Ansicht der ÖVP fuße diese Annahme „sehr wohl“ auf dem Termin von Novomatic-Gründer Graf mit „Kurz“ und laut Akten der WKStA auch auf dem Kalendereintrag.

Auch sehe die WKStA in den Akten „keinen Bezug“ zu Martina Kurz und nimmt an, dass es sich beim Kalendereintrag um Sebastian Kurz handelt, betonte die ÖVP. Und zudem weise die WKStA explizit im Zusammenhang mit einem Treffen wegen einer Spende auf den betreffenden Kalendereintrag hin. Denn in den Akten halte die WKStA fest, dass im elektronischen Kalender Neumanns nach der Chatnachricht an Blümel kein Treffen in „unmittelbarer zeitlicher Nähe eingetragen ist“, verweise aber auf den Eintrag mit dem Betreff „Kurz“ im Terminkalender der persönlichen Sekretärin von Graf vom 25. Juli.

ÖVP: WKStA hat „Patzer gemacht“

Der ÖVP gehe es um eine „professionelle und unabhängige Strafverfolgung“, hielt der Fraktionsführer der ÖVP im U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, fest. Die WKStA habe aber „nachweislich schwere Patzer gemacht“. Die WKStA müsse nun die Vorwürfe gegen Blümel schnellstmöglich aufklären. Es dürfe nicht sein, dass der Finanzminister „nun – wie oft in solchen Fällen – Monate oder jahrelang einen Schatten über seiner Reputation“ habe.

NEOS forderte die ÖVP auf, die „Rundumschläge der letzten Tage gegen die WKStA und die österreichische Justiz“ zurückzunehmen. Die Türkisen hätten „mantraartig“ versucht, die Hausdurchsuchung nur von einem Kalendereintrag abhängig zu machen, so NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak: „Diese Argumentation hat sich jetzt, auch durch die Klarstellung vom Bundesministerium für Justiz, als komplett falsch herausgestellt.“

Laut SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim stehe der ÖVP offenbar das „Wasser bis zum Hals“, wenn die Parteizentrale aus Ermittlungsakten zitiert. In Richtung ÖVP meinte Yildirim, wenn es nichts zu verbergen gebe, „dann lassen Sie die Justiz in Ruhe ermitteln und ihre Arbeit machen.“

Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ist eine eidesstattliche Erklärung von Kurz überfällig. Denn immerhin komme dessen Name im Akt der WKStA „fast doppelt so oft vor wie jener des Finanzministers“. Es sei „höchst an der Zeit, dass sich der Kanzler selbst in Zusammenhang mit den offenbar umfangreichen Spendenkeil-Aktionen“ erkläre, so Kickl.

Weiterer Fahrplan festgelegt

Das Justizministerium hielt am Samstag zudem fest, „dass die Staatsanwaltschaften gesetzlich verpflichtet sind, bei entsprechender Verdachtslage Ermittlungsschritte zur Aufklärung des Sachverhalts zu setzen. Dabei ermitteln sie alle Umstände, die gegen den Beschuldigten sprechen, aber auch alle, die ihn entlasten. Dies geschieht ohne Ansehen der Person.“

Kommende Woche werden dem Ausschuss die Chats zwischen Bundeskanzler Kurz und dem früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vorgelegt, heißt es aus dem Justizministerium. Danach folgen Chatprotokolle des früheren Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid. Es handle sich dabei um „riesige Datenmengen“. Deswegen habe Ersatzjustizminister Kogler vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Auswertung relevanter Nachrichten abgestellt, darunter eine Staatsanwältin und einen IT-Experten.