WhoMadeWho live @ Abu Simbel for Cercle
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Tanz den Ramses

Wenn Dänen Abu Simbel grooven

Wer den Lockdown als drückend empfindet, wird im Februar vom grauen Wetter geradezu erdrückt. Wie eine große Erleichterung mag da das Fest des frühlingshaften Sonnenstandes zu Mittag am Tempel von Ramses II. wirken. Drei Dänen durften heuer den Sonnenkult begleiten. Es sind die Mitglieder der dänischen Elektroband WhoMadeWho, die schon so manche Nacht in Österreich zum Tag gemacht haben. Auf einer Insel im Assuan-Staudamm spielten sie am Montag vielleicht eines der erleuchtetsten Konzerte in Pandemiezeiten. Und der Ägypten-Tourismus betet mit den Dänen, dass die Götter bald ein Einsehen haben mögen.

„Who Made Who“ war ja bisher als klassisches Album der Band AC/DC bekannt. Seit 2003 verwenden die dänischen Musiker Thomas Barfod, Jeppe Kjellberg und Tomas Hoffding diesen Albumtitel als Bandnamen und wurden seitdem zu einer der einflussreichsten Elektropop-Bands Skandinaviens. Früh gefördert von der Band Soulwax bzw. 2manyDJs, haben sie eine breitere internationale Beachtung mit dem von Mathias Modica mitproduzierten Album „The Plot“ gefunden.

Die „Süddeutsche Zeitung“ pries WhoMadeWho schon als Neuerfinder des Pop. Möglicherweise basiert die Qualität der Band aber auf der Unterschiedlichkeit der Musiker. Kjellberg kommt aus der Jazz- und Konservatoriumsszene und hat auch in New York studiert, Hoffding aus dem Bereich Garagenrock, Barfod wiederum hat unter verschiedenen Namen die Electronic-Szene der dänischen Hauptstadt durchstreift.

Fusion aus House und Pop

So sehr WhoMadeWho wie eine Fusion aus Pop und House klingen mögen, sind sie doch in der Lage, ihre Livegigs als eine Form von Remix und Improvisation auf die eigene Arbeit anzulegen. WhoMadeWho-Konzerte können ganz kurz ausfallen oder, wie oft, weil sie Late-Night-Performer sind, sich zu Onetrack-Shows im Mehrstundenformat entwickeln. Die Ähnlichkeit mit ihren Frühpromotern wie Soulwax liegt auf der Hand, zugleich driften WhoMadeWho gern in den sphärischen Bereich ab – ein Umstand, der sie für Auftritte an eigenwilligen Locations vorbestimmt.

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Während des Konzerts konnte man Fragen an WhoMadeWho für das folgende Interview schreiben

In den vergangenen Jahren haben WhoMadeWho vor allem mit Konzerten in außergewöhnlichen Locations für Aufsehen im Netz gesorgt. Ihr Auftritt in Abu Simbel ist im Kontext einer Serie von Einsätzen, auch in der Coronavirus-Zeit, nur schlüssig. Die Reaktionen der Nutzer auf das Abu-Simbel-Konzert lobten nicht zuletzt die Stimmigkeit von Musik und Ort. Und wie immer ist bei WhoMadeWho eine große Prise Selbstironie dabei. Kjellberg und Barfod befinden sich auf jedem Konzert in einer Art Überbietungswettbewerb an Absurditäten und schwarzem Humor.

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Große Weite statt Clubgedränge. Und auch das Bier auf der Bühne fehlte.

Vom Clubgedränge zur virtuellen Reise

Der Veranstalter Cercle versteht sich als besonderes Medienprojekt. Musiker und DJs spielen in spektakulären Szenerien Konzerte, die aufwendig gefilmt und gestreamt werden. Im Anschluss gibt es ein Interview mit den Musikerinnen und Musikern, die Zuseher können über die streamenden Social-Media-Plattformen Fragen stellen.

Es ist eine zeitgemäße neue Umsetzung des Konzeptes von Boiler Room, wo seit 2010 DJ-Sets aus den angesagtesten Clubs der Welt für all jene gestreamt wurden, die nicht dabei sein konnten. Sah man bei Boiler Room oft unterhaltsame und unfreiwillig komische Szenen im dicht gedrängten Publikum, sind die Drohnenaufnahmen verlassener Szenerien bei Cercle eine visuell und emotional überzeugende Entsprechung in Zeiten der Pandemie. Die Sehnsucht verlagert sich auf weit entfernte, sonnige Orte, die Musiker werden von populären Ikonen zu Darstellern und Urhebern des Soundtracks in virtuellen und bildgewaltigen Reisen.

Französische Szenerien

Auch bei Cercle sah man bis vor einem Jahr noch meist Menschenmassen bei Festivalauftritten und exklusiven Auftritten hauptsächlich in französischen Szenerien. So konnte man 2018 die Techno-Djane Nina Kraviz, ein Superstar der Szene, auf der Aussichtsplattform des Eiffelturms sehen, ein Set von Monika Kruse vom Tour Montparnasse eröffnete einen Blick auf Paris im orangefarbenen Sonnenuntergang.

Es gab aber auch schon Experimente mit Streams von einsamen Musikerinnen und Musikern an ungewöhnlichen Orten wie das DJ-Set des Hamburger Produzenten Stimming, der bei Flut auf dem über 400 Jahre alten Leuchtturm von Cordouan spielte.

Über den Wolken und vor Naturdenkmälern

Während der Pandemie hat das französische Projekt von der Gipfelterrasse in Aiguille du Midi im Mont-Blanc-Massiv auf 3.842 Metern gespielt, es gab Live-Sets direkt von den kroatischen Plitvicer Seen, Sebastien Leger spielte vor den Pyramiden von Giseh, und Ash gaben ein Konzert ebenfalls in Ägypten, in der von Kalkstein- und Kreidefelsen geprägten Weißen Wüste. Mit WhoMadeWho vor dem über 3.000 Jahre alten Kultbau ist nun eine neue Episode dieses ungewöhnlichen Projekts online gegangen.