Golden Globe Trophäen auf einer Bühne
APA/AFP/Robyn Beck
Nominierung nach Geschenken

Neues Schlaglicht auf Golden Globes

Oftmals belächelt, aber einflussreich: Der Auslandspresseverband von Hollywood vergibt die Golden Globes, die als Wegbereiter für einen Oscar-Gewinn gelten. Nun muss sich der Verband erneut mit Vorwürfen beschäftigen, dass er „wie ein Kartell“ vorgehe. Heuer wurde etwa eine von der Kritik abgewatschte Serie nominiert, die Juroren wurden zuvor mit Geschenken überhäuft. Das Problem scheint aber noch tiefer zu liegen.

Im Mittelpunkt des Interesses liegt einmal mehr die Hollywood Foreign Press Association (HFPA), der Auslandspresseverband in Hollywood. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von nur 87 Filmjournalistinnen und -journalisten. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern, arbeiten in Hollywood und veröffentlichen ihre Artikel in Medien außerhalb der USA. Dieses kleine Gremium, das sich als Non-Profit-Organisation versteht, hat außergewöhnlich großen Einfluss.

Die Mitglieder erhalten nicht nur regelmäßig Zugang zu den großen Playern der Traumfabrik, sie werden auch von den Studios umgarnt, zu starbesetzten Partys geladen und überhäuft mit kleinen und größeren Geschenken. Sie entscheiden über Wohl und Wehe von Produktionen, die das kulturelle und gesellschaftliche Abbild ihrer Zeit sein sollen.

„Abgekoppelt vom Zeitgeist“

Heuer dürfte der Beigeschmack allerdings schal sein – die Preise stehen unter einem grellen Schlaglicht. Die Auswahl der Nominierten steht schon länger in der Kritik, „sie scheint weit abgekoppelt vom Zeitgeist in Hollywood und der kulturellen Landschaft als Ganzes“, beschrieb es etwa das Branchenblatt „Deadline“. Das Fass sei damit übergelaufen.

Denn „Black Lives Matter“ und „#MeToo“ gingen an der HFPA anscheinend spurlos vorbei. Stattdessen wurde „Emily In Paris“ als beste Fernsehserie in der Kategorie „Komödien“ nominiert, eine Produktion, laut Kritik vor Klischees nur so strotzend. Nicht nur in der Presse wurde die Serie zerrissen, auch der Aufschrei in den Sozialen Netzwerken war groß. Sogar eine Autorin der Serie „Emily In Paris“ meldete sich beschämt über die Nominierung öffentlich zu Wort und drückte ihr Bedauern darüber aus, dass nicht sozial relevantere Produktionen die Chance auf den Preis bekamen.

Exklusiver Trip nach Paris

Dass die Jurorinnen und Juroren von den Produktionsstudios gerne auch mit Anreizen wie Hotelaufenthalten oder Abendessen gelockt werden, ist nicht neu. Nun kam aber heraus, wie die HFPA „Emily in Paris“ kennenlernte. Die „Los Angeles Times“ widmete sich den Vorgängen rund um die Nominierungen am Sonntag in einem ausführlichen Artikel, für den sie rund 50 Presseagenten von Studios, Manager und auch HFPA-Mitglieder interviewte.

Im Fall von „Emily In Paris“ habe Paramount Network, das Studio, das die Serie später an Netflix verkaufte, 2019 rund 30 HFPA-Mitglieder nach Paris zu einem verschwenderischen Set-Besuch eingeladen. Inkludiert gewesen seien zwei Übernachtungen im Fünf-Sterne-Hotel und ein exklusives Mittagessen im Musee des Arts Forains, einem Privatmuseum mit historischen Fahrgeschäften, das in der Serie vorkommt. „Sie behandelten uns wie Könige und Königinnen“, wurde ein Teilnehmer anonym zitiert.

„Kultur der Korruption“

Die Zeitung kommt zum Schluss, es gebe „die weitverbreitete Annahme, die Mitglieder könnten durch spezielle Aufmerksamkeiten bequatscht und beeinflusst werden“. Das Gremium sei so klein, dass es für Studios eine gute Zielscheibe sei, doch heuer stellten sich noch stärker als üblich Fragen zu seiner Legitimation, seiner Qualifikation und seinen ethischen Ansprüchen. Angesichts der öffentlichen Debatten über Diskriminierung, Rassismus und Sexismus in der Gesellschaft seien Änderungen unabdingbar. Das sähen auch etliche interviewte Mitglieder der HFPA selbst so. Sie hätten aber um Anonymität gebeten aus Sorge vor Benachteiligungen im Verband, so die „LA Times“.

Schauspielerin Lily Collins in einer Szene von „Emily in Paris“
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„Emily In Paris“ hat Chancen auf eine Trophäe. Favoritin der Kritik ist die Serie nicht.

Unmut über Einfluss und Besetzung des Boards wurden auch offenbar, als im vergangenen November ein Gerichtsverfahren gegen die HFPA fallen gelassen wurde. Ein US-Bundesrichter hatte damit den Verband vor großem Ungemach bewahrt. Die norwegische Journalistin Kjersti Flaa hatte die HFPA geklagt, nachdem ihr die Mitgliedschaft verweigert worden war. Flaa hatte in der Anklageschrift argumentiert, die Organisation institutionalisiere eine „Kultur der Korruption“. Sie sei eine Art Kartell, die qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber ausschließe und ihre Mitglieder zudem unangemessen subventioniere. Diese akzeptierten „Tausende von Dollar an Bezügen“ aus jenen Studios, Netzwerken und Prominenten, denen sie Trophäen verleihe. Das alles werde hinter einem „Schweigekodex“ verborgen.

Thema kehrt wieder

Das Verfahren wurde eingestellt, weil Flaa durch die Abweisung ihrer Bewerbung keine finanziellen oder professionellen Nachteile erlitten habe, hieß es. Inzwischen schlossen sich der Norwegerin weitere Journalistinnen und Journalisten an, die auf juristischem Weg Änderungen bei dem wichtigen Preis erzwingen wollen. Erneut wurde Beschwerde eingereicht, der Fall ist anhängig. „Das geht schon viele Jahre so, und es geht auch weiterhin so“, sagte Flaa zur „LA Times“. „Es ist Zeit für sie zu erkennen, dass sie sich ändern müssen.“

Es war nicht der erste Vorfall, der vor Gericht endete. Die HFPA war in der Vergangenheit wiederholt mit Skandalen, Vorwürfen der Käuflichkeit und schwerer inhaltlicher Kritik konfrontiert. 1999 mussten etwa die damaligen Mitglieder teure Uhren zurückgeben, die sie von einem Filmstudio erhalten hatten. Die Geschenke waren Teil einer PR-Kampagne für den Sharon-Stone-Film „The Muse“. Mehr als peinliche Schlagzeilen zog der Vorfall aber nicht nach sich. Ähnlich 2011, als der ehemalige HFPA-Mitarbeiter Michael Russell den Verband klagte wegen des Vorwurfs, seine früheren Kollegen hätten Geld, Urlaube und zahllose Geschenke angenommen, „im Gegenzug für Unterstützung oder Stimmen für bestimmte Filme“. Es folgte eine Gegenklage und große Aufmerksamkeit. Beide Verfahren wurden schließlich 2013 beigelegt, ohne größeres Aufsehen.

Imageprobleme bleiben

Übrig blieb ein schlechtes Image, die Globes wurden mitunter zur Lachnummer, sogar auf der Bühne der Zeremonie selbst. 2016 bezeichnete der Komiker Ricky Gervais bei der Moderation der Awards, die Preise als „wertlos“, „ein Stück Metall, das ein paar nette, alte, verwirrte Journalisten dir persönlich geben wollen, damit sie dich mal treffen könne und ein Selfie mit dir machen“.

Um ihr Image und das des Golden Globe aufzupolieren, setzte die HFPA in den vergangenen Jahren etliche Schritte. Für philanthropische Zwecke und zur Unterstützung für Kunstschaffenden wurden Millionen ausgegeben. Geld floss auch an Universitäten und Journalistenorganisationen. Auch die Verleihungszeremonie wurde sukzessive seriöser gestaltet. Man sei sich auch der mangelnden Diversität im Gremium bewusst und wolle daran arbeiten, hieß es aus dem Verband, nachdem heuer vielversprechende Serien mit sozialkritischen Elementen leer ausgingen. Zumindest für dieses Jahr kommen die Anstrengungen angesichts der Verleihung am 28. Februar zu spät.