Hand greift in große Menge an LEGO Steinen
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Mahnung an YouTuber

Rumoren in der Lego-Welt

In der Welt des Spielens genießt Lego als zeitloser Klassiker nach wie vor einen Sonderstatus. Doch eine Reihe von Abmahnungen gegen Spielwarenhändler – darunter auch bekannte Lego-Influencer – sorgten zuletzt für Kratzer am Image des dänischen Konzerns. Kern der Debatte ist die Frage: Was ist Lego und was nur ein Klemmbaustein?

Ein kurzer Blick auf die deutschsprachigen Social-Media-Kanäle reicht, um festzustellen, dass aktuell viele Fans nicht mit Kritik an Lego sparen. Neben Klagen über Preise und Produktqualität sticht dabei vor allem ein Thema hervor: eine Reihe von Anwaltsbriefen, in denen der Spielwarenhersteller auf die Wahrung seiner Markenrechte pocht. Die Causa beschäftigt die Community nun schon seit geraumer Zeit.

Pikant daran ist vor allem, dass auch bekannte Akteure in der Lego-Szene abgemahnt wurden, darunter einer der bekanntesten Lego-Influencer. Der deutsche Spielwarenhändler und Videoproducer Thomas Panke baut und bespricht seit 2014 auf seinem YouTube-Kanal „Held der Steine“ breitenwirksam Lego- und Konkurrenzprodukte, wobei er diese auch zerpflückt, wenn er Qualitätsmängel oder Probleme beim Preis-Leistungs-Verhältnis findet.

Seine Videos haben in der Regel Hunderttausende Klicks, auch auf Instagram und Twitch ist der Frankfurter erfolgreich unterwegs. Panke verdient dabei mit Affiliate-Links, die das Publikum direkt zu den besprochenen Produkten führen und betreibt auch ein eigenes Geschäft. Nun wurde er bereits im Jänner in einem Anwaltsschreiben des dänischen Spielwarenherstellers dazu aufgefordert, mehrere Videos zu löschen. Diese hätten die Wortmarke von Lego verletzt, weil Panke Bausets von konkurrierenden Unternehmen besprochen und auch deren Bausteine oder Produkte als Lego bezeichnet habe.

Zpielzeugmesse mit LEGO in China
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Alles dreht sich um die Frage: Lego oder Klemmbaustein?

Dass gerade ein reichweitenstarker Influencer wie Panke die Begriffe derart verwende, beschädige die Marke Lego, argumentierte der Milliardenkonzern. Panke kam der Aufforderung nach, sparte aber dabei auch nicht mit Kritik an dem Konzern – und gewann dadurch wieder mehr Publikum.

Wie zuletzt der „Tagesspiegel“ berichtete, ist der YouTuber indes nicht der Einzige, der sich mit rechtlichen Schritten Legos herumschlagen muss – Verstöße gegen das Markenrecht werden auch dem deutschen Klemmbaustein-Produzenten und -Händler BlueBrixx sowie einem Händler namens Steingemachtes vorgeworfen. Dessen Inhaber Thorsten Klahold – ebenfalls YouTuber – berichtete zuletzt in einem Video, dass ein Container mit Ware des Lego-Konkurrenten Qman vom Zoll abgefangen wurde, und brachte das mit Legos Markenstreit in Verbindung.

Opfer des eigenen Erfolgs

Legos Problem in der Sache ist mitunter, dass die Firma nach langen Jahren als Monopolist längst das Schicksal von Tixo, Frisbee oder Flip-Flop ereilt hat: In all diesen Beispielen war ein Markenprodukt derart erfolgreich, dass seine Bezeichnung im alltäglichen Sprachgebrauch zum Synonym für den Gegenstand an sich wurde. Wer heute einen bunten Plastikbaustein zum Stecken in der Hand hält, dem fällt wohl kaum zuerst das Wort Klemmbaustein oder Noppenstein ein. Und doch ist es nur dann Lego, wenn es tatsächlich von Lego produziert wurde.

Kein Patentschutz

Legos Patent für die Steine an sich ist bereits abgelaufen. Jeder darf Klemmbausteine – auch Lego-kompatible – produzieren. Einige Steine sind allerdings nach wie vor geschützt.

Dass Lego in dieser Frage just einflussreichen Influencern und Liebhabern mit rechtlichen Schritten droht, sorgt vielerorts für Unverständnis – immerhin liefern diese kostenlos Werbung und Feedback für Lego. Die Gegenseite argumentiert hingegen mit der rechtlichen Notwendigkeit: Lego-Produkte unterliegen dem Markenschutz. Dazu zählt auch die Wortmarke, die Lego im geschäftlichen Verkehr – also gerade auch gegenüber Händlern – aktiv verteidigen muss. Andernfalls könnte sie erlöschen – woran Lego wahrlich kein Interesse hätte.

Lego selbst teilte auf ORF.at-Anfrage lediglich mit, dass man rechtliche Schritte nur dann ergreife, wenn es notwendig sei. „Das Wichtigste für uns ist, sicherzustellen, dass die Verbraucher nicht getäuscht werden“, hieß es. „Wenn sie einen Artikel von einem anderen Hersteller kaufen und denken, dass sie aufgrund der beabsichtigen Produktähnlichkeit ein echtes Lego-Produkt kaufen, erhalten sie unter Umständen ein Produkt von minderer Qualität oder sogar eine sicherheitsgefährdende Imitation.“ Es sei wichtig, dass die Verbraucher in der Lage sind, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Zpielzeugmesse mit LEGO in den USA
AP/Stuart Ramson
Lego funktioniert nach wie vor generationsübergreifend. Doch die Kritik am Unternehmen ist derzeit laut.

Löschung möglich – in der Theorie

Könnte nachgewiesen werden, dass Lego mittlerweile großflächig als Gattungsbegriff für Klemmbausteine wahrgenommen wird, wäre theoretisch auch ein Antrag auf Löschung möglich – doch das wäre ein extrem langwieriges, teures und wohl auch wenig aussichtsreiches Unterfangen. Wie hartnäckig sich Markenrechte halten können, zeigt sich etwa am 1909 ins Markenregister eingetragenen Beispiel Fön: Der Name ist trotz seiner Verbreitung seit über 100 Jahren geschützt, bis heute dürfen Haartrockner nur dann Fön heißen, wenn sie vom Inhaber der Wortmarke produziert werden, mittlerweile ist das Electrolux.

Auch Lego ist im Markenstreit versiert, immerhin kämpft der dänische Konzern seit Jahrzehnten gegen Imitatoren und Konkurrenten an – denn die kleinen Plastikklötze nachzubauen, ist nicht nur keine Kunst, sondern im Großen und Ganzen seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2010 auch erlaubt. Seither kriegt der Platzhirsch Lego auch zunehmend Konkurrenz.

Erst 2015 wurde Lego nach einer Klage des Konkurrenten Best-Lock vom EU-Gericht bestätigt, dass Legos Minifiguren mit der Noppe auf dem Kopf als Marken geschützt sind. Ob dieser Schutz gerechtfertigt ist, ist ebenfalls ein großer Streitpunkt in der Klemmbaustein-Szene. Der „klassische“ Lego-Stein ist jedenfalls seit 2010 für die Teileproduktion und Verwendung im Spielzeug- und Modellbaumarkt nicht mehr geschützt – sehr wohl aber in zahllosen anderen Bereichen.

LEPIN Spielzeug
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Star Wnrs statt Star Wars, Lepin statt Lego: Teils wird dreist kopiert, Konkurrenten setzen aber auch zunehmend auf Innovation

Einen weiteren juristischen Erfolg erstritt sich Lego im Vorjahr: Die Dänen gingen in China gegen einen Produzenten vor, der Lego-Sets 1:1 dreist kopierte und unter dem Namen Lepin zu einem Zehntel des Originalpreises vertrieb. Verhandelt wurde ein Schadenswert von umgerechnet 42 Mio. Euro. Lego konnte zwar vor Gericht eine Unterlassungsklage, Schadenersatz und eine Gefängnisstrafe erwirken, doch letztlich ist der Kampf gegen Raubkopierer Sisyphusarbeit: Laut Berichten lief die Produktion in den Fabriken bereits kurz nach dem Urteil wieder an, die Lego-Klone wurden einfach unter anderen Namen vertrieben. Mittlerweile gibt es auch wieder einen Lepin-Onlineshop. Eine Anfrage, ob Lego dagegen vorgehen will, ließ das Unternehmen offen.

Konkurrenz wird immer besser

Es sind aber nicht nur Raubkopien, die Lego fürchten muss. Auch die legitime Konkurrenz wird nicht nur mehr, sondern auch besser – und das bei Preisen, bei denen sich Lego warm anziehen muss. Immer mehr Klemmbaustein-Hersteller liefern qualitativ hochwertige und attraktive Sets. Lego-Konkurrent CaDa etwa sei hinsichtlich „Technik und Komplexität unschlagbar, das Beste“, so ein Kenner. Der polnische Hersteller Cobi wirbt indes damit, dass seine Steine nur in der EU produziert werden – was bei Lego längst nicht mehr der Fall ist.

LEGO Spielzeug in einem Geschäft in Deutschland
Reuters/Wolfgang Rattay
Lego setzt auf Verschränkungen zwischen Populärkultur und Spielwaren

Gleichzeitig können die Konkurrenten auch zunehmend mit attraktiven Lizenzen aufwarten. Das ist ein kritischer Punkt – denn längst sind einzelne bunte Blöcke für das kreative und freie Spiel nicht mehr das Kernprodukt von Lego. Stattdessen sitzt das dänische Unternehmen auf popkulturellen Lizenzen, die Gold wert sind. Sets aus den Welten von Star Wars, Harry Potter, Marvel oder Super Mario sind die teuren Verkaufsschlager – und wohl noch länger ein Garant dafür, dass es trotz Klagen über zu hohe Preise und mangelnde Qualität dann doch wieder Lego wird.