Menschen mit Masken auf einer Brücke in Oberhausen
AP/Martin Meissner
"Sehnsucht nach Öffnung“

Merkel will in Etappen aus Lockdown

Im Kampf gegen das Coronavirus fährt Deutschland mit einem seit Mitte Dezember geltenden Lockdown einen anhaltend harten Kurs – und daran haben auch die seit Montag in zehn Bundesländern wieder geöffneten Grundschulen wenig geändert. Wie Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel laut einem Medienbericht dazu am Montag sagte, gebe es „die berechtigte Sehnsucht nach einer Öffnung“ – der Ausstieg aus dem Lockdown werde aber in Etappen erfolgen.

Merkels Zielvorgabe sind nach Angaben der „Bild“-Zeitung „vier Öffnungsschritte ohne Jojo-Effekt“. Angesichts steigender Infektionszahlen und der Ausbreitung von Virusmutationen mahnten Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun am Montag bei einer CDU-Präsidiumssitzung aber auch weiter zu großer Vorsicht. Allzu schnelle Lockerungen des Lockdowns dürfte es in Deutschland somit wohl auch weiter nicht geben.

Vielmehr soll eine Arbeitsgruppe mit Braun und den Chefs der Staatskanzleien der deutschen Bundesländer ab Dienstag zunächst die Details für etwaige Öffnungsschritte und damit eine Grundlage für den am 3. März anstehenden nächsten deutschen Coronavirus-Gipfel ausarbeiten. Erklärtes Ziel sei eine „sichere und gerechte Öffnungsstrategie“, wie die AFP berichtet.

Einen Plan für einen stufenweisen und nachhaltigen Abschied vom Lockdown gibt es seit Montag auch für England. Geht alles nach Plan, soll es bis 21. im größten britischen Landesteil keine CoV-bedingten Restriktionen mehr geben. Man werde, so der britische Premier Boris Johnson, den Weg aus dem Lockdown vorsichtig, aber unwiderruflich gehen.

Merkel für „Paketlösung“

Diese Vorgabe steht auch bei den deutschen Planspielen ganz oben auf der Agenda – im Gegensatz zu England steht der auch hier im Raum stehende Stufenplan allerdings noch am Anfang wohl intensiver Verhandlungen. Merkel will hier offenbar auf „Paketlösungen“ in verschiedenen Segmenten setzen. Man müsse jeweils entscheiden, wo man was öffnen wolle, wie Merkel laut Teilnehmerangaben dazu beim CDU-Präsidium sagte.

Das betreffe einmal den Bereich der persönlichen Kontaktbeschränkungen, dann Regelungen für Schulen und Berufsschulen sowie drittens die Bereiche Sportgruppen, Restaurants und Kultur. Wichtig sei, dass weitere Öffnungsschritte angesichts der sich ausbreitenden Virusvarianten nicht zu Rückschlägen bei den Infektionszahlen führten.

Angela Merkel
Reuters/Annegret Hilse
Gestiegene CoV-Zahlen sprechen gegen schnelle Lockerungen – Kanzlerin Merkel erwägt aber spätere Öffnungsschritte in Etappen

Laufende Debatte über Schnelltest-Zeitplan

Den von vielen ersehnten Weg aus dem Coronavirus-Lockdown sollen in Deutschland so wie in anderen Ländern zwei Instrumente absichern: immer mehr Impfungen, aber auch immer mehr Tests mit einfacher Handhabung. Gesundheitsminsiter Jens Spahn (CDU) will eine Offensive auf breiter Front dazu starten – mit Gratisschnelltests als Angebot für alle Bürger, abzunehmen von geschultem Personal. Und auch mit Selbsttests für jedermann für zu Hause. Über den Zeitplan und die Umsetzung wird aber erst noch zwischen Bund und Ländern beraten.

Demnach waren laut „Bild“-Zeitung auch die von Spahn für 1. März angekündigten kostenlosen Schnelltests keine ausgemachte Sache. Vielmehr sei dieser Termin bereits wieder verschoben, wie die Zeitung mit Verweis auf eine Entscheidung des deutschen „Corona-Kabinetts“ am Montagabend berichtete.

Hintergrund seien noch zu viele offene Fragen. So sei etwa nach wie vor offen, wie viele Tests pro Person kostenlos sein sollen. Immerhin gebe es nach Angaben aus dem deutschen Gesundheitsministerium „keinen Mangel an Schnelltests“. Deutschland habe sich für dieses Jahr 500 Millionen Stück und zusätzlich auf europäischem Wege 300 Millionen gesichert.

Schrittweise Rückkehr von Zuschauern gefordert

Wie aus einem am Montag von Experten und Wissenschaftlern vorgestellten Konzept hervorgeht, könnte indes mit personenbezogenen Tickets, einer Maskenpflicht und Alkoholverboten der Weg für eine schrittweise Rückkehr von Zuschauern in Kultur- und Sporteinrichtungen eröffnet werden. „Wir denken, dass ein Einstieg bald möglich ist“, sagte der Gesundheitsökonom und Hygieneexperte Florian Kainzinger in einer Onlinepressekonferenz. Der Zeitpunkt der Öffnung habe dabei nicht die oberste Priorität, sondern die Frage, wie eine Öffnung gestaltet werden könne.

Der von 20 Experten und Wissenschaftlern in den vergangenen zwei Monaten erarbeitete Leitfaden unterteilt sich in drei Bereiche: Ein Basiskonzept mit einer Auslastung der Zuschauerkapazität bis zu 40 Prozent, ein Spezialkonzept mit einer Auslastung bis zu 80 Prozent und ein Testkonzept für eine hundertprozentige Vollauslastung. Dabei wird zwischen Indoor- und Outdoorveranstaltungen unterschieden.

„Irgendwann muss die Frage beantwortet werden: Wie gehen wir die Schritte zurück?“, so Kainziger, der zugleich appellierte, über eine Lockerung nicht nur auf Grundlage der aktuellen Inzidenzzahlen zu entscheiden. Nach Ansicht von Georg-Christian Zinn, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, könne man bei einer konsequenten Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen schließlich auch den neueren Virus-Varianten Stand halten.

„Was wir aufmachen, wollen wir aufhalten“

Wegen der Ausbreitung der ansteckenderen Coronavirus-Variante wurden in Deutschland Hoffnungen auf weitere rasche Lockdown-Öffnungen wieder gedämpft. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies am Montag in diesem Zusammenhang auf die erfolgten Teilöffnungen der Schulen in den meisten deutschen Bundesländern. Dadurch gebe es „ein erhebliches Mehr an Kontakten und damit auch an Übertragungsrisiken“.

Dem Regierungssprecher zufolge wolle niemand Öffnungen wieder zurücknehmen. „Was wir aufmachen, das wollen wir dann auch aufhalten.“ Wichtig sei es nun aber, zunächst ganz genau zu schauen, in welchem Umfang die Schulöffnungen Veränderungen im Infektionsgeschehen mit sich bringen.

Söder will Friseure öffnen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte dennoch bereits für Anfang nächster Woche weitere Lockerungen an. Neben Friseuren dürften in Bayern dann auch andere körpernahe Dienstleistungen wie etwa Fußpflege sowie zudem Gärtnereien, Gartenmärkte und Blumenläden wieder aufmachen, sagt der CSU-Chef in München. Er werde das entsprechend im Landeskabinett einbringen.

Was die deutschlandweite Vorgangsweise in Sachen Lockerungen betrifft, rückte zuletzt eine 7-Tage-Inzidenz von 35 in den Fokus. Demnach sollten ab 7. März auch Geschäfte dort wieder öffnen können, wo es regional drei Tage lang nicht über 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern und sieben Tagen gibt. Am Montag stieg diese 7-Tage-Inzidenz nach Angaben des RKI deutschlandweit von 60,2 auf 61,0.

Der „Spiegel“ ortet mit Verweis auf die wieder im Steigen befindlichen CoV-Fallzahlen indes auch einen Stimmungswandel. Erstmals habe eine Mehrheit kein großes Vertrauen mehr in die Arbeit der deutschen Regierung, wie das Nachrichtenmagazin mit Verweis auf eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey am Montag berichtete.