Die Grundzüge des Entwurfs waren bereits seit Freitag bekannt: Der Rechnungshof soll künftig auch Unternehmen ab 25 Prozent öffentlicher Beteiligung kontrollieren dürfen. Und er erhält dabei mehr Befugnisse. Bisher konnte er nur Betriebe prüfen, an denen die öffentliche Hand zumindest zu 50 Prozent beteiligt war.
Eingerichtet werden soll zudem ein Informationsregister. Informationen von allgemeinem Interesse sind in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise proaktiv zu veröffentlichen. Das gilt insbesondere für Studien, Gutachten, Stellungnahmen und Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro.
Informationsrecht mit Ausnahmen
Wer Informationen zum Beispiel zur Gesetzgebung oder Verwaltung haben möchte, kann dafür einen Antrag „in jeder technisch möglichen und vorgesehenen Form“ stellen. Eine Antwort der auskunftgebenden Stelle soll nach maximal vier Wochen erfolgen, bei schwierigeren Auskünften oder Abwägungen nach acht Wochen. Für die Bürger und Bürgerinnen soll die Anfrage gebührenfrei sein. Informationen sollen aus dem gesamten Amtsbereich und der Selbstverwaltung sowie von Unternehmen, die der Kontrolle des RH unterliegen, eingeholt werden können. Ausgenommen wurden jedoch börsennotierte Betriebe.
Wenn die Geheimhaltung von Informationen „erforderlich und verhältnismäßig ist“, dürfen diese nicht veröffentlicht werden, zum Beispiel, wenn die Informationen die nationale Sicherheit gefährden. Der Rechtsschutz soll durch die Verwaltungsgerichte abgesichert werden. Die Datenschutzbehörde soll als eine Service- und Informationsstelle für alle Behörden und Einrichtungen dienen. Für die Reform braucht die Regierung allerdings die Stimmen von SPÖ oder FPÖ. Denn bei der Reform handelt es sich um eine Verfassungsmaterie.
Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sagte am Montag, dass man sehr lange an dem Entwurf gearbeitet habe. Jeder Bürger und jede Bürgerin hätte ein Recht auf Informationen des Staates, so die für Verfassung zuständige Ministerin. Die Stellungnahmen, die im Zuge der Begutachtung eintreffen, werde man „gewissenhaft“ anschauen. Auch jene Stellungnahme des VfGH, falls dieser eine ausarbeitet. Denn das Höchstgericht wird ebenfalls im Informationsfreiheitspaket erwähnt.
„Dissenting Opinion“ im Entwurf
Konkret geht es erstens um die Cooling-off-Phase für künftige Richter und Richterinnen des VfGH. Bisher gilt diese nur für den Präsidenten und den Vizepräsidenten. So kann ein Präsident bzw. ein Vizepräsident gemäß Bundes-Verfassungsgesetz nicht ernannt werden, wenn der in den vergangen fünf Jahren zum Beispiel Mitglied der Bundesregierung war. Als Beispiel wird der ehemalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter ins Treffen geführt, der bis Dezember 2017 das Ressort führte und 2018 als VfGH-Richter angelobt wurde und somit auch über jene Gesetze entscheiden muss, die zu seiner Zeit als Justizminister beschlossen wurden.
Obwohl Brandstetter offenbar an keiner Entscheidung über „seine“ Bundesgesetze teilnimmt, wird die Cooling-off-Phase nun auch für Richter und Richterinnen festgelegt. Im Gegensatz zum Präsidenten und Vizepräsidenten beträgt die Abkühlungsphase nicht fünf, sondern drei Jahre. Eine weitere Änderung betrifft die Entscheidung selbst.

Bisher sprach der VfGH mit einer Stimme, künftig soll für Richter und Richterinnen auch die Möglichkeit geschaffen werden, abweichende Meinungen („dissenting opinion“) zu veröffentlichen. Im Entwurf heißt es, dass ein Mitglied seine Meinung in einem Sondervotum, „das der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses anzuschließen ist“, festhalten kann.^
Edtstadler: Möglichkeit wird geschaffen
Kanzleramtsministerin Edtstadler betonte, dass damit lediglich eine Möglichkeit geschaffen wird. „Niemand wird verpflichtet, seine Rechtsauffassung zu veröffentlichen“, so Edtstadler. Auf Nachfrage sagte die Ministerin, dass der Verfassungsgerichtshof davor nicht über diese Änderung informiert wurde. Man werde aber auch hier die Stellungnahme abwarten. In der Begründung für diesen Schritt heißt es: „im Interesse der Transparenz“. Laut ORF.at-Informationen wird sich der Verfassungsgerichtshof zu Wort melden.
Die „dissenting opinion“ ist bei Juristen und Juristinnen umstritten. Befürworter sagen, dass damit die Transparenz erhöht werde und man heutzutage ohnehin wisse, dass nicht alle Entscheidung des VfGH einstimmig fallen. Zudem könnten mit abweichenden Meinungen weitere Diskussionsprozesse gestartet werden. Kritiker hingegen zweifeln am Mehrwert der Veröffentlichung. Sie befürchten, dass das sogar die Autorität des Höchstgerichts beeinträchtigen könnte.
2017 sagte der damalige VfGH-Präsident Gerhart Holzinger, dass der Gerichtshof mehr als die Summe seiner Mitglieder sei. Vor allem sei „zu befürchten, dass eine Veröffentlichung von Sondervoten gerade bei einem Gericht, das vielfach gesellschafts- und damit parteipolitisch kontroversielle Fragen zu entscheiden hat, das Verhalten der Mitglieder und damit ihre Unabhängigkeit, verstanden als innere Freiheit, nachteilig beeinflussen könnte“, sagte Holzinger, der mit der Forderung nach einer „dissenting opinion“ kurz nach der Aufhebung der Bundespräsidentschaftswahl 2016 konfrontiert war. Damals wollte die SPÖ unbedingt, dass auch abweichende Meinungen veröffentlicht werden. Heute zeigt sie sich noch abwartend.