Die Corona-Teststraße beim Wiener Austria Center
APA/Georg Hochmuth
Coronavirus-Schnelltests

Die Grenzen der Aussagekraft

In der Schule, der Teststraße, der Apotheke und den eigenen vier Wänden: Zur Kontrolle der Pandemie setzt Österreich auf ein umfangreiches Testangebot. Die verwendeten Schnelltests liefern ein rasches Ergebnis, ihrer Aussagekraft sind allerdings Grenzen gesetzt.

Was die Anzahl der durchgeführten Tests betrifft, liegt Österreich international im Spitzenfeld. Zu verdanken ist das dem breiten Einsatz von kostenlosen Schnelltests und der Verpflichtung zum Eintrittstesten. Wer zur Friseurin oder zur Kosmetikerin gehen will, braucht einen negativen CoV-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Beim Besuch von Verwandten im Alters- und Pflegeheim muss ebenfalls ein negativer, höchstens 24 Stunden alter Test vorgelegt werden.

Die unterschiedlichen Zeitangaben sind einem Kompromiss geschuldet. Auf der einen Seite steht der Versuch des Gesetzgebers, für größtmögliche Sicherheit zu sorgen, auf der anderen die Durchführbarkeit. So oder so: „Ultimative Sicherheit gibt es mit dem Schnelltest nicht“, sagt der Virologe Lukas Weseslindtner von der MedUni Wien gegenüber ORF.at. „Aus virologischer Sicht ist ein Schnelltest für maximal 24 Stunden verlässlich, aber nur bei hoher Viruskonzentration“, so der Forscher. Nachsatz: „Ansteckend sein kann man trotzdem – nur eben nicht hochansteckend.“

Der richtige Zeitpunkt entscheidet

Entscheidend für die Treffsicherheit der Schnelltests ist der Zeitpunkt ihres Einsatzes. Etwa drei bis vier Tage nach der Ansteckung kann eine CoV-Infektion erstmals mittels PCR im Labor nachgewiesen werden. Viele Betroffene verspüren noch keine Symptome, können das Virus aber bereits weitergeben. Der Schnelltest schlägt zu diesem Zeitpunkt noch nicht an.

Eine Covid-Teststation in einer Apotheke in Wien
APA/Roland Schlager
Gratistest in der Apotheke: Ein negatives Ergebnis ist kein Freibrief

In den folgenden 48 bis 72 Stunden kommt ein „explosionsartiger Prozess“ in Gang, sagt Weseslindtner. Der Erreger vermehrt sich exponentiell, die ersten Krankheitsanzeichen treten auf und die Betroffenen sind hochansteckend. Erst in dieser Phase hat der Schnelltest eine ausreichend hohe Sensitivität, um die Infektion zu finden. „Der Schnelltest ist recht gut, wenn die Viruskonzentration im Nasen- und Rachenraum am höchsten ist“, so Weseslindtner, „48 Stunden vorher, wenn die Ansteckungsgefahr beginnt, aber nicht am größten ist, ist er der PCR eindeutig unterlegen.“

Bessere Treffsicherheit bei häufigerem Testen

Der breite Einsatz von Schnelltests kann dennoch sinnvoll sein. Studien zeigen, dass die Pandemie von Superspreadern getrieben wird. 20 Prozent der Infizierten könnten für 80 Prozent der Fälle verantwortlich sein, so die Annahme – mehr dazu in science.ORF.at.

Können diese Personen zu einem Zeitpunkt aufgespürt werden, an dem sie hochansteckend sind, könnte das zumindest in der Theorie die Pandemie bremsen. Als Screeningtool entwickeln Schnelltests ihre größte Kraft, wenn sie „engmaschig wiederholt werden“, sagt Weseslindtner. Das gelte auch auf individueller Ebene: Je häufiger man testen geht, desto höher die Treffsicherheit.

Als alleinige Maßnahme nicht ausreichend

Trotzdem gilt: Schnelltests bieten keinen 100-prozentigen Schutz. Als alleinige Maßnahme reichen sie nicht aus, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Dazu braucht es mehr. Weseslindtner verweist auf das ursprünglich aus der Unfallforschung stammende und vom australischen Epidemiologen Ian Mackay auf die Pandemiebekämpfung umgemünzte „Schweizer-Käse-Modell“. Jede Maßnahme ist darin als Käsescheibe mit Löchern dargestellt.

Kombiniert man die einzelnen Schritte, entsteht eine zunehmend undurchdringliche Schicht an Scheiben. In Österreich kämen nach diesem Modell zu den Schnelltests etwa die FFP2-Maskenpflicht und die Kontaktbeschränkungen. Ob dieser Maßnahmenmix angesichts der sich rasch ausbreitenden neuen Virusvarianten genügend Wirksamkeit entfaltet, wird sich weisen. Seit den Lockerungen Anfang Februar ist die 7-Tage-Inzidenz wieder deutlich gestiegen.

Virusmutationen werden derzeit erkannt

Die aktuell verwendeten Schnelltests erkennen auch die in Österreich zirkulierenden Virusvarianten B.1.1.7 (erstmals in Großbritannien entdeckt) und B.1.351 (Erstnachweis in Südafrika). Die Schnelltests sprechen nicht auf das auf der Virushülle sitzende Spike-Protein, sondern auf Nukleokapsid, ein Protein, das im Inneren des Erregers zu finden ist, an.

SARS-CoV-2 Antigen Schnelltest
ORF.at
Seit Montag geben die Apotheken fünf Gratisselbsttests pro Person und Monat ab

Zwar lassen sich laut Weseslindtner bei den neuen Virusvarianten auch Änderungen im Nukleokapsidbereich beobachten, die Ergebnisse der Schnelltests würden dadurch aber derzeit nicht beeinflusst. Der Wissenschaftler schließt allerdings nicht aus, dass sich in der Zukunft Virusvarianten bilden, die Schnelltests austricksen könnten.

Selbsttests: Falsche Sicherheit

Seit Montag werden in den Apotheken pro Person und Monat fünf Selbsttests für zu Hause gratis abgegeben. Bei der Anwendung gibt es einiges zu beachten. Als Allererstes empfiehlt Weseslindtner, sich gewissenhaft anzuschauen, wie der Test funktioniert. „Der Abstrich muss ordentlich durchgeführt werden. Damit der Test überhaupt Aussagekraft hat, braucht es ausreichend Schleimhaut- und Zellmaterial.“ Zudem kann der zweite Strich, der im Fall eines positiven Befundes erscheint, sehr schwach sein.

Die größte Sorge der Fachleute sei, „dass der Test zu falscher Sicherheit führt“. Die Aussagekraft des Ergebnisses sollte nicht überschätzt werden. Ein negativer Selbsttest ist kein Freibrief dafür, eine Party mit 30 Leuten in der eigenen Wohnung zu feiern. „Der Test hilft mir, eine ungefähre Orientierung zu bekommen – mehr aber auch nicht“, so Weseslindtner.