Kermit der Frosch
Reuters/Mike Segar
„Muppet Show“

Warnhinweis für diesen Frosch

Nach „Aristocats“, „Peter Pan“ und „Dumbo“ ist jetzt die „Muppet Show“ dran: Seit einigen Monaten zeigt der Streamingkanal Disney-Plus Warnhinweise bei Filmen, die Stereotype enthalten. Zweifelsohne waren die Muppets nie zimperlich beim Austeilen und dem Spiel mit Stereotypen. In den Foren ist die Aufregung pro und kontra jedenfalls groß.

45 Jahre ist es her, dass die „Muppet Show“ Anarchie in bürgerliche Haushalte brachte. Unterhaltung „bis der Schuppen wackelt und zusammenbricht“ versprach schon die Titelmelodie. Frei nach diesem Motto trat eine räudig-ruppige Bande felliger Desperados zum chaotischen Vergnügen im Revue-Stil an, mit Schmäh, Musik und Stargästen von Alice Cooper über Peter Ustinov und Joan Baez bis hin zu Sylvester Stallone.

Die Prominenten, die der in über 100 Ländern ausgestrahlten Show Glamour und jeweils ein verändertes Kolorit gaben, hätten sich um den Auftritt gerissen, wie es heißt. Wer über die „Muppet Show“ lachte, galt damals als progressiv – was vielleicht auch den Aufschrei zur Meldung erklärt, dass nun 18 Folgen mit Warnhinweisen versehen werden.

Der Streaming-Kanal Disney Plus hatte, zu vielleicht so mancher Überraschung, 2004 die Rechte am gesamten „Muppet“-Paket erworben. Seit letzter Woche strahlt er nun, aktuell beschränkt auf den englischsprachigen Raum, auch alle 120 Folgen aus fünf Staffeln des bis 1981 produzierten Variete-Comedyformats aus – mit entsprechender Kommentierung.

Rätseln über problematische Inhalte

Man warnt vor „negativen Darstellungen und/oder falscher Behandlung von Personen oder Kulturen“. „Diese Stereotypen waren damals falsch und sind es jetzt", heißt es nun vor den Sendungen. Wovor konkret gewarnt wird, darüber rätselt derzeit das deutsche Feuilleton: „Ist es in der Folge mit Steve Martin etwa die Eröffnungsszene, in der der US-Komiker einen Pfeil im Kopf stecken hat, die falsch ausgelegt werden könnte?“ schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

Waldorf und Statler
APA/AFP/Getty Images/Alberto E. Rodriguez
Die Muppet Show, gedreht zwischen 1976 und 1981, war die wahrscheinlich erfolgreichste Fernsehshow ihrer Zeit.

Und weiter: „Sind es die Ratten, die einen französischen Cancan tanzen? Oder der (blauhäutige) Mexikaner, der singendes Gemüse dirigiert?“ Gegenüber einer anderen Episode fragt man sich weiter, ob es an Fozzie-Bär liegen könne, der mit Perücke Miss Piggy parodiert: „Ist das sexistisch?“ Eindeutig fallen dagegen Peter Sellers als verkleideter „Gypsy“ vor einem Wohnwagen und der vor einer Flagge der Konföderierten singende Johnny Cash aus – die Flagge gilt als ein Symbol der Ultrarechten.

Freche Kultcharaktere

Auf der einen Seite: eine übervorsichtige Einordnung. Auf der anderen Seite lässt sich aber vielleicht ein gewisses Motiv dafür erkennen, für die frechen Kultcharaktere in die Bresche zu springen, die zumindest für eine Generation zum kulturellen Gedächtnis gehören. Unvergessen etwa der in der deutschen Übersetzung schräge dänische Koch mit seinem Sager „Smörebröd, smörebröd römpömpömpöm“, der die wildesten Kreationen ersann und etwa eine Maschine erfand, die aus purem Gold schnöden Hüttenkäse kreierte (im Original ist er ja der „swedish chef“ – doch die Synchronstimme von Eberhard Storeck, der auch für den faulen Willi in der „Biene Maja“ verantwortlich zeichnet, macht den Wahldänen mit seinen „Prövningen“ noch viel gehaltvoller – und abgründiger).

Oder der Jazz-Bär Fozzie, dessen Leben von drei simplen Regeln bestimmt wurde: „Erzähle witzige Witze, benutze einen Haufen Requisiten und esse jede Menge Hühnersuppe!“ Warum Hühnersuppe? „Die kann nie schaden! Wocka-Wocka!“ Legendär waren auch die Berichte von der Raumschiff-Enterprise-Parodie „Schweine im Weltall“ oder, sozusagen die „Boomer“ von damals, Statler und Waldorf, die vom erhöhten Balkon herab ihren „alten, weißen“ Senf dazugeben mussten – und denen stets das Privileg des Schlusskommentars blieb.

Und last but not least lebte das wild-vergnügliche Treiben natürlich vom Tausendsassa-Frosch Kermit mit seiner Vielfachrolle: Kermit agierte als Promi-Gastgeber, regelmäßiger Performer mit Liedern und Sketchen, Verehrer der unerreichbaren Schweine-Diva Miss Piggy und als ungeduldiger Lenker des Chaos vor und hinter der Bühne.

Ironisch, aber nicht zynisch

„Ironisch, aber nicht zynisch. Scharf, aber nicht grausam. Süß, aber nicht kitschig. Anarchisch, aber nicht chaotisch“, hieß es zur „Muppet Show“ einmal im „Guardian“. Tatsache ist: Die Muppets sind wie alle anderen Fernsehhelden natürlich auch Kinder ihrer Zeit und damit nicht vor rassistischen Untertönen und anderen herabsetzenden Stereotypen gefeit, selbst wenn es dem Schöpfer „stets um ein gerechtes, friedliches und fröhliches Zusammenleben ging“, wie die „Süddeutsche“ nun verteidigend vorbringt.

Ein Hinweis vor Sendungen könne grundsätzlich zweckdienlich sein, so die Psychoanalytikerin Karin J. Lebersorger einmal gegenüber ORF.at. Nämlich dafür, um mit Kindern über Vorurteile zu sprechen. Vor gesellschaftlichen Realitäten, zu denen auch stereotype Herabsetzungen gehören, können sie nämlich, so Lebersorger, nicht bewahrt werden.