Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)
APA/Hans Punz
Leaks verbieten?

Koalition uneins bei Zitieren aus Akten

Am Mittwoch hat die Regierung nach dem Ministerrat die Einigung auf die Entflechtung der Glücksspielkompetenzen und eine unabhängige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft bekanntgegeben. Details sind noch offen – und bei anderen Punkten einer Justizreform sind sich die Koalitionspartner nicht einig. So will die ÖVP offenbar auch die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren erschweren und Medien das Zitieren aus Akten verbieten. Die Grünen lehnten das postwendend ab.

Mittwochfrüh wurde via „Kurier“ bekannt, dass die ÖVP es – nach deutschem Vorbild – künftig untersagen will, dass Medien aus von Anwälten weitergegebenen Ermittlungsakten zitieren dürfen. Außerdem wolle sie den Ermittlern die „überschießende Auswertung“ von Kommunikation untersagen, so der Bericht. In Deutschland dürfen Dokumente eines Strafverfahrens erst im Wortlaut veröffentlicht werden, wenn sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden.

Vom grünen Koalitionspartner kam ein deutliches Nein zu den kolportierten Wünschen der ÖVP: „Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen“, sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. „Bereits jetzt gibt es ein Verbot der Veröffentlichung besonders grundrechtssensibler Überwachungsergebnisse“, erklärte sie. Die gesetzliche Regelung „ist aus Sicht der Grünen ausreichend“.

Bundesstaatsanwaltschaft fix, Details sollen folgen

Etwas zurückhaltender äußerte sich zuvor Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler, der nach dem Ministerrat gemeinsam mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) den Grundsatzbeschluss für die Einführung einer unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft präsentierte. Dieser bereits zuvor verkündete Plan steht vorerst aber nur in den Grundzügen, es fehlen sämtliche Details – diese sollen unter Einbeziehung der „relevanten Stakeholder“ erst ausgearbeitet werden. Zu klären ist etwa der Ernennungsmodus, die Dauer der Bestellung und die Frage der Organisationsstruktur sowie die der Kontrolle. Auch gibt es noch keinen Zeitplan.

Koalition uneins bei Zitieren aus Akten

Die ÖVP will die Medienberichterstattung über Ermittlungen beschränken. Die Journalistengewerkschaft ist entsetzt, die Rechtsanwaltskammer warnt vor einem „medialen Maulkorb“ und auch der Koalitionspartner ist skeptisch.

Edtstadler: „Leaks vermeiden“

„Ermittlungsverfahren sollen unabhängig und ohne öffentlichen oder politischen Druck geführt werden können. Dabei gilt es ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, die Pressefreiheit zu schützen und gleichzeitig mediale Vorverurteilung zu vermeiden“, so der Text des entsprechenden Ministerratsvortrags.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach dem Ministerrat

Edtstadler erwartete einen „Paradigmenwechsel“ durch das Gesetzespaket.

Bei der Vermeidung von Vorverurteilung dürfte seitens der ÖVP der zitierte Plan gemeint sein, die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren zu erschweren. Edtstadler sagte dazu im Pressefoyer, es müsse – im Sinn eines fairen Verfahrens – das Ziel der unabhängigen Justiz sein, dass bei einem nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren alles getan wird, Leaks in den Medien zu vermeiden. Vizekanzler Kogler dagegen äußerte sich zurückhaltend: Es gehe um die Abwägung der Beschuldigtenrechte und der Aufrechterhaltung der Pressefreiheit, sagte er.

Heikler Zeitpunkt für Justizreform

Pikant ist die Sache, da die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bei den Ermittlungen rund um die „Ibiza“- und Glücksspielaffäre auch frühere und aktive ÖVP-Politiker ins Visier genommen hat und sich die Ermittlungen unter anderem auf die Auswertung von Handynachrichten stützen. Teilweise wurden diese auch in Medien veröffentlicht, etwa beim ÖVP-nahen Chef der Staatsholding ÖBAG, Thomas Schmid, und bei Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Und zuletzt wurden auch Nachrichten von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) aus dem Jahr 2017 publik. Dabei bat er um einen Termin beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz, und schrieb von einer Spende und von einem Problem, „das wir in Italien haben“. Die SMS soll Auslöser für die Ermittlungen der WKStA gegen Blümel inklusive der Hausdurchsuchung am 11. Februar beim Finanzminister gewesen sein.

Scharfe Kritik der Opposition

Scharfe Kritik kam von SPÖ, FPÖ und NEOS: Das sei keine Justizreform, sondern ein „Blümel-Schutzprogramm“, so SP-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Er hält das ÖVP-Vorgehen für „brandgefährlich und demokratiegefährdend“ sowie für einen Angriff auf die Pressefreiheit. „Die ÖVP strebt nicht nur den Zugriff auf die Justiz an, sondern auch die Kontrolle über die Berichterstattung zu Verfahren“, kritisierte der freiheitliche Abgeordnete Christian Hafenecker. Auch NEOS lehnten eine „Medien-Maulkorb“ ab.

Ähnlich sah das die GPA-Journalistengewerkschaft, die von einem „inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit und damit unsere Demokratie“ sprach. Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) sprach sich entschieden gegen eine Einschränkung der Medienfreiheit aus: „Die Freiheit der medialen Berichterstattung und die Verteidigungsrechte der Bürger sind ganz wesentliche Elemente unseres demokratischen Rechtsstaates“, unterstrich Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff: „Eine Einschränkung dieser Rechte durch Einführung eines Veröffentlichungsverbotes halte ich nicht nur für unnötig, sondern auch für einen bedenklichen Rückschritt in unserer rechtsstaatlichen Entwicklung.“

Blümel freut sich auf Einvernahme

Finanzminister Blümel will die Vorwürfe gegen ihn jedenfalls rasch vom Tisch haben. Am Freitag ist er zu einer Einvernahme bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geladen, wie er gegenüber der APA bestätigte. „Ich bin froh, dass ich bereits am Freitag die Gelegenheit habe, die falschen Vorwürfe auszuräumen“, sagte er. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Bestechlichkeit, sie vermutet illegale Parteienfinanzierung durch den Glücksspielkonzern Novomatic. Blümel, ÖVP und auch Ex-Novomatic-Chef Neumann weisen die Vorwürfe zurück.

Mysteriöses Zweithandy

Laut „Kurier“ soll es bei der Einvernahme am Freitag auch um neu aufgetauchte Details rund um Blümels Handy gehen: Die Wochenzeitung „Falter“ berichtete am Montag, dass auf dem sichergestellten Handy von ÖBAG-Chef Thomas Schmid, der in den Ermittlungen in der Postenschacher-Affäre rund um die Casinos Austria als Beschuldigter geführt wird, mehr als 1.500 Nachrichten gefunden worden seien, die von 2014 bis 2019 zwischen Blümel und Schmid ausgetauscht wurden.

Blümel habe für die Konversationen mit Schmid nicht sein Diensthandy, benutzt, das gehe aus einem Amtsvermerk vom 22. Dezember 2020 hervor, so der „Falter“. Die Hausdurchsuchung bei Blümel soll also auch dazu gedient haben, das besagte Handy und die darauf möglicherweise erhaltenen Informationen sicherzustellen, schreibt der „Falter“.

Ermittlungen wegen Falschaussage gegen Schmid

Am Mittwochnachmittag wurde dann bekannt, dass die WKStA gegen Schmid nun auch wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss ermitteln soll. Er soll laut einer Vorabmeldung der „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“) bei seiner Befragung am 24. Juni 2020 angegeben haben, der frühere FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs sei in den Prozess zur Glücksspielnovelle 2018 eingebunden gewesen. Es gebe aber „keinen aktenkundigen Hinweis auf eine – wenn auch nur geringfügige – Einbindung des Staatssekretariats (…)“, begründete die WKStA das Ermittlungsverfahren, so die „OÖN“. Schmid bzw. eigentlich sein beschlagnahmtes Handy beschäftigt die Ermittler besonders. Laut „Falter“ sollen sich darauf 300.000 Textnachrichten befunden haben.

Weiter Warten auf SMS zwischen Kurz und Strache

Apropos Textnachrichten: Der „Ibiza“-Untersuchungsausschuss muss weiter auf die Übermittlung des SMS-Verkehrs zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen ehemaligen Vizekanzler Strache warten. Kogler, derzeit auch für die Justiz zuständig, hatte das den Abgeordneten in Aussicht gestellt. Zuvor musste der Inhalt auf Relevanz für den Untersuchungsgegenstand geprüft werden.

Die SMS an Kurz, die auf Straches Handy sichergestellt worden waren, sollen dem U-Ausschuss Aufschluss über mögliche politische Absprachen zur Zeit der türkis-blauen Regierung geben, insbesondere über den von manchen vermuteten Postenschacher im Glücksspielbereich. Ausgewertet dürfte die Kommunikation laut APA-Informationen bereits seit dem 20. Februar sein. Allerdings konnte keine Partei die langersehnte Übermittlung bestätigen.