Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO)
APA/Helmut Fohringer
WIFO-Chef Badelt fordert

„Neustart für umfassende Umweltpolitik“

WIFO-Chef Christoph Badelt sieht durch die CoV-Krise wichtige wirtschaftspolitische Themen in den Hintergrund gerückt und fordert „einen Neustart für eine umfassende Umweltpolitik“, wie er am Donnerstag sagte. Neben Umweltthemen sieht der Wirtschaftsforscher unter anderem Handlungsbedarf bei Strukturproblemen im Außenhandel, bei Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit sowie der Abgaben- und Förderstruktur.

Das Klimathema sei „vielleicht die größte Problematik, der sich die moderne Gesellschaft und die österreichische Wirtschaft stellen muss“, sagte Badelt bei einer Onlinepressekonferenz des Klubs der Wirtschaftspublizisten. Wegen der Pandemie und des Wirtschaftseinbruchs würden die Treibhausgasemissionen im Jahr 2020 sinken. „Das ist überhaupt keine Lösung. In Wahrheit sind wir Lösungen beim Klimathema nicht näher gekommen“, so der Spitzenökonom.

Für die österreichische Wirtschaft wünscht sich Badelt einen „umfassenden Transformationsprozess“, der von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) vorangetrieben werden sollte. „Ich weiß, dass die Ministerin daran arbeitet, aber mir ist das viel zu wenig präsent.“ Der Ökonom fordert eine stärkere öffentliche Diskussion über die Klimathematik, unter anderem, wie die ökosoziale Steuerreform ausgestaltet werden soll und Emissionen im Straßenverkehr gesenkt werden können.

Ladestation für Elektroauto
ORF.at/Georg Hummer
Die E-Mobilität gilt als wichtiger Baustein in der Umweltpolitik

Umweltschädliches Verhalten „verteuern“

„Wir brauchen hier mehr Kraft, Energie und politische Aufmerksamkeit.“ Eines der Themen sei, wie man Preissignale für die Treibhausgasemissionen der Industrie und Konsumenten einführe, um umweltschädliches Verhalten zu verteuern. Weiters wünscht sich der WIFO-Chef von der Bundesregierung, dass sie auf das neue internationale Umfeld „aktiv reagiert“ und sich in Brüssel stärker einbringt.

Da gehe es unter anderem um die Besteuerung von internationalen Konzernen sowie die Diskussion der Fiskalregeln und der EU-Industriepolitik. Badelt ortet beim österreichischen Außenhandel mehrere Strukturprobleme. Die Exporte müssten an den Technologiewandel angepasst werden – Stichwort E-Mobilität –, und neue Märkte außerhalb Europas sollten verstärkt bedient werden. Dazu brauche es unter anderem Investments in Elektrotechnologie in Österreich.

Bildungsangebote als "Ausgleich von CoV-Defiziten

Auf dem Arbeitsmarkt sieht Badelt vor allem drei Problemfelder, die es bereits vor der CoV-Krise gab. Langzeitarbeitslosigkeit müsse man schon präventiv verhindern, dann mit Qualifizierung und als letzten Schritt mit Beschäftigungsprojekten bekämpfen. Die von der SPÖ vorgeschlagene „Aktion 40.000“ würde Badelt gerne ohne Parteipolitik „sachlich diskutieren“.

Bei Jugendlichen müsse man weitere Bildungsangebote zum Ausgleich von CoV-Defiziten schaffen, das Lehrstellenangebot ausweiten und die Lehrzielerreichung sozial benachteiligter Jugendlicher stärker fördern, so der Ökonom. Den Fachkräftemangel dürfe die Politik nicht aus den Augen verlieren. „Das wird nach der Corona-Krise stärker werden“, erwartet Badelt.

Auch Tourismus soll sich mehr mit Umwelt beschäftigen

Nach der Pandemie werden laut Badelt der Abbau der öffentlichen Defizite und die Schulden wieder in den Vordergrund rücken. Um das zu erreichen, brauche es eine Reform der Abgaben- und Förderstruktur in Österreich. „Wir haben eine schiefe Abgabenstruktur“, so der WIFO-Chef. Es gebe eine hohe Belastung des Faktors Arbeit und eine geringe Belastung von Vermögen und Emissionen. Bei Vermögenssteuern spricht sich Badelt gegen Steuern auf den Vermögensbestand aus. Denkbar seien höhere Steuern bei Immobilien und bei Vermögenszuwachs.

Der Tourismusbranche empfiehlt Badelt, sich stärker mit den Themen Umwelt und Energie auseinanderzusetzen. Die CoV-Krise hat den heimischen Tourismus wirtschaftlich hart getroffen, und die Erholung wird vor allem im Stadttourismus länger dauern. „Auch das Image des Wintertourismus in Westösterreich hat stark gelitten“, so der WIFO-Chef. Der Städtetourismus werde in den nächsten Jahren nicht wieder das Vorkrisenniveau erreichen und sich daher verkleinern, erwartet der Spitzenökonom.

Ende März veröffentlichen die Wirtschaftsforscher von IHS und WIFO ihre neue Wirtschaftsprognose für Österreich. Badelt hatte bereits in der Vergangenheit gesagt, dass das prognostizierte BIP-Plus von 2,5 Prozent für das Jahr 2021 wegen des dritten CoV-Lockdowns nicht mehr zu halten sei. Aufgrund der aktuellen Lage sei eine Prognose für Wirtschaftswachstum und Budgetdefizit derzeit sehr schwierig, so der Ökonom.