Menschen blicken auf Bergpanorama
ORF.at/Christian Öser
„Grüner Pass“

Tourismus wittert Morgenluft

Die durch die Coronavirus-Pandemie gebeutelte Tourismusbranche hat den Vorstoß von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für einen „Grünen Pass“, also einen digitalen Impfnachweis auf dem Handy, mit dem unter anderem das Reisen wieder möglich sein soll, mit Freude aufgenommen. Dennoch bleiben für die Sommersaison viele Fragezeichen.

„Hoffentlich kommt das“, sagte die Chefin der Österreich Werbung (ÖW), Petra Stolba, am Donnerstag bei einer Onlinepressekonferenz. Grundsätzlich sei es wichtig, dass Reisen so einfach wie möglich gemacht werde. Es würde auch ohne einen solchen Pass gehen, aber „mühsamer“, wie Stolba auf Nachfrage einräumte. Doch digitale Testnachweise und Impfnachweise würden „uns das Leben erleichtern“, so Stolba.

Offen ist freilich die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein solcher Impfpass ausgegeben werden soll. Die EU und mehrere Länder hatten vor allem deswegen gebremst, weil der Standpunkt vertreten wird, dass es sinnvoll sei zu warten, bis möglichst viele Menschen auch die Chance hatten, sich impfen zu lassen.

Kurz für Start schon im Frühling

Kurz selbst warb auf dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel für den digitalen „Grünen Pass“ für Coronavirus-Geimpfte, -Genesene und -Getestete. „Ich gehe davon aus, dass dieses Projekt jedenfalls im Frühling umgesetzt werden muss, wenn nicht in ganz Europa, dann national, mit entsprechenden Abkommen mit anderen Staaten, wo Ähnliches gilt“, sagte Kurz in Wien.

Kurz sieht dabei Länder wie Griechenland, Italien und Spanien auf seiner Seite, wo der Tourismus ebenso wie in Österreich eine große Rolle spiele. Es gehe aber nicht nur um Tourismus, sondern auch um andere Veranstaltungen in den Bereichen Sport und Kultur und um die Gastronomie, sagte der Kanzler. „Das wird ein Sicherheitsnetz brauchen.“ Ziel sei es, „nicht im Dauerlockdown zu verharren“.

Anschober gegen Alleingang Österreichs

Kurz antwortete Kritikern der Idee, es wäre verfehlt zu behaupten, dass Nichtgeimpfte ausgegrenzt würden, denn diese hätten ja die Möglichkeit, sich testen zu lassen. Auch betonte Kurz: „Wir sprechen nicht von einem Impfpass, sondern von einem digitalen Grünen Pass.“ Die Impfung sei nicht das einzige Tool, auch wer genesen sei, sei eine Zeit lang immun, und Getestete würden nicht anstecken.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach sich im „Standard“ aber gegen einen Alleingang Österreichs aus, „denn wir wollen ja nicht nur bis zum schönen Bodensee reisen können“. Außerdem komme, da „nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung geimpft sind“, diese „Debatte zu früh“.

Vorstöße von Urlaubsländern

In Israel, das mit seinem Impfprogramm bereits weit fortgeschritten ist, dürfen die Menschen mit einem „Grünen Pass“ unter anderem wieder Fitnessstudios, Hotels, Theater und Sportereignisse besuchen. Auch das Reisen ist damit wieder möglich, Griechenland und Zypern haben Abkommen geschlossen, wonach geimpfte israelische Bürger ab Mitte März wieder ohne Quarantäne in die beiden südosteuropäischen Länder einreisen und dort urlauben dürfen. Auch Länder in Skandinavien denken ähnliche Lösungen an, in der EU machen vor allem klassische Urlaubsländer wie Spanien und Italien Druck in Richtung Impfpass.

Quarantäne als „Reisekiller“

Weltweit ist die Urlaubssehnsucht nach einem Jahr Coronavirus-Krise groß, so auch in Österreich. „Die Menschen sitzen de facto auf gepackten Koffern“, sagte Andreas Winkelhofer, Sprecher der Landestourismusorganisationen.

Die Mehrheit der Österreicher will im Sommer verreisen, allerdings gibt es auch Ängste bezüglich Durchführbarkeit der Reise, Lage und Bestimmungen im Land sowie Quarantäneregeln, ergab eine Umfrage des deutschen Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) im Auftrag der ÖW und der neun Landestourismusorganisationen. Für die Umfrage wurden in Österreich rund 1.500 Personen online befragt. „Der Killer ist die Quarantäne, das bringt Reiseströme zum Versiegen“, sagte Ulf Sonntag vom NIT.

Umfassende Storno- und Rücktrittsmöglichkeiten sowie eine Geld-zurück-Garantie seien den Österreichern heuer besonders wichtig bei der Urlaubsplanung, zeigt die Befragung. Winkelhofer sieht die heimischen Tourismusbetriebe hier vorbereitet. Es gebe zwar keine österreichweit einheitliche Lösung, aber viele Betriebe würden Stornos anbieten.

Weit weg vom Vorkrisenniveau

Eine Rückkehr zu einem früheren Niveau liegt in weiter Ferne. „Wir erwarten nicht, dass wir heuer auf den Wachstumspfad kommen“, sagte Stolba. 2021 könne man „bestenfalls“ die Ergebnisse von 2020 halten. Im vergangenen Jahr erreichten die Nächtigungen in Österreich nur 98 Millionen und fielen damit unter das Niveau von 1973, wo 102 Millionen Übernachtungen verzeichnet wurden. Die Österreich Werbung hat 2020 aus einem Sonderbudget neun Mio. Euro ausgegeben, um Urlaub zu bewerben. Heuer sollen etwa zehn Mio. Euro fließen, insbesondere in die Bereiche Kultur- und Städteurlaub sowie Thermen.

Flughafen Wien und Köstinger erfreut

Auch der Flughafen Wien-Schwechat unterstützt den Vorstoß als „wichtige Initiative“. Die Entscheidung müsse jetzt fallen, bis April zuzuwarten sei zu spät. „Dann geht sich das bis zum Sommer nicht mehr aus“, sagte Flughafen-Wien-Vorstand Günther Ofner. „Sollte keine europaweit einheitliche Regelung zustande kommen, dann wäre auch eine ‚Koalition der Willigen‘, also jener Länder in der EU, die das wie Österreich wollen, sinnvoll“, so Ofner in einer Aussendung.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Klimastaatssekretär Magnus Brunner (beide ÖVP) begrüßten – wenig überraschend – den Vorschlag ihres Parteivorsitzenden. „Ein europaweit einheitlicher und anerkannter ‚Grüner Pass‘ ist der richtige Ansatz, um trotz Corona-Krise größtmögliche Freiheit wiederzuerlangen“, so Köstinger am Donnerstag in einer Aussendung.

Köstinger kündigte auch eine Diskussion beim Treffen der EU-Tourismusminister am Montag über das Thema an. „Eine einheitliche und rasche digitale Lösung muss im Interesse aller EU-Mitgliedsstaaten liegen.“ Ein digitaler Pass würde den Tourismusstandort attraktiver machen und könnte auch für Gastronomie und Veranstaltungen zum Einsatz kommen.