Joe Biden
Reuters/Jonathan Ernst
Luftangriff in Syrien

Erster Militärschlag unter Bidens Befehl

Das US-Militär hat auf Befehl von Präsident Joe Biden Luftangriffe im Osten Syriens geflogen. Es war der erste offiziell bekanntgewordene Militäreinsatz unter dem Oberbefehl des neuen US-Präsidenten. Das US-Verteidigungsministerium erklärte, das Ziel der Angriffe seien „mehrere Einrichtungen“ an einem Grenzübergang gewesen. Diese seien von Milizen genutzt worden, die vom Iran unterstützt würden, sagte Sprecher John Kirby am Donnerstagabend (Ortszeit).

Die Luftangriffe seien eine „verhältnismäßige“ Antwort auf jüngste Angriffe gegen US-Soldaten und deren internationale Partner im Irak gewesen. Laut Berichten des US-Nachrichtensenders CNN, der sich auf US-Quellen berief, wurden bei dem Angriff „bis zu eine Handvoll“ Milizangehörige getötet. Laut Aktivisten wurden mindestens 22 Anhänger proiranischer Milizen getötet. Die meisten Opfer hätten zu der Schiitenmiliz Kataib Hisbollah aus dem benachbarten Irak gehört, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien gilt als gut vernetzt und der syrischen Opposition nahestehend. Ihre Angaben sind allerdings meist kaum überprüfbar.

Verteidigungsminister Lloyd Austin zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis der Angriffe. „Ich bin stolz auf die Männer und Frauen in unseren Reihen, die diesen Angriff ausgeführt haben.“ „Der Einsatz sendet eine klare Botschaft“, sagte Kirby. Präsident Biden sei bereit zu handeln, wenn es darum gehe, US-Militärangehörige und deren Verbündete zu schützen. Gleichzeitig seien die verhältnismäßigen Angriffe bewusst so durchgeführt worden, um „die Lage im Osten Syriens und dem Irak zu deeskalieren“, so Kirby weiter. Nach Angaben des Pentagons wurde die zerstörte Infrastruktur unter anderem von der Kataib Hisbollah genutzt.

Washington strebt Kurswechsel gegenüber Iran an

„Wir wissen, was wir getroffen haben“, schloss Kirby jeden Fehler aus. „Wir sind sicher, dass das Ziel von den Schiitenmilizen genutzt wurde, die auch die Angriffe (im Irak) ausgeführt haben.“ Die syrischen Staatsmedien äußerten sich bis in der Früh nicht zu dem US-Angriff. Bei einem Raketenangriff auf die nordirakische Stadt Erbil war vergangene Woche ein ziviler Auftragnehmer der internationalen Militärkoalition getötet worden, mehrere Menschen wurden verletzt. Der Angriff hatte Angst vor weiterer Gewalt gegen die US-Truppen und internationale Kräfte im Irak genährt. Insgesamt waren 14 Raketen abgeschossen worden.

Der Angriff auf die proiranischen Milizen kommt kurz, nachdem Washington Teheran die Hand ausgestreckt hat und einen Kurswechsel anstrebt. Erst vergangene Woche hatte sich die US-Regierung öffentlich zu Gesprächen bereiterklärt, um das internationale Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA)zu retten. Das Atomabkommen war 2015 zwischen dem Iran und den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China geschlossen worden. Unter Bidens Vorgänger Donald Trump stiegen die USA 2018 einseitig daraus aus.

Saudischer König Salman ibn Abd al-Aziz
AP/Saudi Royal Palace/Bandar Aljaloud
Der saudische König Salman kann sich unter Joe Biden auf eine andere US-Politik gegenüber seinem Land einstellen

Kritik an den US-Luftangriffen kam aus Russland. Der prominente Außenpolitiker Konstantin Kossatschow warnte vor einer Eskalation und vor den Folgen für die Atomvereinbarung mit dem Iran. Der Vizechef des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Alexej Tschepa, sprach von „rechtswidrigen Handlungen“ der USA. „Ich glaube, das sollte von allen Ländern verurteilt werden. Eine solche Willkür und offene Einmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten sind völlig inakzeptabel.“

Erstes Telefonat mit saudischem König auch über Iran

Biden will offenbar die Politik der USA in der Region auf neue Beine stellen. So telefonierte der US-Präsident deshalb kurz vor Veröffentlichung eines US-Geheimdienstberichts zum Mord an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi (Dschamal Chaschukdschi) erstmals seit seinem Amtsantritt mit König Salman. In dem Gespräch am Donnerstag habe Biden die Bedeutung unterstrichen, DIE seine Regierung „den universellen Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit“ beimesse, teilte das Weiße Haus mit. Biden habe dem König gesagt, dass er daran arbeiten werde, „die bilateralen Beziehungen so stark und transparent wie möglich zu gestalten“. In der Mitteilung wurde die Tötung Khashoggis nicht erwähnt.

Mohammed bin Salman
AP/Amr Nabil
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman – hier mit CoV-Maske

Der US-Präsident versicherte dem saudi-arabischen Monarchen auch, dass die Vereinigten Staaten an der Seite des Königreichs angesichts von Raketenangriffen durch proiranische Gruppen stünden. Die amtliche saudische Nachrichtenagentur SPA berichtete, der König und Biden hätten „die Tiefe der Beziehungen“ zwischen ihren Ländern hervorgehoben. Auch hätten sie über die „destabilisierenden Aktivitäten“ des Iran im Nahen Osten und dessen „Unterstützung für terroristische Gruppen gesprochen“.

Schwere Verwerfungen nach Kashoggi-Bericht erwartet

Der US-Geheimdienstbericht zum Mordfall Khashoggi sollte bald veröffentlicht werden. Sollte darin wie erwartet dem mächtigen saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman angelastet werden, in das Verbrechen verwickelt gewesen zu sein, würde dAs die Beziehungen zwischen Washington und Riad schwer belasten.

Khashoggi war im saudischen Generalkonsulat in Istanbul am 2. Oktober 2018 von einem 15-köpfigen Spezialkommando aus Riad getötet worden, als er Papiere für seine geplante Hochzeit abholen wollte. Von seinem Leichnam fehlt bis heute jede Spur. Khashoggi lebte im US-Bundesstaat Virginia und schrieb Kolumnen für die „Washington Post“, die oft Kritik an der saudischen Monarchie enthielten.

„Beziehung neu kalibrieren“

Die Führung des islamisch-konservativen Königreichs war nach dem Verschwinden Khashoggis scharfer Kritik ausgesetzt. Sie räumte den Mord erst auf internationalen Druck hin ein. Die Spuren führten bis in das engste Umfeld von Kronprinz Mohammed, der aber bestritt, die Tötung selbst angeordnet zu haben. Eine Menschenrechtsexpertin der UNO war 2019 zu dem Schluss gekommen, dass es glaubwürdige Hinweise auf eine mögliche persönliche Verantwortung des Thronfolgers und anderer ranghoher Vertreter Saudi-Arabiens gebe.

Die „Washington Post“ hatte wenige Wochen nach der Tat berichtet, der US-Geheimdienst sei mit hoher Sicherheit zu der Einschätzung gelangt, der Kronprinz habe die Tötung angeordnet. Bidens Vorgänger Trump hatte ein enges Verhältnis zu Riad gepflegt, das auch durch den Mord an Khashoggi nicht wesentlich beeinträchtigt wurde.

Die Regierung des Demokraten Biden hat deutlich gemacht, dass sie das Verhältnis zu Saudi-Arabien neu ausrichten werde. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte am Donnerstag: „Unsere Regierung konzentriert sich darauf, die Beziehung neu zu kalibrieren.“