Justizsektionschef Christian Pilnacek und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter
APA/Herbert Neubauer
Brandstetter, Pilnacek

Warten auf nächste Schritte in heikler Causa

Nach dem Paukenschlag der vorläufigen Suspendierung von Justizsektionschef Christian Pilnacek hält sich dieser bedeckt. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Pilnacek wegen des Verdachts, eine Hausdurchsuchung bei Heumarkt-Investor Michael Tojner verraten zu haben. Auch im Fokus der Ermittler steht Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, früher ÖVP-Justizminister. Am Nachmittag will sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) äußern.

Die Wiener Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, es könnte womöglich eine Hausdurchsuchung verraten worden sein. Auslöser der Ermittlungen war laut APA die Frage, ob Pilnacek den Termin einer im Juni 2019 durchgeführten Hausdurchsuchung beim Investor Michael Tojner verraten haben könnte. Juristisch vertreten wird Tojner vom Rechtsanwalt und Verfassungsrichter Brandstetter. Bei ihm prüfen die Ermittler nun den Verdacht, er könnte den Termin über seine Kontakte zu Pilnacek erfahren haben.

Ebenfalls untersucht werde der Vorwurf, Brandstetter habe Tojner im Jahr 2017 über ein weiteres Ermittlungsverfahren (Causa Heumarkt) informiert. Damals war Brandstetter Justizminister in der Regierung von SPÖ und ÖVP. Er wurde später an den VfGH berufen. Hier stammt der Anfangsverdacht gegen Brandstetter von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Das Verfahren soll allerdings an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten werden und dort gemeinsam mit den Vorwürfen aus 2019 untersucht werden.

VfGH nimmt am Nachmittag Stellung

Am Freitag wurde Pilnacek vorläufig suspendiert, wie das Justizministerium mitteilte. Nun muss die Bundesdisziplinarbehörde innerhalb eines Monats entscheiden, ob die vorläufige Suspendierung aufgehoben wird oder nicht. Ermittler hatten am Tag zuvor elektronische Geräte bei Pilnacek und Brandstetter sichergestellt.

Brandstetter wies die Vorwürfe bereits zurück. Ansonsten halten sich alle Beteiligten bis dato mit Stellungnahmen bedeckt. Weder Interimsjustizminister Werner Kogler (Grüne) noch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wollten sich nach Angaben des Ö1-Mittagsjournals am Freitag dazu äußern. Auch Pilnacek schweigt.

Auch der VfGH gab vorerst keine Stellungnahme zur Frage ab, ob Brandstetter seine Funktion angesichts der vorläufigen Suspendierung Pilnaceks weiter ausüben kann. Laut Ö1 soll sich der Gerichtshof am Freitagnachmittag äußern. Möglich sei etwa, dass sich Brandstetter freiwillig vorläufig zurückziehe, hieß es.

Brandstetter-Anwalt weist Vorwürfe zurück

Dass Tojner vor der Hausdurchsuchung am 25. Juni 2019 im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen der Übernahme burgenländischer Wohnbaugenossenschaften gewarnt worden sein könnte, ist bereits länger ein Thema. Denn der Investor teilte der Korruptionsstaatsanwaltschaft am Tag vorher schriftlich mit, dass eine Razzia nicht nötig sei, weil man die nötigen Informationen auch so übermitteln würde.

Brandstetters Anwalt Georg Krakow, früherer Oberstaatsanwalt, Ex-BAWAG-Ankläger und heute Vorstand bei Transparency International in Österreich, dementierte, dass Tojner die diesbezügliche Information vom früheren Justizminister erhalten habe. Für die Unschuld seines Mandanten gebe es „objektive Beweise“, die er der Staatsanwaltschaft auch vorlegen werde.

„Herr Professor Brandstetter hat das Amtsgeheimnis nicht verletzt. Er hat zu keinem Zeitpunkt Informationen aus Strafakten nach außen getragen“, sagte Krakow dazu gegenüber dem Ö1-Abendjournal am Donnerstag. Diesem zufolge habe Brandstetter im Vorfeld auch „keine Kenntnis von einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren durch eine Verständigung oder Ähnliches“ gehabt.

Brandstetters Anwalt Krakow hatte gegenüber Ö1 nahegelegt, dass „die Information über ein angebliches Ermittlungsverfahren neuerlich über die Medien“ bekanntgeworden sei. Zudem wurde das „elektronische Gerät“ Brandstetters entgegen ersten Berichten auch nicht am VfGH, sondern in seinem Büro übergeben. Eine Amtshandlung im Fall Brandstetter am VfGH habe es nicht gegeben, sagte Krakow. Vielmehr habe man in einer Beratungspause zur aktuellen Session in seiner Kanzlei Fragen geklärt, ein Notebook sei vom Ex-Minister freiwillig übergeben worden.

Brandstetter-Anwalt über die Ermittlungen

Der Anwalt des ehemaligen ÖVP-Justizministers Wolfgang Brandstetter, der ehemalige Oberstaatsanwalt Georg Krakow, kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Wien bei den Ermittlungen gegen seinen Mandanten.

„Es sei jemand (offenbar von Polizei oder Staatsanwaltschaft) gekommen, Brandstetter sei gerufen worden und habe dann gemeinsam mit dem Behördenvertreter den VfGH verlassen. Durchsuchungen habe es keine gegeben“, zitierte die „Presse“ VfGH-Sprecherin Cornelia Mayrbäurl.

ÖVP schoss sich auf falsche Staatsanwaltschaft ein

Obwohl in der Causa die StA ermittelt, hatte sich die ÖVP zuvor weiter auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingeschossen, und das im Zusammenhang mit Brandstetter. „Offensichtlich hat die WKStA wieder gepatzt“, sagte Justizsprecherin Michaela Steinacker in Anspielung auf das Vorgehen bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

Die ÖVP-Justizsprecherin appellierte an die Verantwortung der Justiz, die Persönlichkeitsrechte der Bürger zu schützen und zu wahren, und ortete Reformbedarf: „Die Schaffung einer unabhängigen Weisungsspitze mit dem Bundesstaatsanwalt ist daher notwendiger denn je.“

Ermittlungen seit 2017

Bei den seit 2017 laufenden Ermittlungen zur Causa Heumarkt geht es ursprünglich um den ehemaligen Gemeinderat und Planungssprecher der Wiener Grünen, Christoph Chorherr, und karitative Geldspenden an dessen Schulprojekt in Südafrika. Die Korruptionsermittler hegen hier den Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit rund um Spenden und Flächenwidmungen. Heumarkt-Investor Tojner ist hier unter den Beschuldigten. Chorherr hat ebenso wie Tojner stets alle Korruptionsvorwürfe in dieser Causa bestritten. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter reagierte am Freitag per Aussendung auf die Neuigkeiten zu Pilnacek. „In beinahe jeder der zahlreichen Causen der letzten Jahre, in denen Prominente und insbesondere ÖVP-nahe Personen mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert waren, fällt der Name Pilnacek.“ Die vorläufige Suspendierung sei ein „dringend notwendiger Schritt“, so Margreiter, der meinte, auch Blümel solle sein Amt vorläufig zurücklegen. „Ein Finanzminister, der als Beschuldigter geführt wird, das geht sich nicht aus. Was für einen Sektionschef gilt, müsste auch für den Finanzminister gelten.“

Die FPÖ forderte am Freitagnachmittag, Brandstetter solle Konsequenzen ziehen. „Wer direkt aus dem Ministeramt zum Verfassungsrichter wird, muss sich dieser besonderen Herausforderung bewusst sein“, so FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst. „Der Vorwurf des Amtsmissbrauches wirkt bei einem Mitglied des Verfassungsgerichtshofes doppelt so schwer“, sagte sie in einer Aussendung. Es sei daher „eine Frage des Anstands und in einer derartigen Funktion das Mindeste“, dass Brandstetter für die Dauer des Verfahrens von selbst seine Funktion ruhend stelle.