Bild zeigt ein geschlossenes Restaurant in Wien.
APA/Helmut Fohringer
Steigende Zahlen

Mögliche Öffnungsschritte sehr umstritten

Am Montag will die Regierung über nächste Öffnungsschritte beraten. Gastronomie, Hotellerie, Kultur und Sportvereine hoffen auf eine frühere Perspektive – erst hieß es, dass frühestens rund um Ostern geöffnet werden könne, zuletzt stellte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auch Mitte März als potenzielles Öffnungsdatum in den Raum. Angesichts steigender Zahlen mehren sich aber die Warnungen.

Die Regierung wird am Montag mit Expertinnen und Experten, Opposition und Landeshauptleuten die Lage evaluieren und dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden. Wirtschaft, Sport und Kultur drängten zuletzt vehement auf weitere Öffnungen. Drei Wochen nach Ende der ersten Lockerung – der Öffnung von Schulen und Geschäften – ist die Zahl der Neuinfektionen jedoch deutlich angestiegen.

Die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner liegt schon wieder bei rund 150, die geschätzte effektive Reproduktionszahl mit 1,11 klar im kritischen Bereich. Sorge bereiten den Experten auch die ansteckenderen CoV-Varianten, deren Anteil laut Coronavirus-Kommission österreichweit bei bereits 57 Prozent liegt.

Epidemiologin empfiehlt jetzt keine Öffnungen

Die Epidemiologin Eva Schernhammer wird der Regierung am Montag empfehlen, vorerst keine Lockerung der CoV-Maßnahmen anzukündigen. Die Situation sei „sehr komplex“, es sei nicht möglich, die weitere Entwicklung vorherzusagen. Weitere Öffnungen könnte man guten Gewissens nur bei stabilen Infektionszahlen und der Gewissheit ankündigen, „dass das auch so bleibt“ und sich nicht durch das Abgehen von Maßnahmen verschlechtert, sagte sie zur APA und pochte auf schnelleres Impfen.

Das Auftreten der gefährlicheren Mutationen – vor allem der zuerst in Großbritannien nachgewiesenen, die südafrikanische sei ganz gut eingedämmt worden – ist für die Leiterin der Abteilung für Epidemiologie der MedUni Wien auch einer der Faktoren, die die Situation jetzt sehr viel schwerer einschätzbar machen als in der ersten Welle. Dazu komme, dass sich die Maßnahmen ständig geändert haben – „harter“ Lockdown, Lockerungen wie Präsenzunterricht an Schulen, FFP2-Masken etc.

Viele Faktoren derzeit unwägbar

Auch das breitflächige Testen – das Schernhammer sehr begrüßte – mache die Sache komplexer: Dieses führte auch zur Erhöhung der täglichen gemeldeten Neuinfektionen. „Irgendwann sollte sich das aber einpendeln“ – man wisse jedoch nicht, wann, und man wisse nicht, wie weit die höheren Fallzahlen auf das Testen und wie weit z. B. auf die Virusmutationen zurückzuführen sind. Dazu komme der ebenfalls nicht wägbare Einfluss der Immunität: Die Schätzungen der Anzahl der Menschen, die durch eine durchgemachte Erkrankung immun sind, liegen zwischen sieben und 30 Prozent.

„Die Situation ist sehr volatil, man kann nicht vorhersagen, in welche Richtung sie sich verändert“, konstatierte Schernhammer. Damit sei auch der Wunsch von Kultur- und Tourismusvertretern nach Planungssicherheit – also einem konkreten Öffnungsdatum – nicht erfüllbar. „Man kann schwer Sicherheit geben, obwohl man das sollte.“ Da „Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist“, könnte man der Regierung aktuell nur empfehlen, mit der Ankündigung von Lockerungen zuzuwarten. „Wir können froh sein, wenn das, was offen ist, offen bleiben kann“, stellte die Epidemiologin.

Öffnungen erst bei „gutem Polster an Sicherheit“

Um ein Öffnungsdatum zu nennen, bräuchte man „einen ziemlich guten Polster an Sicherheit“. Den werde man aber wohl nur durch die Impfungen erreichen. Diese müssten „wesentlich beschleunigt“ werden: „Das oberste Prinzip müsste Impfen so schnell wie möglich sein“, sagte Schernhammer und plädierte für intensive Bemühungen um mehr Impfstoff.

Dass zuerst die Risikogruppen geimpft wurden, sei sehr sinnvoll. Damit sei zumindest die Gefahr, dass die Intensivstationen überlastet werden, geringer geworden – auch wenn derzeit die Zahl der Intensivpatienten mit rund 260 schon wieder so hoch ist wie Mitte Oktober. Ein „Lichtstrahl“ ist für Schernhammer da, dass das Durchschnittsalter der Neuinfizierten deutlich gesunken ist, von 56,7 Jahren zu CoV-Spitzenzeiten auf nunmehr 39,9 Jahre.

Rendi-Wagner „für einen Weg der Sicherheit“

Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach sich klar gegen weitere Lockerungen aus. „Ich warne vor weiteren Öffnungsschritten. Ich bin für einen Weg der Sicherheit, der Kontrolle und der Vorsicht. Ich will keine Situation, wie wir sie in Österreich im November hatten“, sagte sie am Samstag. Öffnungen müssten nachhaltig sein und dürften keine weiteren Lockdowns zur Folge haben.

Rendi-Wagner erinnerte an die aufrührenden Bilder aus Italien vor einem Jahr: „Ich will keine Situation, wie sie vor einem Jahr in Italien in den Krankenhäusern in Bergamo stattgefunden hat. Wir alle haben diese Bilder offenbar schon vergessen. Ich will auch keine Situation, wie sie gerade aktuell dieser Tage in Tschechien passiert, wo auch die Krankenhäuser in der Gesundheitsversorgung kollabieren. Eine solche Situation ist nicht nur für die Gesundheitsversorgung der Covid-19-Patienten gefährlich“, sondern letztendlich für die Versorgung aller Patienten und Patientinnen, warnte sie.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wollte sich zuletzt ebenfalls noch nicht für konkrete nächste Öffnungsschritte aussprechen und die Beratungen am Montag abwarten. Sein Motto bei möglichen Öffnungen: „Draußen ist besser als drinnen" – mehr dazu in wien.ORF.at.

ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz kritisierte als Replik auf Rendi-Wagners Appell, dass die SPÖ „planlos und ohne jede Einigkeit durch die herausforderndste Krise seit Jahrzehnten“ irre.