Wolfgang Brandstetter
APA/Roland Schlager
Causa Brandstetter

VfGH leistete Staatsanwälten Amtshilfe

In der Causa um Ex-ÖVP-Justizminister und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter gibt es eine neue Wendung. Die Staatsanwaltschaft Wien hat den Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Freitag um Amtshilfe ersucht, wie am Samstagnachmittag bestätigt wurde. Laut ORF-Radioinformation dürfte VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter daraufhin das Diensthandy von Brandstetter abgegeben haben.

Grabenwarter ist dem Ersuchen nachgekommen und war persönlich bei der Staatsanwaltschaft. Aus dem Verfassungsgericht hieß es, man habe dem Amtshilfeersuchen binnen weniger Stunden entsprochen. Dabei seien die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Beratungsgeheimnisses des VfGH getroffen worden. Es wurde nicht offiziell kommentiert, ob der Präsident etwas bei der Behörde abgegeben hat.

Die Staatsanwaltschaft war bereits am Donnerstag beim Höchstgericht vorstellig geworden. Sie wollte elektronische Geräte Brandstetters, gegen den wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt wird. Übergeben wurde das Gewünschte schließlich in der Kanzlei von Brandstetters Anwalt Georg Krakow.

Krakow bestätigte gegenüber dem ORF-Radio, dass der Verfassungsgerichtshof am Donnerstag die Beschlagnahmung von Brandstetters Diensthandy jedoch verhinderte. Am Freitag allerdings war Grabenwarter bei der Staatsanwaltschaft. Er dürfte Brandstetters Diensthandy übergeben haben – nach dem entsprechenden Amtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Wien. Die „Anordnung der Sicherstellung“ der Staatsanwaltschaft liegt ORF.at vor.

VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter
ORF.at/Christian Öser
VfGH-Präsident Grabenwarter war persönlich bei der Staatsanwaltschaft

FPÖ-Kritik an Verbleib Brandstetters am VfGH

Die FPÖ zeigt sich empört darüber, dass der frühere Justizminister trotz der Ermittlungen gegen ihn weiter Verfassungsrichter bleiben will. Die Verantwortung dafür gibt sie Grabenwarter, der Brandstetter „eiskalt“ die Mauer mache, wie die freiheitliche Verfassungssprecherin Susanne Fürst in einer Aussendung schreibt.

Dass Ermittler einen Höchstrichter im Verfassungsgerichtshof abholen, um seinen Laptop zu beschlagnahmen, sei ein einmaliger Vorgang, dem Grabenwarter mit seiner Nichterklärung nicht einmal ansatzweise gerecht werde.

Pilnacek suspendiert

Tatsächlich hatte der Präsident des Höchstgerichts am Freitag bloß eine Erklärung Brandstetters veröffentlicht, in der dieser seinen Verbleib verkündete. Für eine Absetzung könnte nur der Verfassungsgerichtshof selbst sorgen, und das mit Zweidrittelmehrheit.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Brandstetter und Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, wegen des Verdachts, eine Hausdurchsuchung beim Investor Michael Tojner im Juni 2019 verraten zu haben. Brandstetter ist Tojners Anwalt. Bei ihm prüfen die Ermittler den Verdacht, er könnte den Termin über seine Kontakte zu Pilnacek erfahren haben. Pilnacek wurde vorläufig suspendiert. Alle Beteiligten haben die Vorwürfe bestritten. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Der Unternehmer Michael Tojner
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Brandstetter ist der Anwalt des Investors Tojner und soll diesen, so der Vorwurf, vor einer Hausdurchsuchung gewarnt haben

„Wenn die heute kommen, ganz ruhig bleiben“

Dass Tojner und Brandstetter die Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit einem Immobiliendeal vermutet haben, geht aus dem Akt hervor, aus dem die „Presse“ online zitiert. Argumentiert wird das von ihren Rechtsvertretern mit entsprechenden Journalistenanfragen im Vorfeld.

Zentral bei den Ermittlungen ist wohl eine Brandstetter-Nachricht an Tojner am Tag der Razzia: „Wenn die heute kommen, ganz ruhig bleiben. Rechtsmittel gegen diese HD machen absolut Sinn. (…) Bin per SMS erreichbar! Venceremos („Wir werden siegen“, Anm.)!“ Am Tag vor der Hausdurchsuchung war Brandstetter im Justizministerium. Dort soll er einen Termin mit dem damaligen Expertenminister Clemens Jabloner gehabt haben, schreibt die „Presse“.

Ermittlungen gegen Pilnacek und Brandstetter

Nach Vorwürfen der Geheimnisweitergabe wird gegen Justizsektionschef Christian Pilnacek und den ehemaligen ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter ermittelt.

„Hatten ein gutes Gespräch“

Auch soll sich Brandstetter „mindestens dreimal“ mit Pilnacek getroffen haben, um für Tojner im Zusammenhang mit dem von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geführten Verfahren gegen Tojner „zu intervenieren“, wie aus der Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft hervorgeht.

Dieser zufolge schrieb Tojner nach einem dieser Treffen an Brandstetter: „Hast du mit ihm gesprochen?“ Woraufhin dieser unter anderem geantwortet habe: „Hatte ein gutes Gespräch mit dem Generalsekretär.“ Man sei sich einig gewesen, „dass aus rechtsstaatlichen Gründen alles vermieden werden muss, was den Schaden für die Unternehmen weiter vergrößert, und er wird darauf achten…“.

Tojner-Anwalt: „Selbstverständliche Abstimmung“

Der Anwalt Tojners, Karl Liebenwein, hielt am Samstag in einer schriftlichen Stellungnahme ein weiteres Mal fest, dass es keine Information Brandstetters bezüglich der Razzia gegeben habe. Dieser habe lediglich Empfehlungen über das Verhalten im Falle einer Hausdurchsuchung gegeben.

Der Schriftverkehr zwischen den beiden zeige eine „selbstverständliche Abstimmung und juristische Beratung über das laufende Verfahren“. Von der Aktion sei Tojner durch Medien vorinformiert gewesen. Das sei über Anwälte auch derWKStA mitgeteilt worden.

Brandstetter bestätigt Beschwerde bei Pilnacek

Auch Brandstetter bestreitet weiter, Informationen aus dem Justizressort an seinen „Bekannten“ (Tojner, Anm.) weitergegeben zu haben. Im Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ erklärte er lediglich, sich im Sinne seines Mandanten bei Pilnacek beschwert zu haben.

Konkret sagte Brandstetter, der seine Aufgabe als Verfassungsrichter weiter ausüben will: „Ich war während der Zeit, als ich Justizminister war, von den Akten, die Personen betrafen, die ich kannte, gut abgeschottet. Das habe ich selbst veranlasst.“ Später als Verteidiger Tojners habe er Pilnacek als zuständigen Sektionschef darauf angesprochen, dass ein anderes Verfahren gegen seinen Mandanten (Wohnungsgesellschaften) unverhältnismäßig geführt werde und rechtsstaatlich wie wirtschaftlich unnötige Schäden entstünden: „Das ist zulässig.“

Christian Pilnacek
ORF.at/Roland Winkler
Die Information zur Hausdurchsuchung bei Tojner soll von Pilnacek stammen – dieser bestreitet die Vorwürfe, wurde jedoch vorläufig suspendiert

Den Termin für eine Hausdurchsuchung bei Tojner hat Brandstetter entgegen dem Verdacht der Staatsanwaltschaft eigenen Angaben zu Folge nicht dem Unternehmer bekanntgegeben, ganz im Gegenteil: „Von ihm habe ich es erfahren. Die Information stammt von Journalisten, die sie ihrerseits davor in Erfahrung gebracht haben, wo und wie, weiß ich nicht.“ Dass die Staatsanwaltschaft in seiner Sache beim VfGH aufgetaucht ist, goutiert der Verfassungsrichter nicht: „Ich empfinde es als unnötig. Es wäre einfacher gegangen.“ Er wolle die Ermittlungen ja nicht behindern, sondern beschleunigen. Übergeben habe er ein privates Notebook.