Passanten neben einem geschlossenen Schanigarten
Reuters/Lisi Niesner
Lockerungen

Regierung vor heikler Entscheidung

Die Regierung entscheidet am Montag über mögliche Lockerungen der Coronavirus-Maßnahmen. Die Entscheidung ist heikel: Wirtschaft, Kultur und Sport drängen auf Öffnungsschritte, medizinische Fachleute warnen vor ebensolchen. Die Infektionszahlen sind zuletzt deutlich gestiegen, im Osten hat sich die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 stark ausgebreitet.

Montagnachmittag wird die Regierung bei einer Pressekonferenz das weitere Vorgehen in der Pandemie vorstellen. Zuvor wird mit den Landeshauptleuten, der Opposition sowie Expertinnen und Experten beraten. Die Entscheidung über mögliche Lockerungen werde von den Zahlen und den Einschätzungen der Fachleute abhängen, teilte die Regierung am Sonntag mit. Die Wahrscheinlichkeit für tatsächlich weitere Öffnungsschritte, etwa in der Gastronomie, ist angesichts des Infektionsgeschehens gering.

Die Regierung betonte in einer Stellungnahme, dass die Öffnungsschritte vom 8. Februar mit den damit verbundenen Tests – Stichwort „Eintrittsstests“ – bisher noch keinen deutlich ansteigenden Trend in der Entwicklung der Neuinfektionen zeigten. Allerdings seien die Zunahmen der vergangenen Tage mit aller notwendigen Aufmerksamkeit genau zu analysieren und in den Beratungen über weitere Schritte jedenfalls zu berücksichtigen.

Man wolle die jetzige stabile Situation nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Einen gewissen Effekt auf die Fallzahlen hat die Ausweitung des Testangebots. Österreich führt nach Angaben der Regierung mittlerweile pro Woche rund 2,5 Millionen Tests durch und befinde sich damit im weltweiten Spitzenfeld.

Infektionszahlen deutlich gestiegen

Das Infektionsgeschehen hat sich in den vergangenen Tagen verschlechtert. Die von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) berechnete 7-Tage-Inzidenz in Österreich steigt, vor allem in den östlichen Bundesländern, wo sich auch die erstmals in Großbritannien entdeckte, ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 besonders stark verbreitet.

Am Sonntag meldeten die Ministerien 2.123 Neuinfektion, ein neuer Rekordwert für diesen Wochentag seit Jahrsbeginn. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sah eine „besorgniserregende Trendwende“. „Haupttreiber dieser Steigerungen“ sei die „rasche Ausbreitung der stärker ansteckenden Mutationen in ganz Europa, auch in Österreich. In der Mehrzahl der österreichischen Bundesländer dominiert die britische Variante bereits“, so Anschober.

Regierung berät über mögliche Öffnungen

Am Montag trifft die Bundesregierung zu Beratungen über Lockerungen der Coronavirus-Maßnahmen zusammen. Angesichts der aktuell hohen Zahlen ist nicht sicher, ob und wann es Öffnungsschritte geben wird.

Zu den Fachleuten, die am Montag ins Bundeskanzleramt geladen sind, gehören unter anderen die Virologin Dorothee von Laer, die Epidemiologin Eva Schernhammer, den Vizerektor der MedUni, Wien Oswald Wagner, und Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich GmbH. Sie werden auch bei den Gesprächen mit der Opposition sowie mit den Landeshauptleuten dabei sei.

Epidemiologin derzeit gegen weitere Lockerungen

Schernhammer kündigte bereits an, der Regierung keine weiteren Öffnungsschritte zu empfehlen. Die Situation sei „sehr komplex“, es sei nicht möglich, die weitere Entwicklung vorherzusagen. Weitere Öffnungen könnte man guten Gewissens nur bei stabilen Infektionszahlen und der Gewissheit ankündigen, „dass das auch so bleibt“ und sich nicht durch das Abgehen von Maßnahmen verschlechtert, sagte sie zur APA und pochte auf schnelleres Impfen.

Das Auftreten der gefährlicheren Mutationen – vor allem der zuerst in Großbritannien nachgewiesenen, die südafrikanische sei ganz gut eingedämmt worden – ist für die Leiterin der Abteilung für Epidemiologie der MedUni Wien auch einer der Faktoren, die die Situation jetzt sehr viel schwerer einschätzbar machen als in der ersten Welle. Dazu komme, dass sich die Maßnahmen ständig geändert haben – „harter“ Lockdown, Lockerungen wie Präsenzunterricht an Schulen, FFP2-Masken etc.

Auch die Ampelkommission sprach sich gegen weitere Lockerungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Im Gegenteil wurde empfohlen, die Öffnungsschritte vom 8. Februar zurückzunehmen, sollte die 7-Tage-Inzidenz bundesweit die 200er-Marke überschreitet. In Niederösterreich etwa liegt dieser Wert nur mehr knapp unter 200.

Gastronomieöffnung: WKÖ zuversichtlich

Auf der anderen Seite drängen Wirtschaft, Sport und Kultur vehement auf weitere Öffnungen. Auch mehrere Landeshauptleute hatten sich in den vergangenen Tagen mit Öffnungswünschen hervorgetan, sowohl aus der ÖVP wie Thomas Stelzer (Oberösterreich) und Johanna Mikl-Leitner (Niederösterreich) als auch aus der SPÖ wie Hans Peter Doskozil (Burgenland).

Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf ist nach wie vor zuversichtlich, dass es Mitte März ein Aufsperren für Gastronomie und Hotellerie gibt. „Wir rechnen damit, dass am 15. März Öffnungsschritte passieren“, sagte Kopf im ORF-Magazin „Hohes Haus“. Sollte das nicht der Fall sein – „was ich mir im Moment nicht vorstellen kann“ –, dann müsse man sich die Begründung anschauen. „Letzten Endes entscheidet die Politik“, so Kopf.

Interview mit WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf

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Ohnehin würde es nur ein stufenweises Öffnen geben, da auch die Unternehmen eine Anlaufzeit benötigten. In der Gastronomie würde es schneller gehen als in der Hotellerie.

Haltung des ÖGB zu möglichen Öffnungsschritten

ÖGB-Chef Katzian will nicht beurteilen, ob es weitere Öffnungsschritte geben soll. Allerdings fordert er von der Regierung klare Parameter für Entscheidungen.

Der Chef des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Wolfgang Katzian, wollte dagegen in der ORF-„Pressestunde“ nicht beurteilen, ob der Lockdown weiter gelockert werden sollte. „Ich maße mir nicht an, den Job einer Virologin oder eines Virologen zu machen.“ Der Gewerkschaftschef forderte aber ein, dass die Regierung einmal klare Parameter angibt, nach denen die Entscheidungen getroffen werden. Nicht zufrieden ist Katzian mit dem Tempo der Impfungen, was er teils der Regierung, teils der EU anlastet.

Kogler stellt Sport für Kinder mit Bestätigung in Aussicht

Sportminister Werner Kogler (Grüne) bestätigte unterdessen, dass Kinder und Jugendliche bei der ersten Lockerungsrunde der CoV-Vorschriften im Sport dabei sein sollen. Bei dieser Gruppe seien „die Kollateralschäden am größten“, sagte der Vizekanzler im Interview mit der „Presse am Sonntag“. „Und da Kinder in den Schulen getestet werden, könnte auch schon eine Schulbesuchsbestätigung fürs Training reichen“, so Kogler. Ein Datum für die Umsetzung nannte er nicht.

Lockerungen: 120.000 Menschen zurück im Job

Auf dem Arbeitsmarkt haben die Lockerungen Anfang Februar eine Entspannung gebracht. Wie ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher bekanntgab, konnten in den vergangenen drei Wochen rund 120.000 Personen wieder regulär einen Job aufnehmen. Durch die Öffnungsschritte im Handel haben knapp 20.000 Menschen aus der Arbeitslosigkeit wieder in Beschäftigung gefunden. Der Rest des Effekts wird über die Rücknahme der Kurzarbeit geschätzt.