Kühe auf dem Schiff „Karim Allah“
Reuters/Tallia Shipping Line Co. Srl
Nach Monaten auf See

Rinder-Irrfahrt endet mit Schlachtung

Seit Wochen sind anhand der Irrfahrten zweier Frachtschiffe die Auswüchse internationaler Tiertransporte zu beobachten: Auf den Frachtern befinden sich insgesamt fast 2.600 Rinder, die nirgendwo an Land gelassen werden – und das seit Dezember. Nun sollen auf einem der Schiffe die Tiere getötet werden. Für einen Weitertransport sollen sie nicht mehr geeignet sein.

Glückliche Kühe auf der grünen Weide – allzu oft haben Konsumentinnen und Konsumenten ein trügerisches Bild vom Vorleben ihrer fleischlichen Kost. Jedenfalls erging es etwa rund 2.600 Rindern, die von der EU aus ihre Reise Richtung Türkei antraten, in den vergangenen zweieinhalb Monaten ganz anders. Die „Elbeik“, ein Frachtschiff Baujahr 1967 unter der Flagge des Togo, und die „Karim Allah“ von 1965, unter libanesischer Flagge fahrend, verließen beide die spanische Küste am 18. Dezember. Das eine Schiff hat knapp 1.800 Tiere an Bord, das andere startete mit 895 Tieren. Doch niemand wollte die Schiffe landen lassen, weil auf beiden Schiffen die Blauzungenkrankheit vermutet wurde.

Während das Schicksal der Rinder auf der „Elbeik“ weiterhin ungewiss ist, dürfte sich das jener rund 900 männlichen Kälber auf der „Karim Allah“ entschieden haben. Nach ihrer monatelangen Odyssee, die sie vom spanischen Cartagena aus zum türkischen Hafen Iskenderun, Tripoli in Libyen, Augusta in Italien und schließlich wieder nach Spanien führte, sollen die etwa sieben Monate alten Bullen in Spanien getötet werden, berichtete Reuters.

Keine Rückkehr in die EU

Die Tiere hätten unter der langen Reise gelitten, einige seien nicht gesund. Die Bullen seien weder geeignet für einen Transport außerhalb der EU und noch sollten sie in der Europäischen Union zugelassen werden. Das spanische Landwirtschaftsministerium zog daraus den Schluss, die Schlachtung sei das beste Mittel: Die Eigentümer „sollten die Tiere gemäß den geltenden Vorschriften isolieren und schlachten“. Falls das nicht geschehe, werde das Ministerium dies veranlassen.

Schiffsrouten im Mittelmeer
Grafik: Map Resources/ORF.at; Quelle: myshiptracking.com

Die mögliche Ausbreitung der Blauzungenkrankheit wurde demnach nicht im Bericht erwähnt. Ob sie tatsächlich auf den Schiffen aufgetreten ist, ist unklar. Laut spanischem Ministerium sind die Tiere gesund und mit entsprechender Bescheinigung exportiert worden. Es handelt sich um eine von Gnitzen, einer Stechmückenart, übertragene Krankheit, an der vor allem Schafe, aber auch Rinder und Ziegen leiden. Für den Menschen besteht keine Infektionsgefahr und auch kein Risiko, dass sich die Blauzungenkrankheit durch Fleisch oder Milch verbreitet oder überträgt, so die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). Gegen die Viruserkrankung gibt es keine Therapie, vorbeugend aber eine Impfung.

Tagelang ohne Futter

Nach dem erfolglosen Versuch, die Tiere in der Türkei abzuliefern, versuchte die Reederei, sie nach Libyen zu verkaufen. Auch dieser Versuch scheiterte sowie alle weiteren, irgendwo anzulegen. Inzwischen ging an Bord das Futter aus. „Wir haben versucht, mehr Futter in Tunesien zu bekommen, aber sie haben uns rausgeschmissen“, so der Anwalt Miguel Masramon, der das libanesische Schifffahrtsunternehmen Talia Shipping Line vertritt. „Schließlich haben wir Futter in Sizilien bekommen, nachdem die Tiere schon mehrere Tage nur mit Wasser versorgt wurden“.

Gegenseitige Vorwürfe

Majed Eid, ein Manager der Talia Shipping Line, sagte dem „Guardian“, ein Fehler in den spanischen Dokumenten habe zur Annahme in der Türkei geführt, einige Tiere an Bord seien mit der Blauzungenkrankheit infiziert. Inzwischen seien auf der Reise 15 der Jungbullen verendet, der Rest sei gesund. Eid beschuldigte die spanischen Behörden, man habe Hilfe verweigert. Wenn das Schiff anlege, würden die Tiere getötet – ohne Besichtigung oder Testung durch Veterinäre. Mit Bluttests könne man ihren Zustand feststellen – ein Versuch, die Tiere untersuchen zu lassen, ist aber nach spanischer Darstellung gescheitert.

Das Schiff „Karim Allah“ auf hoher See
Reuters
Die „Karim Allah“ auf hoher See: Die rund 900 Tiere sollen nun getötet werden

Man wolle die gesunden Tiere nicht schlachten, so Eid. „Wir rufen nach Hilfe, aber die spanische Regierung hilft uns nicht. Niemand hilft uns.“ Laut Angaben der Reederei wurde man stattdessen aufgefordert, die Kosten der Tötung und der Tierkörperbeseitung, geschätzt eine Million Euro, zu übernehmen.

Tierschützer empört

Die Tierärztin Maria Boada Sana von der Tierschutzorganisation Animal Welfare Foundation, sagte der Zeitung, es sei unwahrscheinlich, dass die Tiere nach so langer Zeit noch gesund seien, auch wenn sie nicht die Blauzungenkrankheit hätten. Auch sei die Tötung die bessere Alternative für die Tiere, als weitere Versuche, sie zu transportieren und zu verkaufen. „Normalerweise dauern solche Transporte eine Woche, und das bedeutet bereits, dass die Tiere in einem schlechten Zustand ankommen. Stellen Sie sich also zwei Monate vor.“ Die NGO Eurogroup for Animals forderte die Europäische Kommission auf, „eine gründliche Untersuchung dieser Tiertransporte einzuleiten“.

Kühe auf dem Schiff „Karim Allah“
Reuters/Tallia Shipping Line Co. Srl
Der Zustand auf der „Karim Allah“: Auch ohne Blauzungenkrankheit dürften die Tiere nicht mehr gesund sein

Vier Pfoten forderte ein Verbot von Schiffstransporten von Tieren in der EU und ein generelles Verbot von Tiertransporten in Drittländer. Die EU habe zu wenig Kontrolle darüber, was mit den Tieren in Ländern passiert, deren Tierschutzstandards viel niedriger seien. „Es ist eine Tragödie und eine unglaubliche Schande, wie mit diesen Tieren umgegangen wird“, so Vier Pfoten in einer Aussendung. Tierschutz Austria nahm unter anderem den Fall zum Anlass, eine „Strategie gegen die Explosion von Tierseuchen“ zu verlangen.

Das zweite Schiff, auf dem sich noch Hunderte Rinder befinden, war ebenfalls wegen der Gefahr der Blauzungenkrankheit von mehreren Häfen weggeschickt worden. Die „Elbeik“ liegt laut Medienberichten derzeit in türkischen Gewässern vor Zypern vor Anker. Die letzte Abfahrt wurde laut der Website Myshiptracking am 4. Februar aus Alexandiria in Ägypten registriert. Wie mit den fast 1.800 Rindern auf der „Elbeik“ verfahren wird, ist noch offen.