Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Anschober

Schrittweise „nach Ostern öffnen“

Gastronomie, Hotellerie und Kultur hätten sich von den neuen Plänen der Regierung im Kampf gegen die Pandemie mehr erwartet. Angesichts der steigenden Infektionszahlen kommen vorerst nur leichte Öffnungsschritte. Nach Ostern soll dieser „Öffnungskurs Schritt für Schritt fortgesetzt werden“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Montagabend in der ZIB2.

Zuvor hatte er gemeinsam mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und mehreren Landeshauptleuten die Lockerungen für die nächsten Wochen präzisiert. Diese betreffen zunächst einmal nur Vorarlberg als Pilotversuch, der wissenschaftlich begleitet werden soll, so Anschober. Aufgrund einer stabilen Infektionslage dürfen dort bereits mit 15. März Gastronomie, Kultur und Sport öffnen.

Österreichweit dürfen Kinder und Jugendliche ab Mitte März wieder Sport in Vereinen im Freien ausüben. Am 27. März dürfen, wenn die Zahlen nicht exponentiell steigen, auch in allen anderen Bundesländern die Gastgärten öffnen. Voraussetzung sind Eintrittstests und Gästeregistrierung. Eine Änderung der Ausgangsbeschränkungen, die derzeit ab 20.00 Uhr gelten, sei noch nicht geplant, so Anschober: „Das wurde noch nicht ausdiskutiert.“

Gesundheitsminister Anschober über neue Öffnungspläne

Die Regierung hat am Montag – keineswegs unumstritten – erste Lockerungen in Aussicht gestellt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) war dazu Gast im ZIB2-Studio.

Schwerpunktkontrollen bei hoher Inzidenz

Gedulden müssen sich die Hotellerie, die Kultur und die Gastronomie in Innenräumen. Anschober: „Wir wollen Ostern gut erreichen ohne explosive Erhöhungen der Zahlen. Wenn alles davor gut geht, ist der nächste Schritt die Kultur Mitte April.“ Ziel sei, Kultur, Hotellerie und Gastronomie im April zu öffnen, sagte auch Kurz. Aber niemand könne das Infektionsgeschehen vorhersagen.

In Bezirken mit besonders hoher Inzidenz soll es Schwerpunktkontrollen der Exekutive geben. Zudem werde derzeit an der Regelung für Ausreisetests wie in Tirol gearbeitet. Am Arbeitsplatz soll außerdem die FFP2-Pflicht ausgeweitet werden. Der Gesundheitsminister verteidigte in der ZIB2 die regional unterschiedlichen Maßnahmen. Die Reproduktionszahl in Vorarlberg liege derzeit deutlich unter eins. Es sei nicht verantwortbar, dass Vorarlberg dasselbe defensive Programm fahre wie der Rest Österreichs.

Kurz zog über Lockerungen positive Bilanz

Die Pressekonferenz hatte sich verzögert, weil noch heftigst um die Öffnung der Gastronomie gefeilscht wurde. Die Landeshauptleute hatten sich dafür ausgesprochen, das Gesundheitsministerium gab sich zögerlich. „Ich konnte durchsetzen, dass es bis Ostern keine großen Öffnungen gibt“, bestätigte Anschober in der ZIB2. In zwei Wochen solle evaluiert werden, ob die geplanten Lockerungen machbar seien.

Aus den Öffnungsschritten der vergangenen drei Wochen zog Kurz eine positive Bilanz. Diese Lockerungen hätten rund 120.000 Menschen wieder in Beschäftigung gebracht.

Regionale Lockerungen angekündigt

In der nächsten Etappe im Kampf gegen die Pandemie hat die Regierung leichte – regional unterschiedliche – Lockerungen angekündigt. Vorreiter wird Vorarlberg.

Pilotversuch Vorarlberg

Vorarlberg soll aufgrund seiner stabilen Infektionslage eine Modellregion für die Öffnungen sein – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) will etwa vor allem für Kinder und Jugendliche etwas tun. Auch die Gastronomie soll vollständig geöffnet werden. Dafür würden noch mehrere Eintrittstestvarianten geprüft, so Wallner.

Das regionalisierte Vorgehen stieß zuvor vor allem bei den Landeshauptleuten im Osten Österreichs auf Kritik. Wien, Niederösterreich und das Burgenland haben derzeit mit rund 186, 194 und 192 hohe 7-Tage-Inzidenzen. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprachen sich für österreichweit einheitliche Richtlinien aus.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner
APA/Helmut Fohringer
Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner darf in seinem Bundesland als erstes Öffnungen umsetzen

Auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) wandte sich gegen einen „Fleckerlteppich“. FPÖ-Chef Norbert Hofer lehnte die regionalisierten Schritte ebenfalls ab. Das führe zu einer weiteren Spaltung. Bei der Vorstellung der neuen Maßnahmen zeigten sich die Ländervertreter, die bei der Pressekonferenz anwesend waren, versöhnlicher. Es mache Sinn, mit Vorarlberg bei den Lockerungen zu beginnen, meinte etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Auch Ludwig sagte, dass Vorarlberg aufgrund der geringeren Mobilität in dem Bundesland sich gut als Testregion eigne.

Rendi-Wagner gegen weitere Öffnungen

Während die Landeshauptmänner der SPÖ-geführten Länder für eine Öffnung eingetreten waren, wollte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eher auf die Bremse steigen. Für sie sind die gestiegenen Neuinfektionen und die höhere Zahl der Intensivpatienten Ergebnis der verfrühten Öffnungen der Regierung.

Auch Experten und Expertinnen hatten sich zuvor gegen weitere Lockerungen ausgesprochen. Da die Bevölkerung aber weitere Lockdown-Maßnahmen nicht mehr mittrage, sei es sinnvoller, unter kontrollierten Bedingungen zu lockern – begleitet von einem starken Ausbau der Tests, so Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien bei der Pressekonferenz. Für Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), sind die vorsichtigen Öffnungsschritte „sehr gut nachvollziehbar“. Ein Lockdown sei das letzte Mittel, das man anwende, und das sehr ungern – mehr dazu in wien.ORF.at.

Gastronomie und Hotellerie enttäuscht

In den vergangenen Tagen war aber der Druck auf die Regierung, weitere Öffnungsschritte zu setzen, gestiegen. Mehrere Landeshauptleute, neben Mikl-Leitner etwa ihr oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer (ÖVP) und der Burgenländer Hans Peter Doskozil (SPÖ), wollten möglichst schon Mitte des Monats die Gastronomie offen sehen. Auch die Branchenvertreter von Gastronomie und Hotellerie sowie NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn hatten auf eine baldige Öffnung gedrängt.

Reaktionen der Opposition

Die Opposition übt Kritik an den Regierungsplänen, der SPÖ-Chefin gehen die Öffnungen zu weit, der FPÖ hingegen zu wenig weit.

Das Argument der Landeshauptleute für die Lockerung bei der Gastronomie: Es sei für die Eindämmung der Pandemie sinnvoller, Kontakte kontrolliert in der Gastronomie stattfinden zu lassen als unkontrolliert im privaten Bereich. Dass nun in allen Bundesländern außer in Vorarlberg erst Ende März die Schanigärten sowie die Hotellerie und Gastronomie in Innenräumen frühestens im April öffnen dürfen, sorgt nun für Unmut.

„Tropfen auf den heißen Stein“

Es wäre mehr möglich gewesen, sagte etwa Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer und forderte einen Stufenplan für die Öffnung aller Branchen. Trotz der Lockerung in der Gastronomie in Vorarlberg und der Öffnung von Schanigärten ab Ende März in ganz Österreich gebe es für einen „Großteil unserer Betriebe dennoch Frustration und Enttäuschung, denn für sie bedeutet das eine Verlängerung des Lockdowns“, so die Obleute der Fachverbände Hotellerie und Gastronomie in der WKÖ, Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker.

Viele Betriebe hätten keinen Außenbereich oder dieser sei zu klein, um die Öffnung wirtschaftlich darstellen zu können, kritisierte Pulker. Die Öffnung der Schanigärten Ende März sei „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Es gehe ein Aufschrei durch die Branche.

Kurz: 30.000 Impfungen pro Tag

Was die weitere Impfstrategie betrifft, pochte Kurz erneut darauf, dass zunächst die Älteren und Risikogruppen geimpft werden sollten. Aber jede Impfung bringe Österreich „einen Schritt mehr in Richtung Normalität“. Im März sollen laut Kurz nun 30.000 Menschen pro Tag geimpft werden, im April über 45.000 pro Tag. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah bei den Impfungen großen Nachholbedarf.