Richterernennung in Polen kann gegen EU-Recht verstoßen

Die Neuregelung zur Besetzung von Richterstellen an Polens oberstem Gericht kann gegen EU-Recht verstoßen. Ob das im konkreten Fall so ist, muss das nationale Gericht beurteilen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute in Luxemburg entschied. In dem Verfahren ging es um die Unabhängigkeit der Justiz und die umstrittenen Reformen in Polen.

Hohe Richter und Richterinnen werden in Polen vom Landesjustizrat bestimmt, dessen Mitglieder wiederum werden seit 2017 vom Parlament gewählt. Fünf in einem Verfahren von 2018 erfolglose Bewerber bzw. Bewerberinnen klagten vor dem obersten Verwaltungsgericht des Landes. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen vor.

Nach einer weiteren Gesetzesänderung vom April 2019 kann die Richterauswahl nicht mehr durch ein unabhängiges Gericht überprüft werden. Damit wurde de facto auch dem obersten Verwaltungsgericht die Zuständigkeit entzogen und die Möglichkeit genommen, eine Antwort auf die Fragen an den EuGH zu erhalten. Darum fragte es ergänzend, ob das mit EU-Recht zu vereinbaren sei.

Nationales Gericht muss entscheiden

Sollten die Reformen die Wirkung haben, dass ein polnisches Gericht dem EuGH keine Fragen mehr vorlegen könne und der EuGH solche Fragen nicht mehr beantworten könne, verstoße das gegen Unionsrecht, entschied der EuGH. Das polnische Gericht müsse unter Berücksichtigung des Kontexts beurteilen, ob das der Fall sei.

Gesetzesänderungen dürften wirksamen Rechtsschutz nicht verhindern. Dies sei der Fall, wenn bei Bürgern und Bürgerinnen berechtigte Zweifel an der Neutralität der Justiz aufkommen könnten. Auch das müsse im aktuellen Fall das polnische Gericht entscheiden. Sollte es dabei zu dem Schluss kommen, dass ein Verstoß vorliege, habe das EU-Recht Vorrang. In dem Fall dürfe das Gericht die neuen Regeln nicht anwenden.

Bereits im April 2018 hatte der EuGH die Arbeit der 2018 neu aufgestellten polnischen Disziplinarkammer für Richter und Richterinnen bis auf Weiteres ausgesetzt. Die EU-Kommission droht Polen hier mit einer weiteren Klage.