Mobile Impfstation in Tel Aviv
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Impfungen

Was Israel auszeichnet

Israel hat, was die Bekämpfung der CoV-Pandemie betrifft, in vieler Hinsicht ähnliche Fehler gemacht und mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie andere westliche Demokratien. Doch beim Impfen gilt das Land weltweit als Vorbild. Israels Erfolg liegt aber nur zum Teil an richtigen Entscheidungen. Mindestens ebenso sehr liegt er an Faktoren, die sich andere Länder nicht so einfach abschauen können.

Auf – zu, auf – zu: Den schwierigen Umgang mit dem Coronavirus und die dramatischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen kennt die israelische Bevölkerung bestens. Erst vor wenigen Tagen wurde ein weiterer Teil des Bildungssystems vorsichtig wieder geöffnet. Zu den Feiertagen rund um Purim gab es dagegen gleichzeitig eine strenge landesweite Ausgangssperre. Doch trotz teils steigender Infektionszahlen ist die Stimmung in Israel derzeit deutlich optimistischer als etwa in Österreich.

Der Grund ist wohlbekannt: Bei den Impfungen ist Israel quasi „Weltmeister“: mehr als die Hälfte der mit rund neun Millionen größenmäßig mit Österreich vergleichbaren Bevölkerung hat zumindest die erste Impfung erhalten. In Österreich und der EU generell geht dagegen die Impfung weiter äußerst schleppend voran.

Digitaler als andere

Der Hauptgrund aktuell ist, dass Israel einen exklusiven Deal mit Pfizer/Biontech über die Impfstofflieferung ausgehandelt hat. Nicht nur der Preis, den Israel zahlt, dürfte um einiges höher liegen, als jener, den die EU-Kommission als zentrale Einkäuferin für die Union zu zahlen bereit war.

Das Nahost-Land war auch bereit, die Daten über die Impfungen und die Geimpften an den Pharmakonzern weiterzugeben, was diesem ein einzigartiges Lagebild über die Wirkung und mögliche Probleme mit dem Vakzin liefert. Israels Gesundheitsdaten sind weit stärker digitalisiert als etwa in Österreich und zentralisiert verfügbar, somit stehen die Daten binnen kurzer Zeit zur Verfügung, und Pfizer kann rasch bewerten, ab wann eine Herdenimmunität erreicht ist. Man könnte umgekehrt auch sagen: Österreich bzw. die EU hätte – ganz abseits von Datenschutzbedenken – Pfizer gar keinen ähnlich attraktiven Datendeal wie Israel anbieten können.

Impfung in einer Bar in Tel Aviv
Reuters/Corinna Kern
Dank der bereits hohen Impfrate: Lokale dürfen wieder öffnen. Und wer bisher noch nicht zum Zug kam, kann sich jetzt die Impfung bei einem Bier holen.

Alle Kassen haben nicht nur alle Daten längst digitalisiert, sondern sie kommunizieren auch schon lange überwiegend auf digitalen Wegen mit den Versicherten. Und teilweise ist es seit Jahren üblich, diese im internationalen Vergleich hoch digitalisierten Datenbanken für epidemiologische und gesundheitspolitische Studien zu verwenden, wie eine Studie des Israel Journal of Health Policy Research betonte.

Datenschutzbedenken wischte die israelische Koalitionsregierung, geführt von Langzeitpremier Benjamin Netanjahu, dabei vom Tisch. Innenpolitisch gab es hier kurzfristig einen Aufschrei. Doch sehr rasch überwogen in der öffentlichen Debatte die Vorteile die Nachteile.

Weniger Berührungsängste

Israel, das sich auch als Hightech-Land sieht, das immer wieder mit Softwarelösungen aufhorchen lässt, die weltweit für Furore sorgen, hat jedenfalls generell deutlich weniger Berührungsängste gegenüber digitalen Entwicklungen als Europa, auch wenn weitreichendere gesellschaftliche Implikationen absehbar sind. Das hat nicht zuletzt mit dem starken Einfluss, den Militär und Sicherheitsfragen auf die israelische Wirtschaft und den Alltag haben, zu tun.

Impfzentrum in Tel Aviv
Reuters/Ammar Awad
Für das hohe Tempo bei der Impfung waren große Impfstraßen wie hier am Rabin-Platz in Tel Aviv entscheidend.

Kleiner, jünger, wärmer

Von der Bevölkerungsgröße her ist Israel mit Österreich vergleichbar. Freilich ist das Land auch flächenmäßig viel kleiner – etwa so groß wie Niederösterreich und Vorarlberg zusammen. Die kürzeren Wege – das gilt umso mehr, als in Israel die Bevölkerung stärker urbanisiert ist – sind ein Vorteil bei der Durchführung von Massenimpfungen. Dazu kommen als Erleichterungsfaktoren eine vergleichsweise jüngere Bevölkerung, die ihren älteren Familienangehörigen halfen, zu den großen Impfstraßen zu kommen. Hilfreich war zudem das deutlich mildere Klima.

Keine Bundesländer

Viel entscheidender ist aber, dass Israel ein Zentralstaat ohne föderale Elemente ist – die Verwaltung also deutlich einfacher organisiert ist und Vorgaben der Zentralregierung politisch wie administrativ mit viel weniger Widerstand umgesetzt werden können. Und die lokalen Behörden haben im Gesundheitsbereich kaum Einfluss.

Zivilschutzübungen mit Impfszenario

Außerdem hat Israel – auch aufgrund des Konflikts mit den Palästinensern und arabischen Staaten – einen besonders stark ausgeprägten Zivilschutz und eine Infrastruktur, um rasch auf größere, landesweite Notfälle zu reagieren und etwa einen nationalen Impfplan rasch auf die Beine zu stellen. Die Aufgabenstellungen für Zivilschutzübungen in den Jahren vor der Pandemie umfassten auch die Notwendigkeit, rasch die Bevölkerung impfen zu müssen. Und Krankenkassen, Spitäler und Rettungsdienste sind in die Planung und Durchführung dieser Übungen ebenso selbstverständlich einbezogen wie etwa Feuerwehr, Exekutive und Militär.

Genau vor diesem Hintergrund ist auch die Kooperation zwischen staatlicher Verwaltung, Krankenkassen, Spitälern etc. sehr eng. Die Krankenkassen arbeiten zudem alle landesweit und nicht regional – sie betreiben zudem selbst zahlreiche Spitäler und Ambulanzen.

Personal rasch freigespielt

Nicht zuletzt dadurch steht eine große Zahl an Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, die Impfungen verabreichen können, jederzeit bei Bedarf zur Verfügung. Zum Impfen qualifiziertes Personal wurde kurzfristig freigespielt, indem das Überstundenkontingent stark angehoben wurde und andere Aufgaben, soweit möglich, vorübergehend etwa an Sozialarbeiter oder Logopäden ausgelagert wurden. Außerdem wurden die Gesetze rasch so geändert, dass auch Sanitäter Impfungen verabreichen dürfen.

Israel nahm laut der Studie auch mehr Geld als etwa Großbritannien in die Hand, um Ambulanzen, Ärzten etc. finanziell bei der Organisierung und Verabreichung von Impfungen zu unterstützen.

Beobachtung von Impfgegnern

Mit dem Werben für die Impfung wurde bewusst bis zur Erstzulassung durch die US-Behörde FDA, die in Israel hohe Glaubwürdigkeit genießt, gewartet. Dann begann eine konzertierte Bemühung von Gesundheitsministerium, Kassen und Rotem Davidstern via Medien und Soziale Netzwerke. Ein wichtiges Element war laut der Studie, dass Postings von Impfgegnern genau beobachtet werden und deren Behauptungen direkt entgegnet wird.

Für die Anmeldung zur Impfung wurden zudem verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung gestellt: Diese ist nicht nur online via Anmeldewebsite möglich, sondern auch durch Anruf bei einer Hotline und mittels einer eigenen Impf-App. Außerdem wird nach der Durchimpfung der vulnerablen Gruppen nun neben großen Impfstraßen auch vermehrt auf Anreize gesetzt, Menschen dazu zu bringen, sich impfen zu lassen – etwa indem direkt in Bars oder vor Konzerten geimpft wird, deren Besuch nur so möglich ist.

„Grüner Impfpass“ in Israel Realität

Auch der „Grüne Impfpass“, der das Reisen ermöglichen soll, dürfte zumindest am Rande Thema bei dem Treffen am Donnerstag in Israel sein. Kurz hatte diesen zuletzt vehement EU-weit gefordert. Die EU-Kommission will Mitte März einen Entwurf dafür vorlegen. Auch hier war Israel schneller. Den Impfpass gibt es dort bereits, er kommt derzeit vor allem im eigenen Land zum Einsatz – als Bedingung zum Besuch etwa von Konzerten, wie er seit Neuestem wieder möglich ist.