Schanigarten
ORF.at/Georg Hummer
Gastronomie

Viele Unsicherheiten vor Öffnung

Österreichweit dürfen Lokale ihre Gastgärten mit 27. März öffnen. Auch hier gibt es zahlreiche offene Fragen. Doch zunächst richtet sich die Aufmerksamkeit auf Vorarlberg. Hier sollen in einem – wissenschaftlich begleiteten – Pilotversuch bereits ab Mitte März Aktivitäten in Innenräumen stattfinden können – von Kultur über Sport bis Gastronomie.

Zahlreiche Fragen dazu sind noch ungeklärt. Fest steht, dass Tests als Voraussetzung für einen Lokalbesuch vorgeschrieben sind. Keine Einigung gibt es bisher, welche Art von Tests das sein müssen. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach sich für eine stark ausgeweitete Teststrategie aus, die auch Selbsttests implizieren sollte. Diese Fragen sollen in den nächsten Tagen geklärt werden. Im Endausbau brauche es „eine gute digitale Lösung auch für die Tests zu Hause“, so Wallner – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Zahlreiche Gastronomen und Gastronominnen stellen sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, wenn sie öffnen. „Die Gastronomie sperrt aber sicher nicht um jeden Preis auf“, sagte der Vorarlberger Fachgruppenobmann Mike Pansi. Zu klären sei etwa die Sperrstunde, auch ein Sicherheitsabstand von zwei Metern sei nicht realistisch – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Ausgangsbeschränkungen „noch nicht ausdiskutiert“

Wie die derzeit noch ab 20.00 Uhr geltenden Ausgangsbeschränkungen Ende März aussehen, wenn geplanterweise überall die Schanigärten öffnen dürfen, sei „noch nicht ausdiskutiert“, hieß es Montagabend von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Auch für den Obmann der Wiener Gastronomie, Peter Dobcak, ist noch vieles unklar, wie etwa die Nutzung von Toiletten in Innenräumen, wie lange geöffnet sein darf und was bei schlechter Wetterlage passiert.

Öffnungen: Lichtblick mit Fragezeichen

Die Gastronomie muss weiter auf die Öffnung warten und fordert eine Erhöhung der Hilfszahlungen.

Zudem könnten nicht alle Gastronomen von der Öffnung Gebrauch machen, weil sie nicht über einen Sitzbereich im Freien verfügen. Hier will die Stadt Wien gegensteuern – mit Schanigärten auf öffentlichen Plätzen. Diese werden nun ausgearbeitet. Dazu werde es zunächst Gespräche mit den Sozialpartnern geben, kündigte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an. Die Areale selbst könnten in Kooperation mit Veranstaltungsunternehmen betrieben werden, hieß es – mehr dazu in wien.ORF.at.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) forderte am Dienstag österreichweit Städte und Gemeinden auf, die Gebühren für Gastgärten zu erlassen. Linz prüft bereits eine Adaptierung des Wiener Modells für Linz. Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) könne der Idee „viel abgewinnen, auch Lokalen, die über keinen Freiluftbereich verfügen, eine Öffnung in Form befristeter öffentlicher Ausschankflächen zu ermöglichen“.

Weniger zufrieden mit der angekündigten Lockerungsstrategie zeigte sich Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Es handle sich um „Alibilösungen und Scheinmaßnahmen“ – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Keine Förderung bei zu wenig Umsatz

Zahlreiche Gastronomen befürchten, dass sie um staatliche CoV-Hilfen umfallen, wenn sie Gastgärten öffnen. Für viele könnte sich ein Aufsperren gar nicht lohnen, so Branchenvertreter. Es gehe nicht um formale Schließungen, sondern darum, wie stark der Umsatzrückgang sei, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) dazu am Dienstag: „Die Höhe des Ausfallsbonus und die Höhe des Fixkostenzuschusses bemisst sich ja am Rückgang des Umsatzes.“ Gastronomen müssen also darauf achten, dass ihr Umsatzrückgang auch nach Öffnung der Gastgärten gewisse Schwellenwerte nicht unterschreitet, um die Förderung nicht zu verlieren.

Lockerungen: Enttäuschung in der Gastronomie

Wie eine Öffnung in der Gastronomie genau aussehen könnte, ist noch unklar. So soll nur in Schanigärten bewirtet werden, die Rede ist von Ende März. Wie das dann aussehen soll, ist noch ungeklärt – zum Ärger mancher Wirte.

Noch weniger Perspektive haben die Kultur, der Tourismus und die Gastronomie in Innenräumen, darunter auch die Nachtgastronomie. Wenn die Zahlen bis Ostern nicht exponentiell steigen, laute das Ziel, diese Branchen im April schrittweise zu öffnen, hieß es Montagabend vonseiten der Regierung.

„Symbolische Ankündigungen“

Virologen und Epidemiologen erwarten allerdings in den nächsten Wochen einen weiteren Anstieg der Zahlen. Der Komplexitätsforscher Peter Klimek sieht vor allem aufgrund des raschen Voranschreitens der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Mutation B.1.1.7 Anzeichen einer dritten Welle.

Der Epidemiologe Gerald Gartlehner interpretiert die in Aussicht gestellten Lockerungen daher eher als „symbolische Ankündigungen“. Auf Basis der aktuellen Zuwachszahlen seien keine seriösen Aussagen in Richtung Ostern möglich. Würde die effektive Reproduktionszahl wie derzeit auf 1,1 bleiben, würden sich „die Infektionszahlen so in den nächsten drei Wochen verdoppeln“, sagte Gartlehner. „Ob dann mit noch höheren Zahlen als jetzt geöffnet wird, wage ich zu bezweifeln.“ Sowohl Klimek als auch Gartlehner sehen die vorzeitige Öffnung in Vorarlberg ambivalent. Die B.1.1.7-Variante habe sich im Westen noch nicht so stark verbreitet wie in Ostösterreich. Aber auch in Vorarlberg sei hier mit Zuwächsen zu rechnen, so Gartlehner.

Gegenüber der ZIB2 sagte indes Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien, dass man auf eine Welle zusteuere. Man müsse aber auch relativieren: Es bleibe noch ein Monat Zeit für die geplante Lockerung und auch eine mögliche Neuevaluierung. Bis dahin müsse mehr getestet und die Maßnahmen befolgt werden.

Schernhammer: „Steuern auf dritte Welle zu“

Freude, aber auch Verwunderung haben die angekündigten Lockerungen ausgelöst. Die Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien ist dazu im ZIB2-Studio zu Gast.

Experte: Keine virologischen Argumente für Öffnung

Auch der Virologe Andreas Bergthaler steht Öffnungen skeptisch gegenüber. Aus seiner Sicht werde das Bild der Mutationen wöchentlich komplexer, schrieb er auf Twitter. Zudem sei die Impfrate für eine Entspannung der Lage noch zu gering. Es gebe daher keine virologischen Argumente für Öffnungen.

Wenn diese durchgeführt werden, empfiehlt der Experte Begleitmaßnahmen wie eine noch bessere Test- und Isolationsstrategie und regional spezifische Maßnahmen auf Basis mehrerer Kriterien wie Inzidenz, Anstieg der Infektionen, Mutationen und Durchimpfungsrate.

Ausreisetests im Osten schwierig umzusetzen

Die Regierung will bei Bezirken mit hoher Inzidenz verstärkt Kontrollieren und Ausreisetests nach dem Vorbild von Tirol durchführen. Für den Kärntner Bezirk Hermagor ist das in Arbeit, für die Salzburger Gemeinden Radstadt und Bad Hofgastein wurden verpflichtende Ausreisetests am Dienstag fixiert – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Im Osten Österreichs seien diese Ausreisetests allerdings schwer umzusetzen, so Gartlehner. Alleine aufgrund der Pendlerbewegungen zwischen Niederösterreich und Wien sei das kaum vorstellbar.