Burg Freudensberg in Schwaz
ORF.at/Zita Klimek
Bezirk Schwaz

Durchimpfung und Ausreisetests geplant

Der besonders stark von der zuerst in Südafrika aufgetretenen Coronavirus-Variante B.1.351 betroffene Tiroler Bezirk Schwaz soll komplett mit dem Impfstoff von Biontech und Pfizer durchgeimpft werden. Für die Ausreise aus dem Bezirk Schwaz werde es zu einer Testverpflichtung kommen, so Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

In Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, Biontech und Pfizer, Bund und Land sei es gelungen, 100.000 zusätzliche Impfdosen der beiden Pharmafirmen als Vorauslieferung zur Verfügung zu stellen, gaben die Bundesregierung und die Tiroler Landesregierung am Mittwoch bekannt. Der Bezirk wird zur Forschungsregion.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Tirols Landeshauptmann Platter (ÖVP) und Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) gaben die Pläne in einer per Livestream zusammengeschalteten gemeinsamen Pressekonferenz in Wien bzw. Innsbruck bekannt. „Es ist unsere Chance, die Variante im Bezirk Schwaz auszulöschen“, sagte Kurz, bzw. gegen null zu bringen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Impfbeginn in zweiter März-Woche anvisiert

Das Projekt soll national und international von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen begleitet werden, in einer Studie sollen Erkenntnisse zur Impfung der Mutation B.1.351 gewonnen werden. Als Startzeitpunkt für die Impfaktion ist die zweite März-Woche anvisiert. Der Plan sieht vor, dass allen im Bezirk Schwaz der Impfstoff angeboten wird – laut Anschober und Bundeskanzleramt ab dem 16. Lebensjahr. Laut Bundeskanzleramt werden die 100.000 Dosen Tirol nicht zusätzlich zur Verfügung gestellt, sondern vorgezogen, und zwar aus dem EU-Kontingent, also ohne Auswirkungen auf die Lieferungen an die anderen Bundesländer.

Für die Ausreise aus dem Bezirk werde es eine Testpflicht geben, kündigte Platter an. Diese solle rund um den 10. März parallel zum Impfstart beginnen. Den Bezirk wird man für die Dauer der Impfaktion nur mit negativem Test verlassen können. Den Bezirk Schwaz wird man dann „maximal zwei Wochen“ nur mit negativem Test verlassen können, die Exekutive werde stichprobenartig kontrollieren, so Platter. Ein PCR-Test darf höchstens 72 Stunden alt sein, ein Antigen-Schnelltest maximal 48 Stunden.

Grenzkontrollen von Deutschland bald obsolet?

Bis dahin wird die derzeit aufrechte Ausreisetestpflicht für Tirol verlängert. Damit dürfen Personen, die sich in Nordtirol aufhalten, auch weiterhin die Tiroler Grenzen nur überschreiten, wenn sie einen negativen Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, vorweisen können.

Kurz und Platter hoffen, dass mit der ab 11. März geplanten Durchimpfungskampagne im Bezirk die Grenzkontrollen Deutschlands obsolet werden. Die Maßnahmen sollen „auch angrenzende Nachbarländer schützen“, sagte Kurz. Platter meinte, dass man durch die getroffenen Maßnahmen Deutschland davon überzeugen könne, „von den Grenzkontrollen Abstand zu nehmen“. Deutschland hatte während einer Pressekonferenz im Innsbrucker Landhaus, in der die Maßnahmen für den Bezirk Schwaz verkündet wurden, die stationären Grenzkontrollen an der Grenze zu Tirol und Tschechien bis zum 17. März verlängert – mehr dazu in tirol.ORF.at.

100.000 Impfdosen für Bezirk Schwaz

Ab nächster Woche stehen für den Tiroler Bezirk Schwaz 100.000 Impfdosen zur Verfügung. Der Bezirk soll als europäische Forschungsregion wissenschaftlich begleitet werden.

Kurz: Gegen null kommen

Kurz sagte, die Variante B.1.351 sei deswegen so herausfordernd, „weil viele Studien darauf hindeuten, dass zumindest einer unserer Impfstoffe deutlich schlechter wirken dürfte“. Das sei eine „große Gefahr für den Weg zurück in die Normalität“.

Man wisse, dass Tirol „ganz besonders betroffen war und ist“, dort sei einer der größten Cluster der „südafrikanischen“ Variante in Europa ausgebrochen. Es sei gelungen, von am Höhepunkt rund 200 aktiven Fällen auf unter 100 aktive Fälle herunterzukommen. Nun gelte es, gegen null zu kommen.

Anschober: Zeichen europäischer Solidarität

Landeshauptmann-Stellvertreterin Felipe sprach angesichts des Impfprojekts von einem „Lichtblick und Hoffnungsschimmer“. Wie Platter bedankte sie sich für die Teilnahme der Bevölkerung an den bisherigen Tests – und richtete gleichzeitig einen Appell, das angekündigte Impfangebot anzunehmen.

Anschober sagte, Ziel sei es, die weitere Ausbreitung der Variante zu verhindern. In Tirol hätten die Maßnahmen wie das Contact-Tracing gut funktioniert, die Variante habe schrittweise wieder abgenommen und liege nun nur noch bei 5,11 Prozent am gesamten Infektionsgeschehen. Wichtig sei, dass das Projekt nicht auf Kosten anderer Bundesländer gehe, sagte er. Auch er hoffe, dass die Schwazer Bevölkerung die „einmalige Chance“ nutzt.

B.1.351 in sieben Bundesländern

B.1.351 ist aktuell nicht nur in Tirol, sondern in insgesamt sieben Bundesländern nachgewiesen. Die Mutation trägt allerdings kaum zum Infektionsgeschehen bei. Das gab das Gesundheitsministerium am Mittwoch auf APA-Anfrage bekannt. Gegenwärtig sind nur in Kärnten und Vorarlberg keine Infektionen mit der B.1.351-SARS-CoV-2-Variante behördlich bekannt. Abgesehen von Tirol, wo B.1.351-Fälle mit 5,11 Prozent am Infektionsgeschehen beteiligt ist, gibt es in den übrigen betroffenen Bundesländern jeweils nur Einzelfälle.

Wie das Gesundheitsministerium betonte, macht der besonders infektiöse Ableger, gegen den die am Markt befindlichen Impfstoffe möglicherweise nicht ausreichenden Schutz bieten, derzeit nur einen Bruchteil innerhalb der Mutationen aus, die das epidemiologische Geschehen mittlerweile mitprägen. Die Verbreitung innerhalb der kursierenden Varianten liegt bei rund einem Prozent, in Bezug auf das gesamte Infektionsgeschehen bei deutlich unter einem Prozent.

NEOS höchst irritiert

Dass der „Impfschutzschirm“ für den Bezirk erst jetzt kommt, verteidigten Anschober und Kurz. Dass man das unter allen EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt habe, sei „einzigartig“, so der Kanzler. „Jede einzelne Impfung zählt“, sagte auch Expertin Maria Paulke-Korinek. Dass das Projekt wissenschaftlich begleitet werde, sei ein „großes Geschenk“, etwa um zur Klärung der Frage beizutragen, welche Effekte Impfungen auf die Virusübertragung haben. Die Ankündigung rief positive Reaktionen in Tirol hervor, Kritik kam von der Tiroler FPÖ – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Auf Bundesebene zeigte sich NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker von den Plänen „höchst irritiert“. „Die Bundesregierung und das Land Tirol verkaufen eine ‚Studie‘ in Schwaz als Erleichterung und Verhandlungserfolg. Dabei haben das katastrophale Impfmanagement der Regierung und die wochenlangen ziellosen Maßnahmen, speziell im Land Tirol, diese Initiative der EU-Kommission erst nötig gemacht.“