Kanzleramt in Berlin
AP/Michael Sohn
CoV-Verhandlungsmarathon

Einigung auf deutschen Öffnungsplan steht

In Deutschland wird der Lockdown zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie grundsätzlich bis zum 28. März verlängert, allerdings mit vielen Öffnungsmöglichkeiten je nach Infektionslage. Das haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer am Mittwoch in Berlin bei einem offenbar turbulent verlaufenen Verhandlungsmarathon vereinbart.

Merkel spricht nach dem Ende der rund neunstündigen Bund-Länder-Beratungen in der Abschlusspressekonferenz von einem „Übergang in eine neue Phase“. In diese Phase könne nicht mit Sorglosigkeit, „aber eben doch mit berechtigten Hoffnungen“ gegangen werden. In den vergangenen Monaten sei in Deutschland sehr viel erreicht worden, wie Merkel hier noch anfügte. In ersten Reaktionen war von einem hart erkämpften, aber auch komplex anmutenden Kompromiss die Rede. „Man kann sich sehr lange reinvertiefen“, wie ein Beobachter auf Twitter feststellte.

Konkret wurde eine stufenweise Öffnungsstrategie mit eingebauten „Notbremsen“ vereinbart: Führen einzelne Lockerungen zu einem starken Anstieg der Infektionszahlen in einer Region, werden automatisch alle schon erfolgten Erleichterungen wieder gestrichen. Grundlage dafür bleibt die 7-Tage-Inzidenz und damit die laborbestätigten Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Allerdings ist der Grenzwert nun teilweise deutlich höher angesetzt, als erst vor wenigen Wochen zwischen Merkel und den Bundesländern vereinbart: Noch am 10. Februar wurde beschlossen, etwa dem Einzelhandel erst bei Erreichen einer Inzidenz von 35 wieder Öffnungsmöglichkeiten zu geben.

Merkel kündigte nun unter anderem weitere Öffnungsschritte für den Einzelhandel an: Bereits ab dem 8. März und somit dem kommenden Montag dürften Geschäfte bei einer 7-Tage-Inzidenz von unter 50 wieder öffnen. Bei mehr als 50 könne mit dem System „Click and Meet“ eingekauft werden. Bei einer Inzidenz von mehr als 100 über drei Tage in Folge müsse wieder geschlossen werden. Bleibe die Inzidenz über 14 Tage stabil unter 50, könne die Außengastronomie wieder öffnen.

Buchhandlungen, Blumengeschäfte, Gartenmärkte

Nach den schon vorgenommenen ersten Öffnungen bei Schulen und Friseuren sollen nun in einem zweiten Schritt Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte folgen. In einzelnen deutschen Bundesländern sind diese bereits offen, jetzt sollen sie nach dem Beschluss der Bund-Länder-Runde bundesweit einheitlich dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zugerechnet werden. Voraussetzung ist, dass Hygienekonzepte und eine Kundenbegrenzung eingehalten werden. Auch Fahr- und Flugschulen können den Betrieb unter Auflagen wieder aufnehmen.

Weitere eingeschränkte Öffnungen kann es schon in Regionen geben, in denen lediglich die 7-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner unterschritten wird. Neben Terminshopping-Angeboten im Einzelhandel können dann Museen, Galerien, Zoos, botanische Gärten und Gedenkstätten für Besucher mit Terminbuchung öffnen. Erlaubt sein soll dann auch Individualsport alleine oder zu zweit sowie Sport in Gruppen von bis zu zehn Kindern bis 14 Jahren im Außenbereich. Bei einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von unter 50 fallen die Auflagen weg oder werden abgeschwächt. Dann soll auch kontaktfreier Sport in kleinen Gruppen im Freien wieder möglich sein.

Die nächsten Öffnungsschritte werden dem Beschluss zufolge davon abhängig gemacht, dass die vorherige Stufe 14 Tage lang nicht zu einer Verschlechterung der 7-Tage-Inzidenz geführt hat. Dann geht es zunächst um die Öffnung der Außengastronomie, von Kinos, Theatern, Konzert- und Opernhäusern sowie um kontaktfreien Sport im Innenbereich und um Kontaktsport im Außenbereich. Im nächsten Schritt sind weitere Sportmöglichkeiten und Freizeitveranstaltungen dran. Auch hier gilt: Bis zu einer Inzidenz von 100 soll es höhere Auflagen wie tagesaktuelle Tests oder einen Buchungszwang geben, die bei einer 7-Tage-Inzidenz bis 50 Neuinfektionen wegfallen.

Lockerungen auch für private Zusammenkünfte

Schon vom kommenden Montag an sollen auch die stark beschränkten privaten Kontaktmöglichkeiten gelockert werden. Dann werden wieder private Zusammenkünfte des eigenen Haushalts mit einem weiteren Haushalt möglich sein, jedoch beschränkt auf maximal fünf Personen.

In Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz von unter 35 neuen Infektionen pro Woche können es auch Treffen des eigenen Haushalts mit zwei weiteren Haushalten mit zusammen maximal zehn Personen sein. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon jeweils ausgenommen. Bisher darf sich ein Hausstand mit maximal einer Person eines anderen Hausstandes treffen.

Impfen und Testen

Wichtige Elemente für weitere Öffnungen sollen Impfen und Testen sein. Vereinbart wurde, dass Ende März bzw. Anfang April die haus- und fachärztlichen Praxen umfassend in die Impfkampagne eingebunden werden, um diese zu beschleunigen. Kostenlose Coronavirus-Schnelltests für alle Bürger sollen voraussichtlich ab nächster Woche möglich werden. Der Bund will dann die Kosten dafür übernehmen. Pro Woche soll mindestens ein Schnelltest möglich sein, den geschultes Personal etwa in Testzentren oder Praxen abnimmt.

Wie das Gesundheitsministerium dazu via Twitter mitteilte, müsse man bei den aktuell steigenden Infektionszahlen „darauf achten, die Balance zu halten“. Beim Impfen müsse man „an Tempo zulegen“, Schnell- und Selbsttests „können zudem helfen, das Pandemiegeschehen zu kontrollieren“.

7-Tage-Inzidenz bei 65

Im rund 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählendem Deutschland meldete das zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) am Mittwoch 9.019 Neuinfektionen. Das waren 1.012 Fälle mehr als am Mittwoch vor einer Woche. 418 weitere Menschen starben, die zuvor positiv getestet wurden. Die 7-Tage-Inzidenz fiel leicht auf 64,0 von 65,4. Als ernstes Problem gilt auch in Deutschland die Ausbreitung von Virusmutationen. Das deutsche Innenministerium kündigte deshalb an, die Kontrollen an der Grenze zu den „Virusvariantengebieten“ Tschechien und Tirol bis zum 17. März zu verlängern.