Eine FFP2-Maske des Schutzmasken-Herstellers Hygiene Austria
APA/Hans Klaus Techt
„Zum Ausgleich einer Nachfragespitze“

Hygiene Austria orderte auch in China

Nach den Durchsuchungen beim Schutzmaskenhersteller Hygiene Austria wegen des Verdachts, dass in China produzierte Masken falsch etikettiert und als österreichische Produkte verkauft wurden, gehen die Abnehmer der Masken nun der Frage nach, ob auch sie betroffen sein könnten. Hygiene Austria wies am Mittwochabend die im Raum stehenden Vorwürfe zurück. „Richtig“ sei aber, dass „zum Ausgleich einer Nachfragespitze“ ein Lohnhersteller in China hinzugezogen worden sei.

Ein Sprecher der Hygiene Austria – einem Joint Venture des oberösterreichischen Faserherstellers Lenzing mit dem Textilkonzern Palmers – hatte Razzien an zwei Standorten am Dienstag bestätigt. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht es um den Verdacht der organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs.

Die Vorwürfe Schwarzarbeit sowie Betrug seien „klar zurückzuweisen“, erklärte Hygiene Austria nun in einer Aussendung. Für eine rechtmäßige und ordnungsgemäße Anmeldung zu sorgen liege in der Verantwortung der beauftragten heimischen Personaldienstleister. Man arbeite auf Basis der heimischen Gesetze und verkaufe nur hochwertige Masken nach rot-weiß-rotem Qualitätsstandard.

Hygiene Austria gesteht Kauf aus China

Einen Tag nach der Durchsuchung des Unternehmens durch die Staatsanwaltschaft hat Maskenhersteller Hygiene Austria eingestanden, dass Masken in China produziert worden sind. Dies sei aufgrund einer „Nachfragespitze“ der Fall gewesen.

„Um 60 bis 100 Prozent“ teurer

Allerdings sei zum Ausgleich einer Nachfragespitze ein Lohnhersteller hinzugezogen worden, hieß es in dem Statement von Hygiene Austria. Um den zwischenzeitlichen Nachfrageanstieg zu bewältigen, sei ein chinesischer Lohnfabrikant mit der Produktion von Masken nach dem Baumuster der Hygiene Austria beauftragt worden.

Die CE-Zertifizierung nach EN149:2001 sei der Hygiene-Austria-Aussendung zufolge durch eine Schweizer Firma sichergestellt. Die Gutachten für die Masken lägen vor und würden der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden.

Während in der ZIB2 von einer ungarischen CD-Zertifizierung die Rede ist, verweist Hygiene Austria darauf, dass man zur Spitzenabdeckung sogar „teurere Masken, gleicher Qualität und zum gleichen Verkaufspreis zum Schutz der Bevölkerung zur Verfügung gestellt“ habe. Konkret seien die Masken in der Lohnproduktion im Einkauf um 60 bis 100 Prozent teurer gewesen als in der heimischen Produktionslinie.

Bundesagentur legt Vertrag auf Eis

Vertreter von SPÖ und FPÖ hatten am Mittwoch darauf hingewiesen, dass die im Ausland produzierten und mutmaßlich umetikettierten Produkte auch vom Parlament zur Verfügung gestellt werden. Eine politische Dimension erhielt die Causa laut APA, weil der Geschäftsführer der Firma ein Verwandter der Büroleiterin von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist. Das Bundeskanzleramt weist jeden Zusammenhang mit den Ermittlungen zurück.

Razzia bei Hygiene Austria: Kritik am Kanzler

In Zusammenhang mit dem Verdacht, dass Maskenhersteller Hygiene Austria Produkte aus China gekauft und umetikettiert hat, kritisiert die Opposition nun auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die FPÖ ortet ein Naheverhältnis zum Regierungschef, die SPÖ hat eine parlamentarische Anfrage angekündigt.

Für wen und in welcher Stückzahl die Bundesbeschaffungsagentur (BBG) außerdem noch Masken der Hygiene Austria gekauft hat, lässt sich zunächst nicht vollständig klären – die BBG hat nach eigenen Angaben gestern aus den Medien von den Hausdurchsuchungen erfahren, wie es heute auf Anfrage der APA hieß.

Mittlerweile hat die BBG auf die Hausdurchsuchungen bei Hygiene Austria reagiert und das Unternehmen als Auftragnehmer „inaktiv“ gestellt – das bedeutet, dass bis auf Weiteres keine Bestellungen bzw. Abrufe von Schutzmasken bei der Hygiene Austria über die BBG möglich sind, wie die Gesellschaft Mittwochnachmittag auf APA-Anfrage mitteilte. Hygiene Austria sei nur einer von mehr als 30 Auftragnehmern im Bereich FFP2-Schutzmasken.

Zahl der in Auftrag gegebenen Masken bleibt offen

Die BBG hatte die Hygiene Austria LP GmbH eigenen Angaben zufolge bereits Dienstagabend zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darüber hinaus habe man auch bereits am 2. März schriftlich bei der WKStA um nähere Informationen zur vergaberechtlichen Bewertung der Sachlage angefragt.

Wie viele Masken die BBG bei dem Unternehmen in Auftrag gegeben hat und für welche Behörden oder staatsnahe Betriebe sie bestimmt waren, wollte die BBG auf Anfrage nicht verraten. Laut EU-weiter Ausschreibung hat es für den 420 Mio. Euro schweren Auftrag 50 Bieter gegeben.

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben von der Hygiene Austria 576.000 FFP2-Masken mit CE-Zertifikat über die Bundesbeschaffungsagentur aus einem Rahmenvertrag abgerufen, wie ein ÖBB-Sprecher am Mittwoch zur APA sagte. Nun wolle man die Ermittlungen der WKStA abwarten.

„Berichte mit Sorge zur Kenntnis genommen“

In besonders hohen Stückzahlen wurden Schutzmasken vom Einzelhandel in Umlauf gebracht. „Wir haben die Berichte mit Sorge zur Kenntnis genommen, weil wir viele dieser Masken bewusst eingekauft haben“, sagte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann laut APA. Man habe dazu bereits Gespräche „auf hoher Ebene“ geführt.

Die von Spar an seine Kunden abgegebenen Masken seien sicher, betonte die Sprecherin. „Wir haben die 100-prozentige Rückverfolgbarkeit, dass die von uns gekauften Masken auf jeden Fall in Österreich am Standort in Wiener Neudorf hergestellt worden sind.“ Auch die Rohware stamme aus Österreich, „und es liegen uns auch für unsere Masken Prüfgutachten vor, dass es sich wirklich um FFP2-Masken-Qualität handelt“. Daher werde man die Masken wie bisher an Mitarbeiter und Kunden abgeben.

REWE prüft „derzeit intern“

Auch der REWE-Konzern (Billa, Merkur, Bipa, Penny) hat mehrere Millionen Masken von Hygiene Austria bezogen. „Wir prüfen das derzeit intern und sind in Kontakt mit Hygiene Austria“, sagte REWE-Sprecher Paul Pöttschacher. Momentan seien die Masken weiter im Verkauf, man prüfe die Qualität aber intern via Qualitätsmanagement. REWE hat Masken auch vom steirischen Produzenten Aventrium, aber auch aus China bezogen.

Der Diskonter Hofer hat ebenfalls Masken von Hygiene Austria bezogen. „Diese mit österreichischer Herkunft deklarierten FFP2-Masken werden seit 26.01.2021 in unseren Filialen verkauft. Da es sich bei der gegenständlichen Untersuchung um einen Verdachtsfall handelt, werden wir die weiteren Entwicklungen beobachten“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage der APA. Der Mitbewerber Lidl Österreich hat nach eigenen Angaben keine Masken von Hygiene Austria bezogen.