FFP2-Masken von Hygiene Austria
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Hygiene Austria

Zahlreiche Händler stoppen Maskenverkauf

Die Aufregung über die FFP2-Masken von Hygiene Austria ebbt nicht ab: Am Donnerstag bestätigten nach der Supermarktkette Spar auch der REWE-Konzern, Hofer und dm, dass man die Masken „vorsorglich“ aus dem Sortiment nehmen wolle.

„Da sich die Vorwürfe gegen Hygiene Austria verhärtet haben und wir daher die Rückverfolgbarkeit der an Spar gelieferten Masken nicht mehr zu 100% sicherstellen können, werden wir alle Masken nun vorsorglich aus unserem Sortiment nehmen“, schrieb Spar nach einer ORF-Anfrage auf Twitter. „Es ist eine Kassensperre eingerichtet, und die Ware wird aus den Regalen geräumt“, so Spar gegenüber der APA. Man habe aber genügend andere FFP2-Masken für Personal und Kundschaft aus europäischer und asiatischer Produktion vorrätig.

Auch REWE (Billa, Merkur, Bipa, Penny) stoppt den Verkauf, wie gegenüber ORF.at bestätigt wurde. „Die FFP2-Masken des besagten Herstellers wurden aus gegebenem Anlass von uns intern geprüft. Die Masken des Herstellers Hygiene Austria sind zertifiziert, haben durchwegs FFP2-Qualität, der FFP2-Schutz ist durchgängig gewährleistet. Wir nehmen die Produkte dennoch vorsorglich aus dem Verkauf, da ihre Herkunft (Produktionsort) unklar ist.“ Man habe eine Kassasperre für die Masken eingerichtet, biete aber ausreichende Mengen zertifizierter FFP2-Masken von anderen Herstellern an.

Hofer prüft, dm fordert Nachweis

Auch der Discounter Hofer sowie der Drogeriehändler dm kündigten laut APA an, den Verkauf zu stoppen. Hofer teilte mit, man werde eine neuerliche interne Prüfung durch das Qualitätsmanagement durchführen. Für mögliche weitere Schritte warte man die Untersuchungen ab. Dm forderte indes von Hygiene Austria Belege an, dass man ausschließlich mit in Österreich produzierten Masken beliefert wurde. „Wenn dieser Nachweis nicht erbracht werden kann, dann werden wir den Bestand an den Hersteller retournieren, da dies für uns ein zentrales Kriterium bei der Auswahl des Lieferanten und des Produkts war“, sagte ein dm-Sprecher.

Hygiene-Austria-Masken aus Sortiment entfernt

Hygiene Austria hat bereits zugegeben, einen Teil der verkauften FFP2-Masken in China eingekauft zu haben. Handelsketten wie Spar, REWE, Hofer und dm wollen die Masken jetzt aus ihrem Sortiment nehmen.

Chinesische Masken umetikettiert?

Gegen den Schutzmaskenhersteller Hygiene Austria – ein Joint Venture aus Palmers und Lenzing – gibt es den Verdacht, dass in China produzierte Masken falsch etikettiert und als österreichische Produkte verkauft wurden. Am Dienstag fanden deswegen mehrere Razzien statt. Die Abnehmer der Masken gehen nun der Frage nach, ob auch sie betroffen sein könnten. Besonders viele Masken gingen an den österreichischen Einzelhandel.

Hygiene Austria wies am Mittwochabend die im Raum stehenden Vorwürfe zurück. „Richtig“ sei aber, dass „zum Ausgleich einer Nachfragespitze“ ein Lohnhersteller in China hinzugezogen worden sei. Ein Sprecher von Hygiene Austria hatte Razzien an zwei Standorten am Dienstag bestätigt. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht es um den Verdacht der organisierten Schwarzarbeit sowie des schweren gewerbsmäßigen Betrugs.

Vorwürfe werden zurückgewiesen

Die Vorwürfe Schwarzarbeit sowie Betrug seien „klar zurückzuweisen“, erklärte Hygiene Austria am Mittwoch in einer Aussendung. Für eine rechtmäßige und ordnungsgemäße Anmeldung zu sorgen liege in der Verantwortung der beauftragten heimischen Personaldienstleister. Man arbeite auf Basis der heimischen Gesetze und verkaufe nur hochwertige Masken nach rot-weiß-rotem Qualitätsstandard.

Hygiene Austria gesteht Kauf aus China

Einen Tag nach der Durchsuchung des Unternehmens durch die Staatsanwaltschaft hat Maskenhersteller Hygiene Austria eingestanden, dass Masken in China produziert worden sind. Dies sei aufgrund einer „Nachfragespitze“ der Fall gewesen.

„Um 60 bis 100 Prozent“ teurer

Allerdings sei zum Ausgleich einer Nachfragespitze ein Lohnhersteller hinzugezogen worden, hieß es in dem Statement von Hygiene Austria. Um den zwischenzeitlichen Nachfrageanstieg zu bewältigen, sei ein chinesischer Lohnfabrikant mit der Produktion von Masken nach dem Baumuster der Hygiene Austria beauftragt worden.

Die CE-Zertifizierung nach EN149:2001 sei der Hygiene-Austria-Aussendung zufolge durch eine Schweizer Firma sichergestellt. Die Gutachten für die Masken lägen vor und würden der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden.

Während in der ZIB2 von einer ungarischen CD-Zertifizierung die Rede ist, verweist Hygiene Austria darauf, dass man zur Spitzenabdeckung sogar „teurere Masken, gleicher Qualität und zum gleichen Verkaufspreis zum Schutz der Bevölkerung zur Verfügung gestellt“ habe. Konkret seien die Masken in der Lohnproduktion im Einkauf um 60 bis 100 Prozent teurer gewesen als in der heimischen Produktionslinie.

Nummer weist nach Ungarn

In Österreich wurden die Masken jedenfalls nicht geprüft: „Die Masken sind nicht von uns zertifiziert worden“, hieß es aus dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) am Donnerstag zur APA. Die Nummer der notifizierenden Stelle, 2233, weist darauf hin, dass das Zertifikat aus Ungarn stammt. Hersteller können ihre mit CE-Kennzeichnung versehenen Produkte grundsätzlich in jedem europäischen Land prüfen lassen. Das gilt dann für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum. Laut BEV können sich die Hersteller aussuchen, zu welcher Stelle sie gehen.

Dem Wirtschaftsministerium zufolge hat man damals aber eine „Vorprüfung“ der Hygiene-Austria-Masken durchgeführt und festgestellt, „dass sie nicht den EU-Reglementierungen entsprechen“, wie der „Standard“ am Donnerstag berichtete. Bereits am Mittwoch hatte die ZIB2 berichtet, dass eine Vorprüfung nicht positiv ausgefallen sei.

Bei der Beschaffung von FFP2-Masken für Ältere (65 plus) gab es offenbar ebenfalls Probleme, geht laut dem Zeitungsbericht aus einem E-Mail-Verkehr mit der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) hervor. Die BBG habe im Auftrag des Gesundheitsministeriums an die Firma geschrieben, dass im Angebot wichtige Teile fehlten. „Somit ist eine Beurteilung nicht möglich“, hieß es laut „Standard“.

Vermisst worden seien beispielsweise die regelmäßige externe Überprüfung der Qualität und „100 Prozent heimische Produktion“. Hygiene Austria habe Ende November beides zugesichert.

Lenzing kündigt Untersuchung an

Eine Reaktion in der Causa kam am Donnerstag auch vom Mehrheitseigentümer Lenzing. Wie schon länger geplant, übernimmt der börsennotierte oberösterreichische Faserhersteller bei der Hygiene Austria LP GmbH die Managementkontrolle und setzt mit Stephan Sielaff einen zusätzlichen Geschäftsführer ein. Außerdem werde ein externes forensisches Untersuchungsteam bestellt. Es müsse das Vertrauen wiederhergestellt werden, hieß es von einem Lenzing-Sprecher gegenüber dem ORF Oberösterreich – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Bundesagentur legt Vertrag auf Eis

Für wen und in welcher Stückzahl die Bundesbeschaffungsagentur (BBG) außerdem noch Masken der Hygiene Austria gekauft hat, lässt sich zunächst nicht vollständig klären – die BBG hat nach eigenen Angaben gestern aus den Medien von den Hausdurchsuchungen erfahren, wie es am Mittwoch auf Anfrage der APA hieß. Mittlerweile hat die BBG auf die Hausdurchsuchungen bei Hygiene Austria reagiert und das Unternehmen als Auftragnehmer „inaktiv“ gestellt.

Das bedeutet, dass bis auf Weiteres keine Bestellungen bzw. Abrufe von Schutzmasken bei der Hygiene Austria über die BBG möglich sind, wie die Gesellschaft Mittwochnachmittag auf APA-Anfrage mitteilte. Hygiene Austria sei nur einer von mehr als 30 Auftragnehmern im Bereich FFP2-Schutzmasken. Wie viele Masken die BBG bei dem Unternehmen in Auftrag gegeben hat und für welche Behörden oder staatsnahe Betriebe sie bestimmt waren, wollte die BBG auf Anfrage nicht verraten.

Die Stadt Wien gab unterdessen bekannt, keine Masken von Hygiene Austria bezogen zu haben. Die ÖBB haben hingegen 576.000 FFP2-Masken mit CE-Siegel über die Bundesbeschaffungsagentur von der Hygiene Austria erworben. Von diesen sind noch 360.000 Masken auf Lager, sagte ein ÖBB-Sprecher auf APA-Anfrage. Nun lasse man Stichproben vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Dabei werde insbesondere die Filterwirkung der Masken überprüft.

FPÖ fordert umfassenden Rückruf

Die FPÖ forderte angesichts der Vorwürfe einen umfassenden Rückruf. Die Menschen „atmen durch diese Maske ein“, und man müsse sicherstellen, dass keine Gesundheitsgefährdung bestehe, so FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die Behörden müssten Stichproben nehmen und die Masken untersuchen, ob sie den Wirkungskriterien entsprechen.

Konsumentenschützer Peter Kolba ortete indes „irreführende Werbung“: „Grundsätzlich ist eine falsche Herkunftsbezeichnung irreführende Werbung. Das ist relevant nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)“, sagte der Obmann des Verbraucherschutzvereins (VSV) zur APA. Klagen dagegen sind möglich, Sammelklagen eher unwahrscheinlich. Auch der Verein für Konsumentenschutz (VKI) sprach von Irreführung – mehr dazu in help.ORF.at.