Impfstoff von Astrazeneca
Reuters/Hannibal Hanschke
AstraZeneca

Impfgremium empfiehlt Vakzin für Ältere

Nach anfänglichem Zögern haben zuletzt mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland, Schweden und Dänemark, den CoV-Impfstoff von AstraZeneca auch für über 65-Jährige freigegeben. Am Freitag folgte das Nationale Impfgremium (NIG) und gab das Vakzin ohne Alterslimit und auch für Risiko- und Hochrisikopersonen frei.

Mehrere Bundesländer hatten sich zuletzt mehrfach dafür ausgesprochen. Am Freitag trat die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für mehr Tempo bei der allgemeinen Freigabe des Impfstoffes ein. Am Tag zuvor sprach sich ihr steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer (ÖVP) dafür aus. Er wollte aber keinen steirischen Alleingang. Wien war bereits vorgeprescht und startete diese Woche mit dem AstraZeneca-Impfstoff auch bei über 65-Jährigen. Man müsse nicht auf die „formalen, gedruckten Publikationen“ warten, hieß es vonseiten des Wiener Gesundheitsverbundes.

Das Nationale Impfgremium wollte bisher mit einer uneingeschränkten Freigabe noch auf die finalen „Peer-Review“-Studienpublikationen in Fachblättern warten und hatte das noch am Montag bekräftigt. Die Vorgangsweise in Wien sei „auf keinen Fall falsch“, meinte die Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt, Mitglied des NIG, dann am Mittwoch nach der Entscheidung Wiens, AstraZeneca bei Älteren bereits einzusetzen.

 Ursula Wiedermann-Schmidt
APA/Hans Punz
Der Impfstoff von AstraZeneca funktioniere „sehr gut“, so Wiedermann-Schmidt

Ministerium: Einschränkung nicht mehr notwendig

Der Impfstoff sei von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) für über 18-Jährige ohne Altersobergrenze zugelassen, so Wiedermann-Schmidt. Noch nicht abgeschlossene Studien zeigten, dass das Vakzin „sehr gut“ funktioniere. Bisher hieß es aber vonseiten des Impfgremiums nur, dass bei logistischen Problemen nichts gegen eine Anwendung des Impfstoffes von AstraZeneca auch bei Menschen über 65 Jahren spreche. Nun ging die uneingeschränkte Freigabe des Vakzins aber offenbar doch auch auf nationaler Ebene schneller als angekündigt.

Aufgrund der vorliegenden Daten aus großen Anwendungsstudien, die in den vergangenen Tagen vorveröffentlicht worden seien, sei eine Einschränkung nun nicht mehr notwendig, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. „Die Impfkampagne wird damit weiter an Fahrt aufnehmen“, sagte Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) am Freitag.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte noch für Freitag Gespräche mit den Ländern zu den Impfungen an. Man sei dem Ziel, jedem Menschen in Österreich bis in den Sommer einen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, nun ein weiteres Stück näher, so Anschober: Die Daten zeigten, dass es sich um einen „hoch wirksamen und sicheren Impfstoff“ handle.

„Mehr Mut zur Lücke“

Zuletzt hatte es in mehreren Ländern in der Bevölkerung Skepsis gegenüber dem AstraZeneca-Impfstoff gegeben. Wiedermann-Schmidt bezeichnete diese Debatte im „Presse“-Interview als „Luxusdiskussion“: „Denn eigentlich sollten wir glücklich sein über die verfügbaren Impfstoffe, denn jeder von ihnen baut eine Grundimmunität auf – und zwar bei allen Menschen.“ Wenig abgewinnen kann sie der Idee, die Bevölkerung nur einmal zu impfen. Das könne das „Tor für Mutationen öffnen“.

Die Datenlage gebe aber mehr und mehr her, dass von Covid-19 Genesene nur einmal geimpft werden müssten. Eine klare Empfehlung dafür gibt es vom Impfgremium nicht, weil es noch keinen Nachweis für alle Altersgruppen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen gebe. Wiedermann-Schmidt spricht sich hier aber für „mehr Mut zur Lücke, aber auch für mehr Mut zur Korrektur aus, sollten neue Erkenntnisse geliefert werden“.

Umfassende Studie aus USA erwartet

Durch die Kooperation mit der Universität Oxford gab es bereits viele Publikationen zu Studien mit dem seit Ende Jänner in der EU für alle Altersgruppen ab 18 Jahren zugelassenen Impfstoff. Zur uneingeschränkten Empfehlung des Impfstoffs ab 65 Jahren lagen einigen nationalen Behörden – darunter in Österreich – jedoch noch zu wenige Daten ab diesem Alter vor.

In den kommenden ein, zwei Wochen wird zudem eine große Studie zum AstraZeneca-Impfstoff aus den USA erwartet. Die Daten werden laut dem Pharmakonzern mehr als 30.000 Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen umfassen, wobei 20.000 den AstraZeneca-Impfstoff und 10.000 ein Placebo erhielten. 25 Prozent der Probanden waren älter als 65 Jahre.

Wirksamkeit bei Mutationen untersucht

Zudem werden aus den weltweiten Studien in mehreren Ländern mit insgesamt 60.000 Probanden unter anderem noch genauere Details zur Wirksamkeit gegen die neuen Virusvarianten erwartet. Erste Daten von wenigen jungen Probanden aus Südafrika hatten auf eine reduzierte Wirksamkeit gegen die dort erstmals aufgetauchte Mutation hingedeutet. AstraZeneca ist jedoch nach wie vor zuversichtlich, dass der Impfstoff bei Menschen, die mit der erstmals in Südafrika aufgetretenen Mutation infiziert werden, vor schweren Erkrankungen, Hospitalisierungen und Todesfällen schützt.

Mehr Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet

Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut, das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständig ist, nahm in einem am Donnerstagabend veröffentlichten Sicherheitsbericht zum AstraZeneca-Vakzin Stellung zu den vermehrt gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen. Die Melderate unerwünschter Reaktionen wie Fieber, Schüttelfrost und grippeähnlicher Beschwerden sei bei AstraZeneca „vergleichsweise höher“, so das Institut.

Daraus könne aber „nicht zwangsläufig auf eine höhere Reaktogenität (Nebenwirkungen, Anm.) des Impfstoffes geschlossen werden“. Diese höhere Melderate könne auch mit der erhöhten medialen Aufmerksamkeit für diesen Impfstoff und den unterschiedlichen Altersgruppen der Geimpften zusammenhängen. Das Paul-Ehrlich-Institut hält den AstraZeneca-Impfstoff für ebenso gut wie die Vakzine von Biontech und Pfizer sowie Moderna.