FFP2-Maske von Hygiene Austria
APA/Hans Klaus Techt
Maskenhersteller

Politik macht Druck in Causa Hygiene Austria

Die Causa um den österreichischen FFP2-Maskenhersteller Hygiene Austria hat die Politik auch am Freitag beschäftigt. Während SPÖ und NEOS Aufklärung forderten, forderte die FPÖ gleich eine Neuwahl. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sah indes keine Verantwortlichkeit der Politik. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) will alle rechtlichen Mittel in dem Fall ausschöpfen.

Kurz sah keine politischen Verfehlungen in Sachen Hygiene Austria, das einen Teil seiner CoV-Schutzmasken in China fertigen ließ. Kurz, der selbst einen Betriebsbesuch bei dem Joint Venture von Lenzing und Palmers absolviert hatte, sagte am Freitag auf Journalistenfragen, ob auch er hinters Licht geführt worden sei: „Wenn es hier Betrug gibt, dann sind wir alle betrogen worden.“

Hygiene Austria habe große private Kunden wie die Supermärkte in Österreich beliefert. Auch die Bundesbeschaffungsagentur habe bei der Firma eingekauft, das Bundeskanzleramt selbst aber nicht. Kurz sagte, er sehe daher keine Verantwortlichkeit der Politik, verlangte aber „volle Aufklärung“. Die Ermittlungen führt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Kurz und die ÖVP in den vergangenen Wochen wegen der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) stark angegriffen hatten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Polymun Scientific-Geschäftsführer Dietmar Katinger
APA/Herbert Neubauer
Bundeskanzler Sebastian Kurz bei seiner Pressekonferenz

Eine politische Dimension hat die Causa durch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Firma ein Verwandter der Büroleiterin von Kurz ist. Das Auftragsbuch von Hygiene Austria war dicht gefüllt, galt es doch alle namhaften Supermarktketten mit zig Millionen FFP2-Masken „made in Austria“ zu beliefern. Nach einer Razzia gab die Firma zu, auch Masken aus China bestellt zu haben, um der Nachfrage nachzukommen. Kunden und Öffentlichkeit wussten das aber nicht.

FPÖ: Regierung trägt Mitverantwortung

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sieht nach den jüngsten Medienberichten „eine Reihe von fragwürdigen Vorgänge“ rund um Hygiene Austria. Warum sei das Unternehmen für die FFP2-Maskenlieferung für Senioren trotz höheren Preises überhaupt in Betracht gezogen worden, fragte er in einer Aussendung. Wissen wollte er auch, ob es den Versuch der Bevorzugung von Hygiene Austria durch die Bundesregierung bei der Auftragsvergabe gab und ob ein Zusammenhang mit der persönlichen Beziehung zwischen Firmenführung und Umfeld des Kanzlers bestehe.

Für die FPÖ ist der Skandal ein Grund für einen politischen Wechsel. Parteichef Norbert Hofer bezeichnete am Freitag in einer Aussendung eine Neuwahl des Nationalrats als „überfällig“. „Die österreichische Bundesregierung trägt eine Mitverantwortung.“ Die Causa um Hygiene Austria scheine zudem ein „großangelegter Betrug auf dem Rücken der Steuerzahler“ zu sein.

Die SPÖ und auch NEOS wollen nächste Woche im „kleinen Untersuchungsausschuss“ zur Beschaffungspolitik in der Pandemie auch die Causa Hygiene Austria thematisieren. So soll etwa hinterfragt werden, warum für den Versand von FFP2-Masken an über 65-Jährige über einen geheimen Ministerratsbeschluss indirekt versucht worden sei, den Auftrag einem heimischen Anbieter zukommen zu lassen, so der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak und NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos am Freitag.

Hygiene Austria kam bei Vergabe nicht zum Zug

Laut einem Bericht des „profil“ (Onlineausgabe) war im November das Projekt „65+“ im Ministerrat besprochen worden. Allerdings wurde der entsprechende Ministerratsvortrag nicht veröffentlicht. Bei den Gesprächen im Vorfeld sei dazu als einziger österreichischer Anbieter die Hygiene Austria mit am (virtuellen) Tisch gesessen. Zwar wäre im Ministerrat dann selbst keine Festlegung auf die Provenienz der FFP2-Masken getroffen worden.

Laut einem Schreiben einer Spitzenbeamtin an die Kabinettschefin von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wäre jedoch „am Rand deutlich kommuniziert“ worden, dass „die Bundesregierung in diesem Vorhaben gerne österreichische Firmen/Produkte beschaffen würde“. Im Endeffekt kam dann aber wegen des deutlichen Preisunterschieds doch nicht die Hygiene Austria zum Zug, sondern ein österreichischer Händler mit CE-zertifizierter Ware aus China.

NEOS: Noch nicht primär ein ÖVP-Skandal

Scherak ortete bei einer Pressekonferenz ein „umfassendes Transparenzproblem“. Auch Hoyos fragte sich: „Warum beschäftigt sich ein Ministerrat mit Beschaffungskriterien?“ Dafür habe man schließlich die Bundesbeschaffungsagentur (BBG). „Warum soll das geheim sein, 17 Mio. Masken in einer Pandemie zu beschaffen? Dafür gibt es keine logische Erklärung.“

Weitere Frage: „Warum ist es ein Kriterium, dass diese Masken aus Österreich kommen?“, so Hoyos. „Hauptkriterium müsste doch sein, dass man sagt, dass diese Masken sicher sind – nicht, dass man sagt, diese Masken kommen aus Österreich und haben oben einen schönen roten Punkt.“ Es könne auch nicht sein, dass man sich mit Unternehmen im Vorfeld einer Ausschreibung zusammensetze und die Kriterien bespreche. „Dass das dann am Ende abgedreht wurde, ist die eine Sache“, so Hoyos: „Aber wie kann es erst so weit kommen?“

Im Endeffekt zeige der Vorgang auch, wie wichtig konsequente öffentliche Auftragsvergaben wären, so Scherak. Die Rechtfertigung der Direktvergabe wegen des Zeitdrucks ließ er nicht gelten. „Das ist skurril im Bezug auf die FFP2-Masken.“ Derzeit würden gerade die letzten Masken bei den über 65-Jährigen ankommen. So hoch könne der Zeitdruck also nicht gewesen sein. Einen direkten Konnex zur ÖVP wollte Hoyos vorerst nicht herstellen. „Der Hygiene-Austria-Skandal ist noch nicht primär ein ÖVP-Skandal. Aber natürlich kommen wir da Schritt für Schritt näher.“

Sobotka will alle rechtlichen Mittel ausschöpfen

Auch im Parlament kamen FFP2-Masken von Hygiene Austria zum Einsatz, und zwar knapp 23.000 Stück um rund 32.000 Euro. Nationalratspräsident Sobotka beauftragte nun die Parlamentsdirektion mit der rechtlichen Prüfung. Es sollen alle Ansprüche überprüft werden, die gegenüber dem Hersteller gemacht werden können, hieß es in einer Aussendung am Freitag.

„Wenn eine Bestellung im Vertrauen darauf erfolgt, dass die Kennzeichnung ‚Made in Austria‘ den Tatsachen entspricht, und dann der Verdacht einer vorgetäuschten Herkunftsbezeichnung besteht, kann das nicht ohne Folgen bleiben“, so der Nationalratspräsident. „Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, werden wir jedes rechtliche Mittel ausschöpfen, um uns für eine Irreführung schadlos zu halten.“ Die Parlamentsdirektion will sich dabei mit der Finanzprokuratur abstimmen.

„Problem ist das falsche Versprechen“

In der Causa war zuletzt unklar, ob die Prüfung der Masken durch ein Schweizer oder ein ungarisches Institut gemacht wurde. Laut Angaben des neuen Sprechers für die Hygiene Austria, Johannes Vetter, sind beide Institute in Prüfungen involviert. Das CE-Kennzeichen der Masken wurde in Ungarn gemacht, ein Schweizer Institut übernahm die Qualitätskontrolle für die zugekauften chinesischen Masken, sagte Vetter am Freitag zur APA.

Zur Zeit der Erstellung des CE-Kennzeichens habe es kein österreichisches Institut gegeben, das dies gemacht hätte, begründete der Sprecher den Gang des Maskenherstellers nach Ungarn. Die Schweizer Firma SGS habe eine Dependance in Österreich. Qualitätsmäßig sei zwischen den chinesischen und österreichischen Masken kein Unterschied, so der Sprecher. „Das Problem ist das falsche Versprechen für diese Tranche“ – nämlich das Versprechen „Made in Austria“.

Nur 15 Prozent „made in Austria“?

„Bei Hygiene Austria soll unter widrigen Umständen produziert worden sein“, heißt es indes mit Verweis auf eine als „Informant“ bezeichnete Person beim „Standard“. Die Rede ist von „Schwarzarbeit, chinesischen Masken und schlechten Arbeitsbedingungen“ – und von „dubiosen Zeitarbeitsfirmen“. Diese seien den „Standard“-Angaben zufolge allesamt „frisch gegründet und haben zugekaufte gewerberechtliche Geschäftsführer“.

Schließlich stellt die Zeitung auch eine mutmaßliche Vorgabe in den Raum, wie fremde mit heimischen Maskenware vermischt werden sollte. Auf 17 China-Masken seien drei aus Österreich gekommen – das wären lediglich 15 Prozent „made in Austria“.

Konkurrenz sieht Wettbewerb stark verzerrt

Im „Kurier“ ist von möglichem unlauteren Wettbewerb in dem lukrativen Millionenbusiness die Rede, die Konkurrenz sieht den Wettbewerb stark verzerrt. Mitbewerber, die Qualität „made in Austria“ angeboten hätten, fühlten sich betrogen. Medien spekulieren nun, dass die Branche von Anfang an Zweifel an der Korrektheit des Deals gehabt habe. Es sei de facto unmöglich, ein Qualitätsprodukt aus Österreich in solcher Stückzahl kostendeckend für unter einen Euro anzubieten.

Maskenhersteller verärgert über Hygiene Austria

Konkurrenten des Maskenherstellers Hygiene Austria kritisieren das vermutete Preisdumping und die Qualität der FFP2-Masken von Hygiene Austria.

Durch die niedrigen Preise, die Hygiene Austria für seine Masken verlangt hat, sei nach Angaben der Grazer Firma Aventrium der österreichische Markt zusammengebrochen. Bei Aventrium habe man sich zu Beginn der FFP2-Maskenpflicht im Jänner noch über gute Absätze gefreut und in neue Maschinen investiert hat, nun bleibe man beinahe auf seinen Masken sitzen. Sieben Millionen Stück warten auf Abnehmer. Der Mitarbeiterstand musste von 150 auf 80 reduziert werden – mehr dazu in steiermark.ORF.at