Intensivstation des Universitätsklinikums Tulln
APA/Helmut Fohringer
CoV-Zahlen steigen

Sorge vor wachsender Belastung in Spitälern

Fachleute warnen: Die anhaltend hohe Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen droht zur zunehmenden Belastung für die Krankenhäuser zu werden. Besonders die Ausbreitung der infektiöseren Virusvarianten – allen voran B.1.1.7 – lasse „eine Dynamik entstehen, die natürlich auch in den Spitälern aufschlägt“, sagte Geschäftsführer Gesundheit Österreich GmbH, Herwig Ostermann, gegenüber Ö1.

Am Freitag kletterte die 7-Tage-Inzidenz in Österreich laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf knapp über 173. Die Zahl der Personen, die wegen einer CoV-Infektion im Spital behandelt werden müssen, stieg auf 1.142. Mehr als 300 Menschen müssen wegen Covid-19 nach wie vor auf der Intensivstation betreut werden.

Fachleute rechnen mit einem weiteren Steigen der Zahlen. Bis 17. März könnte die 7-Tage-Inzidenz auf 228 anwachsen und sich die Zahl der Intensivpatientinnen und -patienten auf 420 erhöhen, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des „Covid-Prognose-Konsortiums“. Auf Normalstationen wird von dem Konsortium ein Anstieg des Belages auf 1.551 erwartet.

Isolierstation des Universitätsklinikums Tulln
APA/Helmut Fohringer
Die Sorge wächst, dass sich die Lage in den Spitälern ähnlich dramatisch entwickeln könnte wie im Herbst

Ostermann betonte gegenüber Ö1, dass man noch Reserven habe. „Der Kipppunkt – das wissen wir aus der zweiten Welle – liegt irgendwo in der Größenordnung von 700, 800 Betten“, die mit Covid-19-Kranken belegt seien. Bereits gestiegen ist die Zahl der Covid-19-Intensivpatientinnen und -patienten in Spitälern in Wien und Niederösterreich. Fachleute warnen bereits vor einer Überlastung – mehr dazu in wien.ORF.at und noe.ORF.at .

Anstieg nicht auf verstärktes Testen zurückführbar

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnete die Prognose des „Covid-Prognose-Konsortiums“ am Donnerstag als „alarmierend“. Die Situation, mit der fast bundesweit dominanten, ansteckenderen erstmals in Großbritannien entdeckten Variante (B.1.1.7) und den entsprechend steigenden Fallzahlen erinnere ihn an den vergangenen Herbst.

Die Zunahme der Fallzahlen sind laut Ostermann nicht auf die deutlich ausgeweiteten Testkapazitäten zurückzuführen. Während man mit den bisherigen Eindämmungsmaßnahmen die Ausbreitung des „Wildtyps“ im Griff habe, sei das bei B.1.1.7 anders. Die Variante sei laut aktuellen Berechnungen um 23 Prozent infektiöser, so Ostermann gegenüber Ö1. „Bei der ursprünglichen Variante steckt eine infizierte Person eine weitere an. Bei der Mutation sind es aktuell 1,2 bzw. 1,3.“

Gesundheitsminister warnt vor „dramatischer Situation“

In Österreich steigt die Zahl der CoV-Infektionen weiterhin. Gesundheitsminister Anschober (Grüne) zeigte sich „alarmiert“.

Rotkreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik sprach gegenüber der „Kleinen Zeitung“ davon, dass die „Verdoppelungsrate“ etwa zwei Wochen betrage. „Wenn das so weitergeht, haben wir in 14 Tagen, wenn die Öffnungsschritte in Vorarlberg wirksam sein sollen, 4.000 bis 5.000 Neuinfektionen“, am Palmsonntag-Wochenende „dann 8.000 bis 10.000. Das ist viel zu viel, weil viel zu viele Menschen schwer krank werden, wenn sich so viele infizieren“, sagte Foitik.

Weitere Lockerungen: Regierung legt sich nicht fest

„Das Ruder zeigt leider in die falsche Richtung“, sagte der Gesundheitsminister. Gelinge es nicht, die Zahlen zu senken oder zumindest zu stabilisieren, „droht eine dramatische Situation“. Die Frage, ob man unter derartigen Umständen die am Montag in Aussicht gestellten Öffnungsschritte im Laufe des Monats tatsächlich gehen könne, ließ Anschober offen. Am 15. März werde evaluiert.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) legte sich am Freitag nicht fest, ob es vor Ostern weitere Lockerungen geben wird. Über Anschober, der sich am Vortag angesichts der Prognosen der Epidemiologen „alarmiert“ gezeigt hatte, sagte Kurz: „Wir divergieren hier nicht.“ Der Kanzler erklärte, er wolle nicht täglich über die Infektionszahlen philosophieren und für Verunsicherung sorgen. „Niemand kann eine Prognose abgeben.“ Kurz verwies darauf, regelmäßig mit Fachleuten und den Ländern zu beraten.

Verschärfungen statt Lockerungen?

Bis zum 15. März müsse man „alles daran setzen, dass sich der vergangene November nicht wiederholt“, so Anschober. Die Voraussetzungen seien nicht zuletzt durch die kommenden höheren Temperaturen und die Impfungen, bei denen man jetzt mehr Tempo machen könne, dieser Tage jedoch deutlich besser als noch im Herbst.

Um die düsteren Zuwachsprognosen abzufedern, habe man am Mittwochabend eine Gesetzesnovelle in Begutachtung geschickt, die „zusätzliche Handlungsmöglichkeiten“ eröffne, so Anschober. Dazu gehört etwa die Testverpflichtung für weitere Berufsgruppen. In Bezirken mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 400 sollen die bereits angewandten Ausreisetestungen verstärkt zum Einsatz kommen.

Intensivstation der Innsbrucker Uniklinik
APA/Tirol Kliniken/Schwamberger
Man müsse „alles daran setzen, dass sich der vergangene November nicht wiederholt“, sagte Gesundheitsminister Anschober

Bundesrettungskommandant Foitik plädierte gegenüber der „Kleinen Zeitung“ erneut für eine „Zielinzidenz“ von 25 oder 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Es sei „besser, dieses Ziel durch einen harten, kurzen Lockdown zu erreichen als durch einen permanenten leichten Lockdown“, so Foitik. Die Ampelkommission hatte vorgeschlagen, ab einer Inzidenz von 200 Lockerungen zurückzunehmen.

Bei diesem Wert müsse man „beherzt darüber nachdenken“, wie man die Pandemie wieder unter Kontrolle bringen kann, sagte Kommissionsmitglied Ostermann zu Ö1. Komme man über ein gewisses Inzidenzniveau, werde es immer schwieriger, die Dynamik einzubremsen. Dann wären womöglich noch restriktivere Maßnahmen erforderlich.

Wiedermann-Schmidt skeptisch

Die wissenschaftliche Leiterin des nationalen Impfgremiums, Ursula Wiedermann-Schmidt, hält es angesichts der „sehr beunruhigenden“ Infektionszahlen derzeit für verfrüht, weitere Lockerungen anzudenken. Jetzt gelte es, beim Impfen „anzugasen“ und viel zu testen. Denn „es scheint so zu sein, dass wir auf eine dritte Welle zusteuern“, sagte sie in der ZIB2. Die Vakzinologin rechnet damit, dass Impfstoffe bald auch für Jugendliche zugelassen werden.

Impfgremiums-Leiterin zur CoV-Lage

Immunologin Wiedermann-Schmidt kommentiert die aktuellen CoV-Zahlen in Österreich und die CoV-Maßnahmen der Bundesregierung.

Die Studien über den Einsatz der Coronavirus-Impfstoffe bei unter 16- bzw. 18-Jährigen (Biontech/Pfizer ist ab 16, die anderen sind ab 18 zugelassen) seien im Laufen. „Wir werden hoffentlich bald erste Ergebnisse haben“, sagte Wiedermann-Schmidt am Freitag. Impfstoffe könnten nur auf Basis von Studien zugelassen werden – und da habe man sich anfangs auf die Hochrisikogruppe der älteren Menschen konzentriert. Aber das werde sich „bald ändern“, sagte die Vakzinologin – auch im Hinblick darauf, dass sich das Coronavirus zuletzt besonders stark unter den Fünf- bis 24-Jährigen verbreitet hat.

Impfungen seien – wegen der Knappheit der Impfstoffe – derzeit allerdings noch nicht das Allheilmittel. Deshalb müssten „in den nächsten Wochen alle zusammenhelfen“, damit die Infektionszahlen und vor allem die Auslastung der Intensivstationen nicht weiter ansteigen, appellierte Wiedermann-Schmidt für die Einhaltung der Maßnahmen. Die Entscheidung, ob Lockerungen zurückgenommen werden, obliege dem Gesundheitsminister, legte sich die wissenschaftliche Leiterin des nationalen Impfgremiums nicht fest, ob das nötig sein wird – sie merkte aber an, dass man bei zu starkem Anstieg der Intensivpatienten gegensteuern müsse.