Labor zur DNA-Sequenzierung
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B.1.1.7 dominant

Anschober fürchtet „Pandemie in Pandemie“

Keine guten Nachrichten inmitten der Debatte über Öffnungsschritte: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) teilte am Samstag mit, die Virusvariante B.1.1.7 habe sich innerhalb weniger Wochen im Land durchgesetzt. Sie sei um rund 23 Prozent ansteckender als der Wildtyp – es drohe eine „Pandemie in der Pandemie“, so Anschober.

Österreich führe „ein in Europa einzigartiges“ Virusscreening durch, so Anschober in einer Aussendung. Inzwischen seien 43.849 Proben nach einem positiven Test auf Mutationsverdacht untersucht worden, mittlerweile werde sogar jede Positivprobe entsprechend geprüft. Dabei sei herausgekommen, dass die ursprüngliche Variante von SARS-CoV-2 von 61,5 Prozent Anfang Februar auf 36,3 Prozent Ende Februar zurückging. Die Variante B.1.1.7, die zuerst in Großbritannien aufgetreten ist, dominiere inzwischen mit einem Anteil von 58,4 Prozent.

„Für Österreich ist diese Dominanz der britischen Variante keine gute Nachricht. Sie ist deutlich ansteckender als das Stammvirus, nach den aktuellen Berechnungen in Österreich um 23 Prozent“, so Anschober. Das schlage sich im Ausbreitungsgeschehen nieder: Das Stammvirus liege bei der Reproduktionszahl von rund 1, die „britische“ Variante hingegen bei 1,23. Das sei „ein alarmierend hoher Wert. Je stärker daher die Ausbreitung der britischen Variante, desto höher das Ansteckungsrisiko in Österreich“, sagte Anschober.

Unter den Mutanten seien inzwischen 11.576 Fälle der „britischen“ Variante festgestellt worden und 454 Fälle der „südafrikanischen“ Version B.1.351. Die Ausnahme bildet der Tiroler Bezirk Schwaz, in dem nach wie vor B.1.351 dominiert. Dort sei aber nun ein Rückgang zu verzeichnen.

Hohe Infektionszahlen

Bereits jetzt sind die Infektionszahlen in Österreich hoch und drohen, zur Belastung für die Krankenhäuser zu werden. Die Virusvarianten ließen „eine Dynamik entstehen, die natürlich auch in den Spitälern aufschlägt“, sagte der Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH, Herwig Ostermann, am Freitag.

Anschober appellierte nun einmal mehr, die bekannten Schutzmaßnahmen einzuhalten: Abstand, Maske, Kontaktbeschränkung. Gegengesteuert werde zudem mit Sicherheitsmaßnahmen in besonders stark betroffenen Bezirken, etwa mit den Ausreisetestungen und polizeilichen Schwerpunktkontrollen in Gemeinden mit hohen Zuwächsen.

Der Minister verwies weiters auf die Einführung von Präventionskonzepten in Betrieben mit über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einen Ausbau der FFP2-Verpflichtung und noch mehr Testungen. „Wir alle entscheiden mit unserem Tun, ob wir trotz der Dominanz der ansteckenderen Virusvariante gut bis Ostern durch die Krise kommen. Denn nach Ostern sollte es leichter werden: durch höhere Temperaturen, weniger Aufenthalt in geschlossenen Räumen und durch eine raschere Durchimpfung der Bevölkerung.“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Gesundheitsminister Anschober warnt vor der starken Ausbreitung der Variante B.1.1.7

„Grüner Impfpass“ soll europäisch sein

Aktuell stehe man bei rund 800.000 Impfungen, hieß es. In den nächsten Wochen werde das Tempo durch deutlich höhere Mengen gesteigert. „Im März werden die Liefermengen im Vergleich zu Jänner und Februar verdreifacht, ab April dann nochmals verdoppelt“, so Anschober.

Dass Österreich nach einer Impfstoffkooperation mit Israel strebt, wollte Anschober am Samstag im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ nicht als Kritik an der EU verstanden wissen. „In Pandemiezeiten ist es wichtig, zusätzliche Kooperationen auch über die EU hinaus zu entwickeln“, so der Gesundheitsminister. „Zu Beginn der Pandemie hat es wiederholt internationale Kontakte zu Israel und anderen Staaten auch außerhalb des EU-Raums gegeben. Wir wollen so intensiv wie möglich zusammenarbeiten, auch im Bereich Wissenschaft und Forschung. Die Pandemie kennt keine Grenzen“, sagte Anschober.

Ein möglicher „grüner Impfpass“, wie er derzeit diskutiert wird, solle aber auf europäischer Ebene entstehen, sagte Anschober der Zeitung. Es sei notwendig, dass Europa sich zu gemeinsamen Standards entschließe. „Wir erwarten uns, dass dieser Pass in ganz Europa gültig ist“, sagte der Minister. Das sei der beste Weg für die „Rückkehr zu einem normalen Leben“.

Post von der Sozialversicherung

Damit sich möglichst viele Personen der Risikogruppe impfen lassen, wird ab 1. April ein „Motivationsschreiben“ versandt. 150.000 bis 200.000 Menschen, die noch keinen Eintrag im E-Impfpass haben, werden vom Dachverband der Sozialversicherungen angeschrieben. Zwar werde das Schreiben keinen Termin an sich vermitteln, aber bei einem solchen als Nachweis zur Risikogruppenuugehörigkeit dienen, sagte Peter Lehner, der Vorsitzende des Dachverbands, gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“ (Samstag-Ausgabe).

Trägerplatte für Testmaterial zur DNA-Sequenzierung
APA/Roland Schlager
Testmaterial zur DNA-Sequenzierung: Durch die Methode lassen sich Varianten erkennen

Die Risikokandidaten und -kandidatinnen wurden auf Basis ihrer Medikamentenverschreibung vonseiten der niedergelassenen Ärzteschaft ausgemacht. Der Impfreferent der Ärztekammer, Rudolf Schmitzberger, sagte der Zeitung, mit April solle der Impfstoff in die Ordinationen kommen. Die Stadt Wien plant laut „Presse“, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Termine, die zentral über das Impfservice vergeben werden, übernehmen und auch selbst Termine vergeben sollen. Nicht geplant sei, dass dort dann der Biontech-Impfstoff verimpft wird. Das sei zu kompliziert, sagte ein Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats, in Arztpraxen werde nur AstraZeneca verimpft.