Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder auf einem Bildschirm und im Vordergrund NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet
Reuters/Federico Gambarini
Maskenskandal und Pannen

CDU/CSU im Superwahljahr unter Druck

Heuer stehen in Deutschland sechs Landtagswahlen und die Bundestagswahl an. Zum Auftakt des Wahljahrs gerät die Union aus CDU und CSU ins Schleudern. Zwei Bundestagsabgeordnete sind in Affären rund um Maskendeals verwickelt. Die Rufe, „reinen Tisch“ zu machen, werden nun auch in Bayern laut.

Georg Nüßlein und Nikolas Löbel – die beiden Abgeordneten sorgen derzeit für grobe Missstimmungen in der Union. Sie sollen Provisionen in sechsstelliger Höhe für die Vermittlung von Geschäften mit Coronavirus-Schutzmasken kassiert haben. Gegen den bisherigen Fraktionsvizechef Nüßlein von der CSU wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt.

Der erkärte am Sonntagabend mit sofortiger Wirkung seinen Austritt aus der Unionsfraktion. Sein Bundestagsmandat will er aber bis zum Ende der Wahlperiode behalten – trotz laufender Korruptionsermittlungen und gegen den erklärten Willen der Fraktionsführung. Das kündigte Nüßlein in einer persönlichen Erklärung an, die sein Anwalt am Sonntagabend übermittelte.

„Öffentliche Vorverurteilung“

„Die öffentliche Vorverurteilung meiner Person hat ein Maß erreicht, das für mich, aber vor allem auch für meine Partei unerträglich ist“, heißt es darin. Es sei ihm „ein Herzensanliegen“, jeglichen politischen Nachteil von seiner Partei abzuwenden. „Deshalb habe ich entschieden, dass ich aus der CDU/CSU-Fraktion mit sofortiger Wirkung austrete, und habe soeben die Fraktionsführung hierüber informiert.“

Hintergrund sind Vorwürfe, Nüßlein könnte über eine Beratungsfirma mehr als 600.000 Euro für die Vermittlung staatlicher Aufträge an einen Maskenhersteller kassiert haben. Der Bundestag hatte einstimmig die Immunität Nüßleins aufgehoben. Sein Anwalt wies die Vorwürfe zurück.

Löbel will sich erst im Sommer zurückziehen

Der CDU-Parlamentarier Löbel kündigte am Sonntag an, seine politische Karriere vorerst zu beenden. Der 34-Jährige sagte, er werde sein Bundestagsmandat Ende August niederlegen und nicht mehr für den nächsten Bundestag kandidieren. Zugleich werde er seine Mitgliedschaft in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sofort beenden. Löbel gestand ein, die Ansprüche an seine Ämter verletzt zu haben. „Dafür möchte ich mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes entschuldigen.“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel
AP/Markus Schreiber
Abschied nach 16 Jahren: Was nach der Ära Merkel mit der Union passiert, ist offen.

Löbel hatte am Freitag eine Beteiligung an Geschäften mit Schutzmasken eingeräumt. Löbels Firma kassierte Provisionen von rund 250.000 Euro, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen vermittelt hatte.

Weitere Ermittlungen

Für CDU und CSU kommen die Skandale zur Unzeit, zumal sie zuvor schon mit diversen Affären von Mitgliedern zu kämpfen hatte. Auch gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Axel Fischer wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Razzien gab es in sechs Objekten, darunter Fischers Bundestagsbüro. Vorausgegangen waren umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen, die sich gegen ehemalige und aktive Mitglieder des Bundestages richteten, die der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) angehört hatten.

„Ihnen wird vorgeworfen, in der Zeit zwischen 2008 bis 2016 unter anderem Gelder aus Aserbaidschan über britische Briefkastengesellschaften mit baltischen Konten erhalten zu haben“, hieß es in der Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft. „Damit verbunden war die Aufforderung, bei Anträgen und Abstimmungen zu verschiedenen Resolutionen sowie bei der Besetzung von Funktionen und Kommissionen des Europarates Einfluss im Sinne von Delegierten des Staates Aserbaidschan zu nehmen.“ Fischer bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in der „Augsburger Allgemeinen“ als „haltlos“.

Geschlossene Rücktrittsaufforderungen

Die Union reagiert auf die Skandale angesichts der anstehenden Wahlen mit Appellen, Verantwortung zu zeigen. Der CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet forderte die beiden Politiker zum sofortigen Rücktritt auf. „Wer als Volksvertreter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzüglich verlassen“, sagte Laschet dem „Südkurier“. „Jeder Abgeordnete, der sich an und in der Krise bereichert, beschädigt das höchste Gut der Demokratie: Vertrauen.“

„Es gibt überhaupt nichts schönzureden. Und Ämter ‚ruhen‘ zu lassen, reicht nicht“, schrieb Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die früher selbst CDU-Vorsitzende, auf Twitter. „Löbel und Nüßlein müssen vollständig zurücktreten und ihre Mandate im Bundestag umgehend niederlegen.“ Die Mannheimer CDU stellte Löbel ein Ultimatum zum vollständigen Rückzug bis zum Monatsende.

Auch CSU-Chef Markus Söder meldete sich zu Wort: „Es ist nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen“, schrieb er auf Twitter. Das sei mit den Grundwerten der Union unvereinbar. „Alle Betroffenen sollten umgehend reinen Tisch machen und grundlegende Konsequenzen ziehen – alles andere beschädigt das Vertrauen in die Politik.“

Kanzlerkandidatur offen

Die Haltung der Unions-Führungspersönlichkeiten angesichts der anstehenden Wahlen ist geschlossen. Am 14. März wählen bereits Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die beiden Landtagswahlen gelten als Auftakt des Superwahljahrs 2021 als wichtiger Stimmungstest. Im April wählt Thüringen, im Juni Sachsen-Anhalt. Das Finale findet Ende September mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und der Bundestagswahl an einem Tag statt.

Das Wahljahr markiert auch das Ende der Ära Angela Merkel nach 16 Jahren als CDU-Kanzlerin. Die Zukunft der Union ist danach offen, befürchtet werden neue Grabenkämpfe. Merkels favorisierte Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer konnte sich nicht durchsetzen. Für Laschet werden die Landtagswahlen zur großen Herausforderung, denn über die Kanzlerkandidatur ist noch nicht entschieden. Neben Laschet ist nach wie vor Söder im Gespräch.

Für beide sind die Skandale eine schwere Bürde. In einer Umfrage wurden am Wochenende schon Folgen sichtbar. Erstmals seit einem Jahr rutschten CDU und CSU im „Sonntagstrend“ der „Bild am Sonntag“ unter 2.410 Befragten auf 32 Prozent und damit unter ihr letztes Bundestagswahlergebnis von 32,9 Prozent.