Intensivmedizin: „Besorgniserregender Anstieg“ von Patienten

Die Zahl der Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf Österreichs Intensivstationen ist innerhalb von zwei Wochen um mehr als 23 Prozent gestiegen. Das ist ein deutlich stärkerer Zuwachs als bei den infizierten Spitalspatientinnen und -patienten insgesamt mit einem Plus von knapp elf Prozent. Die Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) sprach heute von einem „besorgniserregenden Anstieg“.

Die Dominanz der Virusvariante B.1.1.7 spiele „zweifellos eine wichtige Rolle“. Die deutlich leichtere Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch und die höhere Reproduktionszahl dieser Variante seien inzwischen durch wissenschaftliche Evidenz umfassend belegt. „Und ein Mehr an Infektionen führt naturgemäß auch zu einer stärkeren Belastung der Intensivstationen“, so ÖGARI-Präsident Klaus Markstaller von der MedUni Wien/AKH.

Regionale Unterschiede

„Die Situation wird wieder deutlich angespannter, wenn auch regional durchaus unterschiedlich stark“, sagte Markstaller. „Bei Anhalten des aktuellen Trends sind wir sehr rasch wieder so weit, dass noch stärker in den Krisenmodus umgeschaltet werden muss: also zum Beispiel durch das Verschieben von geplanten Operationen intensivmedizinische Kapazitäten frei gemacht werden müssen.“

Man sei auf alle Szenarien und Eventualitäten vorbereitet, sagte der Intensivmediziner. Die „spielentscheidenden Akzente für den Pandemieverlauf“ würden allerdings vorher gesetzt, so Markstaller: „Durch Impfungen, die bekannten Prophylaxemaßnahmen und die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten. Hier hat jede und jeder Einfluss auf den weiteren Verlauf. Leider richtet sich das Virus nicht nach einer allfälligen ‚Pandemiemüdigkeit‘.“

Auf längere Sicht reiche es nicht aus, dass nur extreme Belastungen abgewendet werden, sondern es sei erforderlich, an den Intensivstationen wieder vom Krisenmodus in Richtung einer weitgehenden Normalversorgung übergehen zu können.

Bessere Datenerhebung gefordert

Markstaller forderte auch eine bessere Datenlage. „Um die Zahlen der von Personen mit schweren Covid-19-Verläufen belegten Intensivbetten angemessen interpretieren zu können, ist eine einheitliche und klare Definition erforderlich.“

Aktuell sei nicht auszuschließen, dass es zu unterschiedlichen Zählweisen von Covid-19-Intensivpatientinnen und -Intensivpatienten kommt – etwa ob die Aufnahmediagnose Covid-19 für die Zuordnung relevant ist oder der aktuellen Status der Infektiosität.

Bergthaler: „Zusatzmaßnahmen“ statt Lockerungen

Proaktives Krisenmanagement und mehr Grundlagenforschung in allen Disziplinen forderte unterdessen auch Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf Twitter.

„Die dieswöchigen Zahlen werden zeigen, dass es statt Öffnungen gezielte Zusatzmaßnahmen gegen die dritte Welle braucht“, schrieb der Virologe. Er forderte eine Budgeterhöhung um 50 Prozent für den Wissenschaftsfonds FWF. Das wären rund 120 Millionen Euro, sagte Bergthaler.