Demonstranten bei einer Kundgebung gegen die Covid-19-Maßnahmen der Bundesregierung
APA/Herbert Pfarrhofer
Nach CoV-Demoauftritt

ÖVP fordert Kickls Rücktritt

Die ÖVP hat nach den Ausschreitungen bei den Coronavirus-Demos am Wochenende die FPÖ hart angegriffen. Generalsekretär Axel Melchior forderte den Rücktritt von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, der am Samstag Reden vor Kundgebungsteilnehmern geschwungen hatte. Angesichts von „Sieg Heil“-Rufen bei den Demonstrationen zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) „angewidert“.

Wie der Regierungschef am Montag im Rahmen der Sondersitzung des Nationalrats zum Frauentag ausführte, könne und solle man unterschiedliche Meinungen zur Coronavirus-Krise artikulieren. Eine „Hooligan-Mentalität“, die zu Gewalt und einem schwer verletzten Wachmann führt, sei aber „inakzeptabel“: „Es widert mich an. So etwas sollte in Österreich keinen Platz haben.“

Während Kurz die FPÖ nicht benannte, nahm sie sein Generalsekretär voll ins Visier. Kickl müsse umgehend von all seinen politischen Ämtern zurücktreten, forderte Melchior: „Kickls Bündnis mit Rechtsextremen gefährdet unseren Rechtsstaat und bringt die Gesundheit sowie die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher in Gefahr.“

Nehammer: Kickl erschwerte Polizeieinsatz

Sehr scharfe Worte fand Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Montagabend in oe24.TV: Dem „Ex-Innenminister“ Kickl hielt er laut Vorabaussendung vor, mit Reden „geprägt von Hass und Aggressivität“ den Polizeieinsatz erschwert zu haben. „Erbärmlich“ sei es, wenn Kickl Polizeibeamten die Schuld gebe, „dass Teilnehmer der Versammlung der FPÖ mit Gewalt eskaliert haben, Naziparolen geschrien haben, dass sie einen Menschen verletzt haben“. Ob künftige FPÖ-Veranstaltungen untersagt werden, werde im Einzelfall geprüft. Aber dass es genau nach einer solchen zu einer Ausschreitung kam, „wird in der Beurteilung zugrunde liegen“.

IKG: „Politische Verantwortung trägt FPÖ“

„Es ist eine gefährliche Entwicklung, bei der niemand tatenlos zusehen darf“, warnte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch. Antisemitische Verschwörungslügen und Rechtsextremismus hätten auf den Straßen Wiens nichts verloren, „sie führen letztlich zu physischer Gewalt“. Deutsch sieht die Verantwortung für die physische Gewalt zwar bei den Tätern und Täterinnen. „Die politische Verantwortung für die Eskalation jedoch tragen die FPÖ und Herbert Kickl“, sagte der IKG-Präsident.

Anhänger und Anhängerinnen der antisemitischen QAnon-Bewegung, rechtsextreme Organisationen und verurteilte Neonazis sowie „FPÖ-Scharfmacher“ hätten zwar auch „Tausende Menschen, die nicht allesamt Extremisten sind“, im Schlepptau gehabt, so Deutsch, aber: „Wer mit Antisemiten gemeinsame Sache macht, macht sich aber mitschuldig.“ Für den IKG-Präsidenten ist es „untragbar, dass Hitlergrüße auf offener Straße skandiert werden“. Gegen diese Personen und Gefährder müssten alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Wachmann schwer verletzt und operiert

Bei den Demonstrationen am Samstag in Wien war die Stimmung auch durch zwei deftige Reden Kickls („Corona-Stahlhelme in den Regierungsbüros“, „Schmuddel-Typen“ in den Ministerien) angeheizt worden. Nach dem Ende der FPÖ-Kundgebung im Prater wollte sich ein Pulk von mehreren hundert Demonstranten nicht auflösen, sondern zog mit Transparenten und Parolen auf einer dreispurigen Straße dem Donaukanal entlang stadteinwärts, darunter auch wieder Hooligans, Rechtsextreme, darunter Identitäre.

Polizisten und Demonstranten bei einer Kundgebung gegen die Covid-19-Maßnahmen der Bundesregierung
APA/Herbert Pfarrhofer
Hunderte Polizisten und Polizistinnen waren am Samstag im Einsatz

Ein Wachmann der Wiener Städtischen Versicherung wurde laut dem Unternehmen REIWAG Facility Services GmbH, bei dem er beschäftigt ist, „in Ausübung seines Dienstes zum Schutze der Einrichtungen der Wiener Städtischen“ am Samstag schwer verletzt und musste operiert werden. REIWAG-Geschäftsführer Viktor Wagner zeigte sich „tief bestürzt“.

Bis zu 20.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen

Bis zu 20.000 Menschen hätten an der Demo teilgenommen, sagte die Chefeinsatzplanerin der Wiener Polizei, Xenia Zauner, am Montag. Über 3.000 Anzeigen habe es wegen der Verletzung von Covid-19-Gesetzen gegeben. Laut Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl war die Polizei „konsequent“ eingeschritten. Er wehrte sich gegen Vorwürfe, die Beamten und Beamtinnen hätten rechtsextreme Äußerungen im Zuge der Demo ignoriert. Etwaige Weisungen, um die Richtung des Einsatzes zu definieren, habe es nicht gegeben, so Pürstl.

Er weise auch die – teils von der FPÖ aufgestellten – Behauptungen zurück, es habe bei der Demonstration Chaos und Eskalationen gegeben, so Pürstl. „Davon kann man nicht sprechen, wenn es der Polizei gelingt, jene Personen, die Straftaten setzen, auch festzunehmen und einzusperren.“ „Unrichtig“ sei auch die Behauptung, dass die Polizei durch Brückensperren Personen gehindert habe, nach Hause zu gehen. Es sei wesentlich gewesen, jenen Demonstrationszug, der sich nach Auflösung der Veranstaltung auf der Jesuitenwiese gebildet hatte, am Vordringen in die Innenstadt zu hindern, so Pürstl zum Vorgehen.

Die FPÖ hatte am Sonntag die Polizeiführung – namentlich Innenminister Nehammer – für die „abendliche Eskalation gegen Besucher der gestrigen FPÖ-Kundgebung“ verantwortlich gemacht. „Hunderte Menschen“ seien „bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und dort sogar mit Pfefferspray attackiert“ worden, meinte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Ametsbauer. Klubobmann Kickl erklärte, der „Innenminister und seine Parteifreunde in der Polizeiführung“ hätten „die Eskalation am Abend selbst herbeigeführt, indem sie die Leute am Heimgehen gehindert und in einen Kessel getrieben haben, um dort noch schnell möglichst viele Anzeigen für die Statistik zu produzieren“.

Hofer gegen „pauschale Kriminalisierung“

FPÖ-Chef Norbert Hofer sprach sich am Montag in einer Aussendung „gegen die pauschale Kriminalisierung verzweifelter Menschen aus, die auf der Straße ihren Protest zeigen“. Daran ändere auch „der besorgniserregende Zwischenfall“ nach den Kundgebungen nichts, sagte der FPÖ-Chef zum Eindringen der Demonstranten in das Gebäude. Diesen „Vorfall“ gelte es nun detailliert aufzuklären.

Die FPÖ will nämlich das Vorgehen der Polizei prüfen. Demonstranten und Demonstrantinnen seien offenbar „ohne Not“ eingekesselt worden, so Hofer. Das rechtfertige zwar „keinesfalls tätliche Angriffe“, die Umstände der Verletzung eines Wachmanns seien aber „noch genau zu ermitteln“.

Nach Demo-Auftritt: ÖVP fordert Kickl-Rücktritt

Nach den Ausschreitungen bei den CoV-Demos fordert die ÖVP den Rücktritt von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Der FPÖ-Chef begrüßte „ausdrücklich jede Form des friedlichen Protestes gegen die unverhältnismäßigen und verfassungswidrigen Corona-Maßnahmen von Türkis-Grün“ und kritisierte einmal mehr, dass sich der Bundespräsident nicht zu Wort melde. Das Land werde gespalten, etwa in jene, die geimpft seien, und jene, die es nicht seien.

Ludwig: Wien benötigt mehr Polizisten

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte am Rande einer Pressekonferenz am Montag, dass NEOS gegen Verbote von Demonstrationen sei, denn das würde die Wut der Menschen nur noch mehr schüren und zur Eskalation führen. Gleichzeitig forderte sie Kickl auf, seine Worte zu mäßigen und abzurüsten.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilte die Ausschreitungen am Montag „auf das Schärfste“. Es sei der Wiener Polizei zu verdanken, dass noch Schlimmeres verhindert werden konnte, hob er in einer Mitteilung hervor: „Und doch sind die Bilder verstörend. Wir sehen Menschen, die sich an keinerlei gesetzliche Vorgaben betreffend des Schutzes vor Corona halten.“ Dass es bei den Demos auch zu rechtsextremen Aktivitäten und Verstößen gegen das Verbotsgesetz gekommen sei, „ist inakzeptabel und muss vom Innenministerium vehement geahndet werden“.

Einmal mehr zeige sich, dass Wien mehr Polizistinnen und Polizisten benötige, befand Ludwig: „Denn in unserer Stadt erledigen knapp über 20 Prozent des österreichweiten Personals mehr als 60 Prozent der sicherheitspolizeilichen Arbeit“ – mehr dazu in wien.ORF.at.