Frau sitzt in einem Büro
ORF.at/Zita Köver
Wegen CoV

WIFO warnt vor größerem Gender Pay Gap

Die geschlechtsspezifische Lohnlücke zwischen Frauen und Männern hat sich in den vergangenen Jahren reduziert. Nun droht durch die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen der Gendergap bei den Einkommen wieder zu wachsen, warnt das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Denn die rückläufige Beschäftigung und die steigende Arbeitslosigkeit wirkten sich für Frauen stärker als für Männer langfristig negativ auf das Einkommen aus, ausgehend von einem geringeren Niveau. Jedes fehlende Erwerbsjahr reduziert das Lebenseinkommen der Frauen aufgrund der im Durchschnitt geringeren Anzahl an Erwerbsjahren insgesamt stärker, als das bei Männern der Fall ist, heißt es in einem Forschungspapier, das von Christine Zulehner sowie den WIFO-Ökonomen Rene Böheim und Marian Fink verfasst wurde.

Frauen seien von der Krise anders als Männer betroffen, und die Unterschiede könnten dazu beitragen, dass der Lohnunterschied in den kommenden Jahren eher wieder zu- als abnehme. So verloren Frauen ihre Arbeit zunächst zwar seltener als Männer, die Verluste waren aber auf wenige, für die Frauenbeschäftigung bedeutende Wirtschaftsbereiche konzentriert.

Stärker von Doppelbelastung betroffen

Zum Jahreswechsel 2020/2021 waren Frauen durch das Verbot der Erbringung körpernaher Dienstleistungen und den Ausfall des Wintertourismus hingegen relativ zum Vorjahr deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Männer. Wenn diese Wirtschaftsbereiche nach der Krise weniger Arbeitsplätze schaffen, dann werden relativ mehr Frauen als Männer die Branche wechseln, was mit einem Verlust von Know-how verbunden ist und zu geringeren Löhnen führen kann.

Die Doppelbelastung durch Beruf und Betreuungspflichten, vor allem auch im Homeoffice, trifft Frauen ebenfalls stärker als Männer. Frauen haben nach eigenen Angaben während der Coronavirus-Krise die Zeit für Hausarbeit und insbesondere für Kinderbetreuung stärker als Männer ausgeweitet. Wenn Frauen deswegen weniger häufig an Fortbildungen und Schulungen teilnehmen können, seltener professionelle Netzwerke pflegen können usw., dann ist auch aus diesem Grund ein relativer Lohnverlust zu befürchten. Die ganz konkreten Auswirkungen auf den geschlechterspezifischen Lohnunterschied seien derzeit noch nicht abzuschätzen, da Österreich noch mitten in der von der Pandemie bedingten Krise steckt.

Hilfen begünstigen Männer mehr als Frauen

Die staatlichen Milliardenhilfen zur Bekämpfung der Krise begünstigen laut einer Analyse des sozialliberalen Momentum Instituts stärker Männer als Frauen. Von den bis 2024 mit insgesamt 58,03 Mrd. Euro dotierten analysierten Hilfen kämen nur 42 Prozent Frauen zugute. Von den Entscheidern über die Geldmittel seien nur 40 Prozent weiblich.

In absoluten Werten heißt das, dass Männer bis 2024 über elf Mrd. Euro mehr entscheiden als Frauen. Um gegenzusteuern, fordern die Ökonominnen Anna Hehenberger und Anna Pixer eine stärkere Berücksichtigung der von Frauen dominierten Bereiche im Rahmen bestehender Förderinstrumente sowie eine Erhöhung der Löhne im staatlichen Einflussbereich in systemrelevanten Berufen bzw. in Berufen mit hohem Frauenanteil.

Lohnunterschied zwischen sechs und elf Prozent

Das WIFO hat auch die Entwicklung des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen analysiert: Die Lohnlücke habe sich etwas verringert. 2005 verdienten Frauen im Schnitt etwa 20,5 Prozent (im privaten Sektor 24,1 Prozent) weniger pro Arbeitsstunde als Männer, wenn Unterschiede nicht berücksichtigt werden („unbereinigter Lohnunterschied“). Im Jahr 2019 verdienten Frauen im Schnitt 15,3 Prozent (im privaten Sektor 17,1 Prozent) weniger als Männer.

Werden Unterschiede bei Merkmalen, die für die Lohnbildung wichtig sein könnten, also bei Schulbildung, Berufserfahrung, bei den ausgeübten Berufen usw. berücksichtigt, ergibt sich der „bereinigte“ Lohnunterschied. Dieser betrug laut WIFO im Jahr 2019 zwischen sechs und elf Prozent, je nach der verwendeten statistischen Methode.

Auch die wirtschaftsliberale Agenda Austria hat das untersucht: Ökonomin Heike Lehner kommt auf eine Gehaltslücke von 36,4 Prozent, vergleicht man den Verdienst aller Arbeitnehmerinnen mit dem aller Arbeitnehmer. Bei ganzjährig Vollzeitbeschäftigten sinke der Gender Pay Gap auf 14,3 Prozent, werden Branchen, Firmengröße, Ausbildungsniveaus, Kenntnisse, Position und Berufserfahrung berücksichtigt, ergeben sich 3,5 bis elf Prozent. Gefordert werden mehr Kinderbetreuungsplätze, vor allem auf dem Land.