Hygiene Austria FFP2-Maske
ORF.at/Peter Pfeiffer
Opposition untersucht

Hygiene Austria verspricht „Transparenz“

Nach langem Schweigen hat sich nicht nur der verbliebene Hygiene-Austria-Chef Tino Wieser am Montag zu Wort gemeldet, die ins Trudeln geratene Firma hat am Dienstag zudem eine „Transparenzoffensive“ angekündigt. Die Opposition will sich darauf nicht verlassen und stellte nun auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in den Raum.

Bereits im ZIB2-Interview nahm Wieser Stellung zu den zahlreichen Vorwürfen rund um Hygiene Austria: Schwarzarbeit, Umetikettierung und schlechte Arbeitsbedingungen wurden dem Zusammenschluss von Lenzing und Palmers vorgehalten. Die Folge war ein offener Bruch zwischen den beiden Firmen.

Am Dienstag legte Hygiene Austria – sprich: der verbliebene Teil – nach: Man wolle in den nächsten Tagen mit einer „Transparenzoffensive“ Fragen aufklären. Kundinnen und Kunden könnten sich für Fragen per Mail an die Firma wenden. Zudem wies Hygiene Austria in der Aussendung erneut alle Vorwürfe von sich: Die Produktionskapazität sei im Dezember derart ausgeschöpft gewesen, dass man einen „zertifizierten chinesischen Lohnfertiger mit der Produktion von Masken nach dem Baumuster der Hygiene Austria“ beauftragt habe, so Wieser.

Um die Lieferzusagen einhalten zu können, habe man sogar finanzielle Einbußen in Kauf genommen. Das Schweizer Unternehmen SGS habe die CE-Zertifizierung einwandfrei festgestellt. Zum Vorwurf der Schwarzarbeit unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen hieß es, für die Bezahlung der Leiharbeiterinnen und -arbeiter seien ausschließlich die Leiharbeitsunternehmen verantwortlich. Die Arbeitsbedingungen am Standort Wiener Neudorf seien „in keiner Weise unzumutbar, sondern entsprechen hinsichtlich Sicherheit wie auch Ausstattung allen Anforderungen und modernen Standards“.

Krach zwischen Palmers und Lenzing

Offener Bruch zwischen den beiden Eigentümern bei der Hygiene Austria wegen des Maskenskandals. Die ZIB2 sprach mit dem Geschäftsführer von Hygiene Austria, Tino Wieser.

Masseverwalterin: Leihfirma bezog Kurzarbeitsgeld

Neues Ungemach für Wieser kam allerdings schon am Dienstag auf: Eine der Leiharbeitsfirmen, mit denen Hygiene Austria zusammenarbeitet, bezog offenbar Kurzarbeitsgeld. „Interessanterweise hat die Firma mehrfach Kurzarbeitsgeld bezogen für ihre Dienstnehmer, und bei meinen Erhebungen hat sich hier mir schon massiv der Eindruck aufgedrängt, dass eben hier Kurzarbeitsgeld möglicherweise zu Unrecht bezogen wurde“, sagte die Anwältin Ulla Reisch, die den Konkurs der AD Job Assist GmbH abwickelt, am Dienstag im Ö1-Morgenjounal.

Die AD Job Assist GmbH ist seit Ende 2020 pleite. Laut „Wirtschaftscompass“ wurde der Konkurs Mitte Dezember eröffnet. Wie es in dem Firmenregister weiter heißt, handelt es sich bei der AD Job Assist GmbH laut einer Mitteilung der Finanzbehörde vom 21. Jänner 2021 um ein Scheinunternehmen gemäß Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz.

Wieser sprach in seiner Aussendung auch diese Vorwürfe an: Es seien marktübliche und transparente Verträge eingegangen worden. „Selbstverständlich werden jegliche Unklarheiten und Vorwürfe ernst genommen und einer Prüfung unterzogen. Gleichzeitig weist das Unternehmen zurück, dass Mitarbeiter der Hygiene Austria in Kurzarbeit waren“.

Masken nicht in Österreich verzollt?

Indes berichtet die „Presse“, dass die von der Hygiene Austria aus China importierten FFP2-Masken nicht in Österreich durch den Zoll gegangen seien. Es sei unklar, in welchem anderen EU-Land – und ob überhaupt – die Masken verzollt wurden. „Die Kontrollen in Österreich seien so streng, dass vielen Unternehmern viel Geld verloren ging, weil sie ihre Masken nicht durch den Zoll brachten“, schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen „Insider“.

Auch eine falsche Deklaration der Masken sei denkbar. „Wir haben den Eindruck, dass viele gefälschte Dokumente als Konformitätsnachweis vorgelegt werden“, hieß es bei der European Safety Federation (ESF) zur „Presse“. Das gelte insbesondere für Importe aus China.

Bisher liegen die Dokumente von Hygiene Austria der Öffentlichkeit nicht vor. Das Unternehmen sagte zur „Presse“: „Wir werden alle Fragen sammeln und dazu öffentlich Stellung nehmen. Wir sind sehr zuversichtlich, dann alle Missverständnisse aufzuklären.“ Das Finanzministerium habe noch nicht offiziell überprüft, ob die Masken in Österreich ordnungsgemäß verzollt wurden.

Zehn bis 15 Termine

Für die Opposition stellen die Vorgänge um Hygiene Austria nur die „Spitze des Eisberges“ der Beschaffungen im Zusammenhang mit der Pandemie dar. SPÖ, FPÖ und NEOS wollen dem Vorfall nun im „kleinen Untersuchungsausschuss“ nachgehen. Am Dienstag präsentierten die drei Fraktionen ihre Ladungsliste für den ständigen Unterausschuss des Rechnungshof-Ausschusses, wie er eigentlich heißt. Dieser sollte ursprünglich am Dienstag mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) als Auskunftsperson zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Anschober musste aber absagen, weil er erkrankt ist, wie in der Früh bekanntwurde.

Hygiene Austria: SPÖ, FPÖ, NEOS wollen Antworten

Die Opposition will nach dem Hygiene-Austria-Skandal die Beschaffungs- und Vergabewege in Österreich unter die Lupe nehmen.

Wie SPÖ-Fraktionsführerin Karin Greiner in Aussicht stellte, würden „zumindest zehn bis 15 weitere Termine nötig sein“, wenn sich die Dinge „in dieser Dynamik“ weiterentwickelten. Eine Reihe von parlamentarischen Anfragen, die Licht ins Dunkel hätten bringen sollen, blieben mehr oder weniger unbeantwortet. Auffällig nannte sie, dass Firmen in Beschaffungsvorgängen zum Zuge kämen, die eine „Nähe“ zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aufweisen sollen.

NEOS-Fraktionsführer Douglas Hoyos meinte, dass sich die „Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie“ der Bundesregierung mittlerweile zu einem „handfesten Skandal“ ausgeweitet habe. „Seit letzter Woche kennen wir die Causa Hygiene Austria besser“, so Hoyos. Da stelle sich die Frage nach „politischem Insiderwissen“.

U-Ausschuss möglich

Für FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger gehe es darum, die „Korruptionspartei ÖVP“ unter die Lupe zu nehmen. Denn offenbar habe das Virus vielen mit einer Nähe zur Volkspartei als Grundlage gedient, „in die eigenen Taschen zu wirtschaften“. Zu bedenken gab Zanger, dass die Möglichkeiten des „kleinen Untersuchungsausschusses“ eingeschränkt seien. Etwa gebe es keine Minderheitsrechte, keine Wahrheitspflicht, und dessen Ende stehe mit Juni fest. „Daher braucht es einen echten U-Ausschuss“, sagte Zanger.

Dieser Forderung zeigten sich auch die beiden anderen nicht gänzlich abgeneigt, sowohl Greiner als auch Hoyos verwiesen aber darauf, dass zunächst der „kleine U-Ausschuss“ die Vorarbeit leisten solle. Zudem laufe die Pandemie noch. Freilich werde man alle parlamentarischen Mittel einsetzen, um für Transparenz zu sorgen: „Wenn man sich die aktuelle Regierung anschaut, dann könnten wir wahrscheinlich jede Woche – gefühlt – einen Untersuchungsausschuss einsetzen“, so Hoyos.

Auch Wieser soll geladen werden

Auf der am Dienstag präsentierten Ladungsliste finden sich neben den verantwortlichen Ministern unter anderen Vertreter der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) sowie Generalsekretäre und Sektionschefs der zuständigen Ministerien. Darüber hinaus wollen die Fraktionen aber auch den Sonderbeauftragten im Gesundheitsministeriums, Clemens Martin Auer, den Einsatzleiter des Coronavirus-Krisenstabes, Gerald Schimpf, den Bundesrettungskommandanten des Roten Kreuzes, Gerald Foitik, und Gerald Fleischmann als Verantwortlichen für Inserate und Öffentlichkeitsarbeit im Bundeskanzleramt hören.

Die SPÖ will auch Wieser selbst laden: „Ich bin einigermaßen überrascht über die Aussage von Tino Wieser, wonach seine Verbindungen ins Bundeskanzleramt ein Nachteil gewesen sein sollen“, so Greiner. Denn der Bundeskanzler habe das Unternehmen selbst unter großem Medientrubel besucht und sich auf seinen Kanälen in Sozialen Netzwerken umfangreich bedankt. Zudem zeigten Materialien aus den Ministerien, „dass es sehr wohl die Absicht bzw. den Versuch gab, zumindest einen gezielten Großauftrag an Hygiene Austria zu vergeben“, so Greiner.

AK hat Termin mit Leiharbeitskräften

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher meinte am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz, dass Hygiene Austria mehrfach von den Arbeitsinspektoraten kontrolliert wurde, aber keine Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden. Es liege hier möglicherweise ein kriminelles Handeln vor, das die Aufdeckung von Missständen erschwere.

Nach Beginn der Medienberichte über Hygiene Austria begann die Arbeiterkammer damit, eigene Recherchen anzustellen. Inzwischen habe man ein paar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden, die bei Hygiene Austria als Leiharbeitskräfte tätig gewesen seien, sagte AK-Direktor Christoph Klein am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz. Diese Leiharbeitskräfte hätten am Mittwoch einen Termin mit der AK, sie wirkten „verängstigt“, so Klein. Man stehe auch in Kontakt mit der Gewerkschaft, die ebenfalls recherchiere.

Kein Kommentar mehr von Lenzing

Beim börsennotierten Faserhersteller Lenzing wollte man am Dienstag die Vorgänge nicht weiter kommentieren, wie Pressesprecher Johannes Vetter am Telefon zur APA sagte. Wieser hatte dem Geschäftspartner zuvor vorgeworfen, es würde bei Lenzing niemand mehr abheben. Lenzing will das Kapitel Hygiene Austria möglichst rasch abhaken und kündigte an, einen Wirtschaftstreuhänder mit der Verwaltung der Anteile zu betrauen.

Lenzing hatte vergangene Woche mitten im Trubel formal die alleinige Kontrolle über die Hygiene Austria LP GmbH übernommen und vollkonsolidiert, nachdem die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) keine Einwände dagegen hatte. Der Faserkonzern kündigte nach der Razzia an, selbst mit einem Forensikteam für Aufklärung zu sorgen, scheiterte aber, wie es von Lenzing am Montag hieß, am Partner Palmers. Dieser wiederum wies auch diesen Vorwurf zurück.

Unterdessen wurde bekannt, dass auch die Tochter von Lenzing-Chef Doboczky bei Hygiene Austria tätig war. Die 29-Jährige sei für „Verkauf und Auftragsabwicklung aktiv“ gewesen, sagte ein Lenzing-Sprecher der „Presse“. Im April des Vorjahres sei sie Angestellte von Palmers gewesen und dann zu Hygiene Austria gewechselt. Inzwischen habe sie gekündigt.