Demonstration für die Freilassung von Zaw Linn and Win Zaw Tun 2019
AP/Thein Zaw
Suu-Kyi-Partei

Abgeordneter stirbt in Polizeigewahrsam

In Myanmar ist ein Abgeordneter der Partei NLD der abgesetzten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi nach seiner Festnahme gestorben. Zaw Myat Linn sei in den frühen Morgenstunden in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Abgeordneter des vom Militär nach dem Putsch aufgelösten Oberhauses am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Angehörigen versuchten nun, seinen Leichnam vom Militärkrankenhaus zu erhalten.

In dem südostasiatischen Land hatte die Armee Anfang Februar die gewählte Regierungschefin Suu Kyi aus dem Amt geputscht. Neben Suu Kyi waren auch etliche Abgeordnete und Führungsfiguren ihrer Partei NLD festgenommen worden. Seither kommt es zu Massenprotesten. Die Sicherheitskräfte gehen dabei seit Wochen mit zunehmender Gewalt vor und schießen auch immer wieder mit scharfer Munition unangekündigt in die Menge. Schätzungen zufolge sollen bereits mehr als 60 Menschen getötet worden sein. Die Gefangenenhilfsorganisation AAPP schätzt, dass bisher rund 1.800 Menschen festgenommen wurden.

Trotz aller Risiken gingen am Dienstag auch wieder in zahlreichen anderen Landesteilen die Menschen auf die Straßen, darunter in der nördlichen Stadt Mandalay und in Myeik im Süden des Landes. Dort sollen lokalen Medienberichten zufolge mindestens 40 Teilnehmer festgenommen worden sein. Polizei und Militär versuchen seit Tagen, größere Demos mit Gewalt im Keim zu ersticken. Deshalb formieren sich jetzt auch kleinere Protestgruppen, die häufig den Ort wechseln.

Demonstration in Myanmar
APA/AFP/
Polizei und Demonstranten stehen einander gegenüber – hier am 8. März in Naypyidaw, der Hauptstadt Myanmars

Hunderte stundenlang eingekesselt

Am Montag waren bei Demonstrationen in mehreren Städten drei Menschen getötet worden. Die Polizei habe in der Stadt Myitkyina im Norden des Landes auf Demonstranten geschossen, berichteten Augenzeugen am Montag. Von den drei Toten seien zwei in den Kopf getroffen worden, mehrere Menschen seien verletzt worden. Die dritte Person sei in der Stadt Phyar Pon ums Leben gekommen, berichteten ein politischer Aktivist und lokale Medien. Sicherheitskräfte nahmen in der Nacht auf Dienstag in Yangon rund zwei Dutzend Menschen fest, nachdem sie zuvor viele Stunden lang Hunderte Demonstrierende eingekesselt hatten. Laut Augenzeugen soll die Polizei die Leute dabei bedroht und beschimpft haben, es sollen auch Schüsse abgefeuert worden sein. Lokalen Medienberichten zufolge wurden mindestens 27 Menschen festgenommen.

„Wir haben im Stadtteil Sanchaung protestiert, wir waren etwa 1.000 Leute“, sagte etwa eine Augenzeugin der dpa. Am Nachmittag hätten Polizisten die Demonstrierenden plötzlich umzingelt, worauf diese in umliegenden Häusern Schutz gesucht hätten. „Dann sind sie in einige Häuser eingedrungen und haben Demonstranten festgenommen, bevor sie gegen 3.00 Uhr abgezogen sind.“ Zuvor hatte es auch international große Sorge um das Schicksal der Eingekesselten gegeben. Die Vereinten Nationen und die Europäische Union forderten eine sofortige Deeskalation der bedrohlichen Lage.

Festnahme während Demonstration in Myanmar
Reuters
Die Polizei verhaftet auf diesem Bild vom 2. März in Yangon Demonstranten

Wichtigen Medien Lizenz entzogen

Die neue Militärregierung entzog am Montag fünf wichtigen Medienunternehmen im Land die Lizenz. Das teilte das staatliche Fernsehen mit. Betroffen sind unter anderem die große Multimedia-Nachrichtenorganisation Mizzima News und die Nachrichtenagentur Myanmar Now. Die fünf Medienorganisationen dürften keine Nachrichten mehr produzieren.

Zuvor waren Sicherheitskräfte in die Büros von Myanmar Now in Yangon eingedrungen und hatten bei einer Razzia Computer und Dokumente beschlagnahmt, wie die Agentur mitteilte. Da alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bereits zuvor in Sicherheit gebracht worden waren, sei niemand festgenommen worden, hieß es.

Die Junta geht seit Wochen mit zunehmender Härte neben den Demonstranten auch gegen weitere Kritiker vor, darunter auch zahlreiche Journalisten. Viele verstecken sich aus Angst vor einer Inhaftierung. „Die erste Bedrohung für die Pressefreiheit besteht darin, Journalisten festzusetzen. Und dies hier ist die zweite starke Aktion. Sie führt in eine finstere Zeit zurück“, sagte Myint Kyaw, Ausbildungsleiter des Myanmar Journalism Institute, der dpa.

H&M lässt nicht mehr in Myanmar produzieren

Besorgt und schockiert über die Gewalt gegen Demonstranten zeigte sich der schwedische Modekonzern H&M, der in Myanmar Gewand fertigen lässt. Weitere Aufträge an Firmen in dem Land würden zunächst nicht mehr erteilt, erklärte die weltweit zweitgrößte Modekette. H&M führt auf seiner Website rund 45 Lieferanten in Myanmar auf und ist dort seit sieben Jahren tätig. „Obwohl wir keine sofortigen Maßnahmen in Bezug auf unsere langfristige Präsenz im Land ergreifen, haben wir zu diesem Zeitpunkt die Auftragserteilung an unsere Lieferanten ausgesetzt“, schrieb Serkan Tanka, H&M-Manager für Myanmar, in einer E-Mail.

Als Grund für die Entscheidung nannte er „praktische Schwierigkeiten und eine unvorhersehbare Lage“ in Myanmar. Zudem gebe es Herausforderungen in Bezug auf Herstellung, Infrastruktur, Rohstoffimporte und Transport von Fertigwaren. Myanmars Bekleidungsindustrie ist kleiner als die der Nachbarländer Bangladesch, China und Thailand. Im vergangenen Jahr waren nach Angaben des Herstellerverbandes bei rund 600 Firmen etwa 450.000 Menschen beschäftigt.