Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Hans Punz
Maßnahmen gegen Raser

Auto weg bei schweren Fällen

338 Menschen sind in Österreich im Jahr 2020 im Straßenverkehr gestorben – jeder Todesfall sei einer zu viel, meint die Regierung. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) stellte am Mittwoch ein Maßnahmenpaket gegen extreme Raserei vor, das bei schwerer Geschwindigkeitsübertretung sogar die Beschlagnahme des Fahrzeuges vorsieht.

Einen entsprechenden Fünfpunkteplan beschließt der Ministerrat noch am Mittwoch. Der Plan sieht die bereits im Vorjahr angekündigten höheren Strafen für Schnellfahrerinnen und Schnellfahrer vor, außerdem wird die Dauer des Führerscheinentzugs bei Übertretungen verdoppelt.

In besonders gefährlichen Fällen soll künftig das Fahrzeug beschlagnahmt werden, kündigten Gewessler und Salzburgs Landesrat Stefan Schnöll (ÖVP) in einer Pressekonferenz vor dem Ministerrat an. Konkret soll dabei die Grenze der Geschwindigkeitsübertretung im Ortsgebiet bei 80 km/h liegen, außerhalb des Ortsgebiets bei 90 km/h.

Fahrzeugbeschlagnahmung erst zu Jahresende geplant

Unklar ist noch, ob beschlagnahmte Fahrzeuge wie etwa in der Schweiz öffentlich versteigert oder nur für eine bestimmte Zeit beschlagnahmt werden. Die Ausgestaltung könne von der temporären Einbehaltung bis zum Verfall des Autos führen, so Schnöll. Er erhofft sich dadurch Wirkung, weil sich Menschen in der Raserszene „sehr stark mit dem eigenen Auto identifizieren“.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Salzburgs Landesrat Stefan Schnöll bei der Pressekonferenz
APA/Hans Punz
Gewessler und Schnöll stellten Maßnahmen gegen Raserei im Straßenverkehr vor

Fest stehen hingegen bereits die höheren Geldstrafen bis zu 5.000 Euro (von derzeit 2.180 Euro) sowie der Führerscheinentzug für mindestens sechs Monate. Für wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitung wird der Beobachtungszeitraum auf vier Jahre verdoppelt.

Die meisten Verschärfungen sollen spätestens im Sommer in Kraft treten. Das Gesetz zur Beschlagnahme der Fahrzeuge folgt aber erst gegen Jahresende. Denn dieser Punkt werfe zahlreiche rechtliche Fragen auf, beispielsweise, wie vorgegangen werden kann, wenn das Fahrzeug einer dritten Person gehört. Gemeinsam mit dem Verfassungsdienst soll das geklärt werden, „damit die Maßnahme sicher rechtlich hält“.

Gewessler: Bisherige Strafen wirken oft nicht

Zahlreiche Unfälle der vergangenen Wochen und Monate wurden durch „rücksichtlose Raser, die sich und andere bewusst gefährden“, verursacht, sagte Gewessler. Die bisherigen Strafen würden oft nicht wirken, unbelehrbare Wiederholungstäterinnen und -täter ließen sich davon nicht abschrecken, sagte die Verkehrsministerin. „Menschen, die bei einem Verkehrsunfall sterben, sind nicht nur eine Zahl in der Statistik, sondern Familienmitglieder, Freunde, Arbeitskollegen, Verwandte. Jeder einzelne Tote ist einer zu viel“, sagte Gewessler.

Insbesondere bei illegalen Straßenrennen kündigte sie eine Verschärfung der Gangart an. Geplant ist, dass die Teilnahme an illegalen Straßenrennen als besonders gefährliches Delikt in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen wird, sagte Gewessler. Das soll mit dem Entzug der Lenkberechtigung für sechs Monate und einer verpflichtenden Nachschulung geahndet werden.

Schnöll: „Auto wird zur Waffe“

„Wir wissen, dass das Auto bei überhöhter Geschwindigkeit zur Waffe wird“, sagte Schnöll. Das sei zuletzt bei einem Unfall vor zwei Wochen in Salzburg deutlich geworden, bei dem ein 17-jähriger Mitfahrer bei einem Rennen mit mehr als 100 km/h im Ortsgebiet starb. Zahlreiche „dramatischen Unfälle“ haben die Diskussion über die Strafverschärfung beschleunigt. „Wir sehen auch grundsätzlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Todeszahlen und der Gesetzeslage gibt“, sagte Schnöll. Die Länder seien als nunmehr vollziehende Behörden sehr froh über das Maßnahmenpaket.

Auch neu ist, dass Raserinnen und Raser spätestens im Wiederholungsfall zum Psychologen bzw. zur Psychologin müssen. Sie bekommen ihren Führerschein erst zurück, wenn sie nachweisen können, dass sie die geistige Reife haben, um verantwortungsbewusst am Straßenverkehr teilzunehmen. Damit folgt man internationalen Beispielen im Kampf gegen die steigende Zahl an Todesopfern im Straßenverkehr durch Raserei.

KFV: „Schritt in die richtige Richtung“

Für das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) ist das Rasereipaket ein „Schritt in die richtige Richtung“, doch greife es zu kurz. „Exzessive Geschwindigkeitsübertretungen stellen eine sehr große Gefahr im Straßenverkehr dar. Weiterer Handlungsbedarf in Bezug auf verstärkte wirkungsvolle Maßnahmen ist gegeben. Das Minimalprogramm in der Verkehrssicherheit kostet Menschenleben“, so Othmar Thann, Direktor des KFV, via Aussendung.

Das KFV fordert unter anderem eine Anhebung der Mindeststrafen für exzessive Raserinnen und Raser, eine deutlichere Senkung der Grenzwerte für Führerscheinentzug sowie einen bundesweit einheitlichen Strafenkatalog. Die Beschlagnahmung von Fahrzeugen begrüßte das KFV ebenfalls.

ÖAMTC fordert Abgrenzung zu Minimalübertretungen

Auch aus Sicht des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) ist das Paket ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen. Der Führerschein wird weiterhin erst ab einer Überschreitung des Tempolimits von 40 km/h abgenommen. Auch fehlt die Aufnahme ins Vormerksystem, kritisierte der VCÖ in Bezug darauf, dass zu hohes Tempo die Hauptursache tödlicher Verkehrsunfälle sei. Der ÖAMTC befürwortet Verschärfungen von Sanktionen bei schweren Verkehrsübertretungen. Allerdings dürften dabei minimale Übertretungen nicht in einen Topf mit „Rasen“ geworfen werden. Hier brauche es klare Abgrenzungen, meinte Chefjurist Martin Hoffer.

Im Vorjahr mit mehreren Coronavirus-Lockdowns wurde in Österreich die geringste Zahl an Verkehrstoten seit Beginn der Aufzeichnungen registriert. Laut Innenministerium verunglückten bei Unfällen 338 Menschen tödlich. Hauptunfallursache war in 31,8 Prozent nicht angepasste Fahrgeschwindigkeit. 2019 waren es 416 Verkehrstote gewesen. Laut Schnöll sind ungefähr 30 Prozent der tödlichen Unfälle auf Raserei zurückzuführen, oft in Kombination mit anderen Delikten. „Unser Ziel muss es sein, die Zahl der tödlichen Unfälle zu halbieren“, meinte der Verkehrslandesrat.