Greenpeace: Gütesiegel versagen bei Umweltschutz

Wer Produkte mit Gütesiegel kauft, erwartet sich, dass bei den Rohstoffen ökologische und nachhaltige Vorgaben eingehalten werden. Doch die Standards von Zertifikaten für Holz, Soja und Palmöl seien oft niedriger als angenommen, auch Kontrolle und Transparenz ließen zu wünschen übrig, so ein heute veröffentlichter Bericht von Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation fordert stattdessen ein EU-weites Waldschutzgesetz.

„Es sollten auf keinen Fall alle Zertifizierungssysteme über den Haufen geworfen werden, aber die großen, globalen Systeme funktionieren einfach nicht“, sagte Ursula Bittner, Wirtschaftsexpertin von Greenpeace, bei der Vorstellung des Berichts. Greenpeace hatte für das Papier die Gütesiegel von ISCC, Fairtrade, Rainforest Alliance, UTZ, RSPO, RTRS, Proterra und FSC unter die Lupe genommen.

Dabei habe sich gezeigt, dass „keines der global gehandhabten Zeichen dafür sorgen kann, dass Wälder und Ökosystem geschützt werden“, sagte Bittner. Laut Greenpeace waren etwa FSC-zertifizierte Betriebe zwischen 2013 und 2017 in Rodungen von 30.000 Hektar Wald in Indonesien involviert – „eine Fläche größer als Graz und Innsbruck zusammen“. Greenpeace hatte FSC vor 28 Jahren mitbegründet, die Organisation aber 2018 verlassen.

Verweis auf Interessenkonflikt

Einer der Hauptkritikpunkte an den Zertifizierungssystemen: Sowohl das Festsetzen der Standards als auch deren Kontrolle liegt zu großen Teilen in der Hand der beteiligten Unternehmen. Hier bestehe ein Interessenkonflikt, sagte auch Joe Ritt, Inhaber der Agentur Ritt GmbH und Experte im Kontroll- und Zertifizierungsbereich. Die Überprüfung durch private Kontrollstellen finde überdies zumeist nur im sehr begrenzten Rahmen statt. Und sie hätten keine Handhabung, wenn sie auf Missstände stießen.

Es gebe auch Regionen, wo die Korruption so groß sei, dass jedes geschlagene Holz als illegal angesehen werden müsse – egal ob es zertifiziert ist oder nicht, sagte Irena Wabiwa von Greenpeace Afrika. Als Beispiel nannte sie das Kongo-Becken.

Entwurf für Waldschutzgesetz in Ausarbeitung

Hoffnungen setzt Greenpeace auf ein umfangreiches Waldschutzgesetz. Nach einer Konsultationsphase und Empfehlungen des EU-Parlaments arbeitet zurzeit die EU-Kommission an einem entsprechenden Entwurf. Laut der Umweltschutzorganisation muss ein solches Gesetz zum Ziel haben, entwaldungsfreie Lieferketten sicherzustellen.

Auch für Enrico Partiti, Assistenzprofessor für transnationale Regulierung an der Universität Tillburg, ist eine gesetzliche Grundlage „essenziell“. Eine „verpflichtende Sorgfaltspflicht“ für Unternehmen sei das „wirksamste Mittel“.

In einer Reaktion kündigte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) an, alle auf den Websites des Ministeriums verwendeten Gütesiegel „einer umfangreichen Überprüfung zu unterziehen“. „Waldschutz ist ein zentraler Baustein für den Erhalt unserer Umwelt“, so die Ministerin. Die Konsumenten brauchten Klarheit über ihre Kaufentscheidungen „und kein Greenwashing“.