Oberstaatsanwaltschaft Johann Fuchs im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Fuchs zu Pilnacek, Mails und „Störfeuern“

Die Ermittlungen rund um die „Ibiza-Affäre“ sind am Mittwoch im Fokus des U-Ausschusses gestanden. Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, musste viele Fragen zu E-Mails beantworten, die zwar im Vorstadium des Verfahrens verfasst wurden, aber erst über einen Ex-Kabinettsmitarbeiter in den U-Ausschuss gelangten. Und: War der Inhalt eine Weisung oder nicht?

Seit Beginn der Ermittlungen wird über gröbere Zerwürfnisse zwischen der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) und der ihr berichtspflichtigen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) berichtet. Es geht unter anderem um mögliche politische Einflussnahmen, eine „massive Zahl von Berichten“ und Weisungen. Zuletzt hatten etwa die Kritik am „System“ der Ex-WKStA-Staatsanwältin Christine Jilek und ein E-Mail-Verkehr zwischen OStA-Leiter Fuchs und dem damaligen Generalsekretär im Ministerium, Christian Pilnacek, für Aufregung und ein weiteres Verfahren gesorgt.

In den E-Mails schreibt Pilnacek an Fuchs, dass der damalige ÖVP-Justizminister Josef Moser der WKStA „keine aktive Rolle“ zukommen lassen wolle. Die E-Mails sind zunächst nicht dem U-Ausschuss vorgelegt worden. Erst ein Kabinettsmitarbeiter von Moser wandte sich – mehr als ein Jahr später – an die WKStA. Über Umwege sind die E-Mails im U-Ausschuss gelandet.

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hatte deshalb eine Prüfung des Verdachts auf Falschaussage gegen Fuchs und den im Zuge dessen als Justizsektionschef suspendierten Pilnacek eingeleitet und einen Vorhabensbericht an das Ressort übermittelt, der noch geprüft wird. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Fuchs: „Keine Weisung“

Für Fuchs ist die Aufregung „vollkommen unverständlich“, weil die E-Mails seiner Meinung nach „nie geheim“ gewesen seien. Mehrere Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen der OStA und des Ministeriums seien „im CC gestanden“. Der Mail-Verkehr stelle nur eine interne Diskussion zwischen ihm und Pilnacek dar und „nach meinem Verständnis keine Weisung“, wie er den Abgeordneten sagte. Für ihn hätten die Nachrichten für das Verfahren auch „null Relevanz“ gehabt, weshalb Fuchs bei Pilnacek nicht weiter nachgefragt habe und die E-Mail auch nicht veraktet wurde.

Weil er die Mails „nicht mehr gehabt“ und ohnehin für nicht relevant gehalten habe, seien sie auch nicht dem U-Ausschuss übermittelt worden. „Sie hatte keinen umsetzbaren Inhalt“, sagte der OStA-Leiter. Anders sah das Roland K., ehemaliger Kabinettsmitarbeiter des damaligen Justizministers Moser. Dieser wurde vor Fuchs befragt und sagte, dass die E-Mail aus seiner Sicht eine Weisung gewesen sei. Es sei nämlich keine Bitte gewesen, sondern eine inhaltliche Aufforderung, nicht länger abzuwarten. Fuchs sagte dazu: Herr K. „war damals im Kabinett und hatte offenbar mehr Hintergrundinformationen als ich“.

Oberstaatsanwaltschaft Johann Fuchs im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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OStA-Leiter Fuchs war am Mittwoch bereits zum zweiten Mal als Auskunftsperson geladen

Auch Abgeordnete Susanne Fürst (FPÖ) hinterfragte die Interpretation von Fuchs, wonach die E-Mail keine Weisung vonseiten des damals von der ÖVP geführten Ressorts war. „Die Intention ist schon klar“, befand Fürst. Für den OStA-Leiter ließ die Nachricht von Pilnacek aber „sehr viel Interpretationsspielraum“ offen. „Für mich war nicht klar, was gewollt ist“, sagte Fuchs und verwies auf eine darauffolgende Weisung an die WKStA, die damit beauftragt wurde, wegen des „Ibiza-Videos“ Erkundigungen einzuholen. Diese hätte nämlich den Hinweis gehabt, dass es sich um eine Weisung handelt.

Informationen über Hausdurchsuchung

Pilnacek war damals als Leiter der Strafrechtssektion im Ressort auch Fuchs’ Vorgesetzter. Er schätze Pilnacek als „Experten“, selbst jetzt führe der OStA-Leiter noch Gespräche mit ihm. Der Ex-Generalsekretär ist nach einer Umstrukturierung im Ressort seit dem Sommer nicht mehr für Einzelstrafsachen (z. B. Weisungen) zuständig, sondern für die Legistik. Fuchs hat sich nach eigenen Angaben mit Pilnacek etwa auch über die Verdachtseinschätzung zu Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der als Beschuldigter geführt wurde, unterhalten. Er konnte aber nicht sagen, ob er ihm Teile der Akten überlassen hat.

Als Pilnacek noch Strafsektionschef war, habe er ihn über wichtige Verfahrensschritte informiert, damit die Ressortspitze nicht überrascht ist. So habe er mit ihm auch über die Hausdurchsuchung bei Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gesprochen. „Er war mein Vorgesetzter und hatte mir gegenüber Informationsrechte“, so Fuchs.

Stephanie Krisper (NEOS) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper stellte nicht nur Fragen, sondern übte auch Kritik am Vorgehen des OStA-Leiters

Auch die jetzige Leiterin der zuständigen Sektion, Barbara Göth-Flemmich, habe der OStA-Leiter über die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel in Kenntnis gesetzt. „Ich möchte nur, dass zwischen der OStA und der Sektionsleitung keine Informationsdefizite entstehen“, sagte Fuchs. Er könne nicht ausschließen, dass die jeweilige Sektionsleitung „fernmündlich“ Informationen weitergibt.

Wieso waren Kurz-Strache-SMS „geheim“?

Dass die Chats zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zuerst mit der Klassifizierungsstufe drei („geheim“) an den U-Ausschuss geschickt wurde, begründete Fuchs mit den Persönlichkeitsrechten. „Es geht hier um das Grundrecht der Privatsphäre. Wir haben das Recht, dieses Grundrecht aufgrund von Straftaten zu durchbrechen“, sagte Fuchs. Die übermittelten Chats seien nie Teil des Strafaktes gewesen, weil sie laut Staatsanwaltschaft für das Verfahren nicht relevant sind. Deshalb habe man sich entschieden, die Chats als „geheim“ einzustufen.

Gemeinsam mit der WKStA sei man dieser Ansicht gewesen, das Justizministerium habe als oberste Behörde zunächst auch nicht widersprochen, aber schließlich mit der Stufe eins klassifiziert. Mit der Kritik, dass man es mit dem Persönlichkeitsschutz so ernst nehme, könne er leben, so Fuchs. Tatsächlich hatten sich die Opposition aus SPÖ, FPÖ und NEOS sowie die Grünen gegen die höhere Klassifizierung ausgesprochen. Diese hätte nämlich bedeutet, dass die Chats nicht digital übermittelt werden, was auch den Rechercheaufwand erhöht. Interimsminister Werner Kogler (Grüne) ließ die Chats runterstufen.

Fuchs lobt Jilek, „nur fachliche Kritik“

Die Vorwürfe von Ex-Staatsanwältin Jilek, die in ihrer Befragung über „Störfeuer“ Richtung WKStA berichtete und – nicht nur – deshalb ihren Job „schmiss“, kann Fuchs nicht nachvollziehen. „Schikanen“, die man der OStA zuschreibe, seien schon allein durch das System ausgeschlossen. Es gebe keinen Anhaltspunkt, dass es Störungen bei den „Ibiza“-Ermittlungen oder gesetzeswidrige Vorkommnisse gegeben habe. Fuchs lobte die frühere Ex-WKStA-Staatsanwältin für ihre Arbeit, die „Ausstellung“ (eine Rüge vonseiten der OStA, Anm.) im Zuge der Ermittlungen zur Schredderaffäre sei „nur eine fachliche Kritik“ gewesen – und die sei in der staatsanwaltschaftlichen Arbeit aufgabenimmanent, so Fuchs.

Die „Ausstellung“ hatte für viel Aufregung aufseiten der Opposition und der Grünen gesorgt. Jilek wurde vonseiten der OStA vorgeworfen, sie habe eine interne E-Mail, wonach die OStA Wien gegen die Vorlage des Schredderakts im Untersuchungsausschuss ist, „falsch“ abgelegt. Die Ex-Staatsanwältin widersprach dem Vorwurf vehement. Sie habe eine E-Mail des Kollegen, in der er auf die Weisung hinwies, in das Tagebuch des Stammverfahrens (Causa Casinos) gelegt. Dieses sei aber ohnehin kein Aktenbestandteil. Daraufhin konsultierte sie einen Anwalt und setzte sich „auf eigene Kosten zu Wehr“. Die „Ausstellung“ wurde aus dem Personalakt von Jilek entfernt.

Fuchs betonte, dass „clamorose“ Verfahren, also Fälle, die unter großem Medieninteresse stehen und zum Teil äußerst komplex sind, der Berichtspflicht unterliegen. Insgesamt habe die WKStA im „Ibiza“-Komplex bisher 181 Berichte erstattet, 55 Prozent davon „aufgrund von gesetzlichen Pflichten“. Der OStA-Leiter sagte, dass die Zahl der Berichte eine „Belastung für die WKStA, aber auch für die OStA“ darstelle.