Flächenkollektoren einer Photovoltaikanlage auf einem Einfamilienhaus
ORF.at/Michael Baldauf
Erneuerbaren-Gesetz

Nächster Anlauf für heimische Klimawende

Rund 200 Seiten ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) stark, das Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne) und Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) am Donnerstag präsentierten. Der Plan: 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2030. Der Fokus liegt auf Energiegemeinschaften und Förderungen, etwa für Wasserstoff. Die Opposition klagt.

Die Investitionssumme soll sich insgesamt auf eine Milliarde Euro Förderungen pro Jahr bis 2030 belaufen. Diese sollen beispielsweise in Energiegemeinschaften fließen, die es für Bürgerinnen und Bürger rechtlich möglich machen sollen, niederschwellig selbst Ökostrom zu produzieren und ins Netz einzuspeisen – etwa durch eine Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach. „Jeder und jede darf so viel Strom in das Netz einspeisen, wie er oder sie auch daraus produziert“, hieß es dazu vom Klimaschutzministerium.

500 Millionen Euro sollen Wasserstoff- bzw. Elektrolyseanlagen zugute kommen – etwa für die Stahlproduktion der voest. Die Präzisierung zum Thema Wasserstoff ist neu im Gegensatz zum EAG-Entwurf von September. Elektrolyseanlagen werden nun für mindestens 15 Jahre komplett von den Netztarifen ausgenommen – im Begutachtungsentwurf waren 50 Prozent vorgesehen. Die Wasserstoffproduktion muss laut Klimaschutzministerium auf erneuerbaren Energien basieren.

Staatssekretär Magnus Brunner,  Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler
APA/Herbert Neubauer
Brunner, Kogler und Gewessler präsentierten das EAG, das noch vor dem Sommer in Begutachtung gehen soll

Beim Biogas soll die Nachfolgeförderung als Marktprämie bis ins 30. Jahr reichen, darüber hinaus stehen ebenfalls 500 Mio. Euro für die nächsten zehn Jahre in Form einer Investitionsförderung für die Umrüstung von Verstromung auf Gaseinspeisung und für Neuanlagen zur Verfügung. Pumpspeicheranlagen werden zu 100 Prozent von Netztarifen befreit, das gilt nun sowohl für neue als auch für bestehende Anlagen für 15 Jahre.

Kogler: „Herzstück der Energiewende“

Auch für mehr Transparenz will das EAG sorgen, sodass man etwa am Smartphone freie Ladestationen und -kosten für E-Autos sehen kann. Insgesamt soll es zu einem Ausbauplus von 27 Terawattstunden (TWh) in den nächsten zehn Jahren kommen. Zum Vergleich: Zwischen 1970 und 1998 wurden 30 TWh an Leistung zugebaut. Die zusätzlichen Kapazitäten sollen sich wie folgt zusammensetzen: elf TWh aus Fotovoltaik, zehn TWh Wind, fünf TWh Wasserkraft und eine TWh Biomasse. Das entspricht vom jetzigen Stand aus gesehen einer Steigerung von rund 50 Prozent.

Gesteigert werden soll also die Stromproduktion mittels Fotovoltaik, Windkraft, Wasserkraft und Biomasse plus Wasserstoff als Transformationswerkzeug der heimischen Industrie. Gemeint sind die Förderungen bilanziell und übers Jahr gerechnet, das heißt nicht, dass gar kein Strom mehr z. B. aus Erdgas erzeugt wird. Das Fördersystem wird dafür angepasst, künftig soll es zwei Arten von Förderungen geben – entweder als einmalige Investitionsförderung oder als laufende Marktprämie für die Stromproduktion.

Vizekanzler Kogler bezeichnete das EAG in der Pressekonferenz als „Herzstück der Energiewende“ und als „großen Wurf“. Der Klimaschutz sei ein „historischer Auftrag“. Es sei ein Kampf gegen eine Krise, aber auch ein Auftrag, so Kogler, der sich einmal mehr davon überzeugt zeigte, dass Ökologie und Ökonomie miteinander vereinbar seien. „Wir sind überzeugt, dass das unter einen Hut zu bringen ist. Klimaschutz ist auch ein Jobmotor“, sagte der Vizekanzler.

Gewessler: „Vorreiter in Europa“

Klimaschutzministerin Gewessler betonte, „dass alle Teil von der Energiewende sein können“, da „die Produktion von erneuerbarem Strom so einfach wie noch nie“ sein werde. Sie sprach damit auf die Energiegemeinschaften an, die etwa in Siedlungen und der Nachbarschaft geschlossen werden können. Darüber hinaus soll die erneuerbare Energieproduktion sowie auch die -nutzung überregional funktionieren können. So soll es beispielsweise möglich sein, dass eine Familie in Oberösterreich Fotovoltaikstrom auf dem Dach ihres Einfamilienhauses erzeugt und die in Wien studierende Tochter die in Oberösterreich eingespeiste Strommenge verbraucht. Die Höhe der Förderung von Fotovoltaikanlagen steht noch nicht fest, sie soll in Verordnungen festgelegt werden.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Gewessler hätte das Gesetz schon ab 1. Jänner in den Startlöchern gesehen, sie zeigte sich dennoch erfreut

„Wir sind damit europaweit Vorreiter“, so Gewessler. „Wir werden 2030 zurückblicken und wir werden nicht nur stolz sein, sondern wir werden sagen können: Gut, dass wir damals die richtige Entscheidung getroffen haben“, zeigte sich die Klimaschutzministerin von ihrem Vorhaben überzeugt. Das EAG sei die richtige Antwort auf Extremwetterereignisse, vertrocknete Felder und andere Erscheinungen der Klimakrise.

Die privaten Stromkundinnen und -kunden sollen mit dem Paket jedenfalls nicht wesentlich stärker belastet werden als bisher. Das bestehende System in Österreich sei gut etabliert und werde fortgeführt: „Einkommensschwache Haushalte, definiert über diejenigen, die Anrecht haben auf Befreiung von der GIS-Gebühr, sind von den Ökostrombeiträgen befreit“, so Gewessler.

„Riesige Chance für Wirtschaftsstandort“

Staatssekretär Brunner, der Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bei der Pressekonferenz vertrat, betonte, das EAG wolle Klimaschutz und die Energiewende innovativer und besser machen. Die insgesamt zehn Milliarden Euro an grünen Investitionen in den nächsten zehn Jahren würden volkswirtschaftliche Effekte von 30 Milliarden Euro mit sich bringen. Das sei eine „riesige Chance für den Wirtschaftsstandort“. Er wies auch auf die Fachkräfte hin, die es dafür brauche – etwa im Bereich der Errichtung von Kraftwerken, der Montage und der Wartung.

1,5 Milliarden Euro für erneuerbare Energie

Geht es nach der Bundesregierung, sollen schon in rund zehn Jahren erneuerbare Energien die heimische Stromversorgung komplett übernehmen. Kritiker sagen aber immer wieder, dass ausgerechnet Windkraft und Co. das Stromnetz ins Wanken bringen könnten.

„Hocherfreut“ zeigte sich Gewessler darüber hinaus, dass das EAG endlich fertig ist. Mitte September hatte sie es ja schon einmal als Grundlage für einen forcierten Ausbau der Erneuerbaren-Stromerzeugung bis 2030 in Begutachtung geschickt. In Kraft treten hätte es am 1. Jänner sollen, zwei Monate später war klar, dass sich das nicht mehr ausgehen würde. Am Mittwoch will sie das Paket nun im Ministerrat beschließen, ein Beschluss im Nationalrat soll vor dem Sommer passieren – wenn auch eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist.

Opposition: Wurden nicht eingebunden

Die Opposition beklagte am Donnerstag bereits in einer Aussendung, sie sei bisher in keinerlei Verhandlungen eingebunden worden. Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ kritisierte die Pressekonferenz am Donnerstag als „Showtermin“. Er ortet einen internen Regierungsstreit zwischen ÖVP und Grünen, der das Vorhaben bremse – „zum Nachteil sowohl der StromkundInnen als auch der gesamten Energiebranche“, so Schroll weiter. „Denn gerade in Zeiten horrender Arbeitslosigkeit ist es völlig unverständlich, wieso die Regierung noch immer nicht handelt und nicht schon längst den Job- und Konjunkturmotor im Bereich der erneuerbaren Energie gezündet hat.“

Sein Kollege Axel Kassegger (FPÖ) vermisst unterdessen einerseits das Gespräch mit den Regierungsmitgliedern, andererseits auch ein besseres Miteinbeziehen des Faktors Gas als „Brückentechnologie“. Sehr kritisch sieht Kassegger die Vorgehensweise bei der Förderung von Windkraft und Fotovoltaik: „Man hat zwei Jahre untätig verstreichen lassen und will jetzt mit der Förderung aus Steuergeldern von Windanlagen an schlechten Standorten und Fotovoltaikanlagen die Grünflächen versiegeln“, so Kassegger. „Zahlen muss das alles der Endverbraucher.“

NEOS-Energiesprecher Sepp Schellhorn zeigte sich „enttäuscht, dass die Opposition hier nicht früher und intensiver eingebunden wurde. Jeder Tag, der ohne Einigung verstreicht, ist ein verlorener Tag für die Energiewende und für nachhaltige Unternehmen.“ Er betonte die Bereitschaft zu Gesprächen mit seiner Partei.

Ausständig ist für das EAG auch noch eine Prüfung durch die EU-Kommission. Gewessler sieht das EAG als wesentlichen Beitrag für den europäischen „Green Deal“. Die Klimaschutzministerin sagte am Donnerstag, sie sei in enger Abstimmung mit der EU-Energiekommissarin Kadri Simson und EU-Klimaschutzkommissar Frans Timmermans. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein, Österreich will das schon bis 2040 schaffen.