Die 23-jährige Poetin Amanda Gorman hat mit ihrem Gedicht „The Hill We Climb“ bei der Inauguration von US-Präsident Joe Biden für Furore gesorgt.
Doch die internationale Übersetzung ihres Werkes erweist sich als diffizil: Erst kürzlich hatte in den Niederlanden Marieke Lucas Rijneveld („Was man sät“) den Auftrag zur Übersetzung von Gormans Gedicht zurückgelegt, weil es scharfe Kritik daran gegeben hatte, dass eine weiße Person Gorman übersetzen soll.

Nun schied auch der katalanische Übersetzer Victor Obiols aus, weil er das „falsche Profil“ habe. Obiols sagte zur Nachrichtenagentur AFP, dass der Verlag nach Fertigstellung der Übersetzung an ihn herangetreten sei und ihm gesagt habe, er sei „nicht der Richtige“ für die Übersetzung des Gedichts.
„Sie haben meine Fähigkeiten nicht hinterfragt, aber sie suchten nach einem anderen Profil – nach einer Frau, jung, Aktivistin und vorzugsweise schwarz.“ Er wisse nicht, ob die Ablehnung vom Verlag oder Vertretungspersonen Gormans ausgehe.
„Dann kann ich auch Homer nicht übersetzen“
Der 60-Jährige kritisierte die Entscheidung. Das Thema sei „sehr kompliziert“ und könne nicht oberflächlich abgehandelt werden. Er merkte aber an: „Wenn ich eine Dichterin nicht übersetzen kann, weil sie eine Frau ist, jung, schwarz, eine US-Amerikanerin im 21. Jahrhundert, dann kann ich auch Homer nicht übersetzen, weil ich kein Grieche des achten Jahrhunderts vor Christus bin.“
Bereits nach Rijnevelds Rückzug war die Causa kontrovers diskutiert worden. Rijneveld selbst antwortete auf die Kontroverse mit einem Gedicht namens „Alles bewoonbaar“ („Alles bewohnbar“), das in mehreren Sprachen und europäischen Medien veröffentlicht wurde. Gormann selbst hatte sich im Vorfeld auf Twitter über Rijnevelds Engagement erfreut gezeigt.