Bild zeigt einen Karton mit mehreren Packungen des Astrazeneca Covid-19 Impstoffes.
APA/AFP/Zoltan Mathe
AstraZeneca

Keine Impfstofflieferung aus USA an EU

Die EU kann in nächster Zeit nicht mit Lieferungen des AstraZeneca-Impfstoffs aus den USA rechnen. „Die USA haben uns mitgeteilt, dass sie auf keinen Fall AstraZeneca-Impfungen an die EU ausliefern werden“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen in die Verhandlungen involvierten Beamten. Im Kampf gegen den Impfstoffmangel bahnt sich somit ein weiterer Rückschlag für Europa an.

Erst vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass die EU-Kommission Washington um die Genehmigung für eine Ausfuhr von AstraZeneca-Impfstoff bitten werde, der in den USA produziert oder abgefüllt wird. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass der Impfstoffhersteller seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der EU einhalten kann. AstraZeneca hatte nach der Ankündigung, im zweiten Quartal nicht die vereinbarten Dosen an die EU liefern zu können, auf zusätzliche Produktionsstätten außerhalb Europas verwiesen.

Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses, sagte unterdessen gegenüber Journalisten, dass die US-Regierung zunächst den Fokus auf die Versorgung der eigenen Bevölkerung legen wolle, der Direktbezug für andere Länder aber offen bleibe. Aktuell ist der Impfstoff von AstraZeneca in den USA noch nicht zugelassen.

Zig Millionen Dosen in den USA

Laut „Washington Post“ sollen bereits zig Millionen Dosen des AstraZeneca-Vakzins in den USA ungenutzt in den US-Produktionsstätten lagern. Das soll laut der Zeitung auch eine intensive Diskussion zwischen dem Weißen Haus und Beamten der nationalen Gesundheitsbehörden ausgelöst haben. Teile der Regierung sollen sich dafür ausgesprochen haben, die Vakzindosen vor der US-Zulassung doch an Länder, die sie dringend brauchen, weiterzugeben. Andere seien hingegen dagegen gewesen.

Auch AstraZeneca war laut „Washington Post" in die Gespräche eingebunden."Wir wissen, dass andere Regierungen sich möglicherweise an die US-Regierung gewandt haben und um AstraZeneca-Dosen bitten“, so Gonzalo Vina, ein Sprecher von AstraZeneca. Man habe die US-Regierung gebeten, diese Anfragen sorgfältig zu prüfen. Rund 30 Millionen Dosen werden derzeit im AstraZeneca-Werk in West Chester im US-Bundesstaat Ohio abgefüllt, so die Zeitung. Auch bei einem Subunternehmer von AstraZeneca in Baltimore sollen zig Millionen Dosen produziert worden sein, schrieb die „Washington Post“.

Nur ein Drittel der versprochenen Menge

Der schwedisch-britische Konzern senkte zudem seine Prognose für die Lieferung von CoV-Impfstoff an die EU im ersten Quartal auf etwa 30 Millionen Dosen, wie aus einem Reuters vorliegenden Dokument hervorgeht. Dieses zeigt, dass die Lieferung nur einem Drittel der vertraglichen Verpflichtungen und einem Rückgang von 25 Prozent gegenüber den Zusagen vom vergangenen Monat entspricht.

„Es ist an der Zeit, dass der Vorstand von AstraZeneca seine treuhänderische Verantwortung wahrnimmt und jetzt alles Notwendige tut, um die Verpflichtungen von AZ zu erfüllen“, schrieb Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Industrie, am späten Donnerstag auf Twitter. Eine Stellungnahme von AstraZeneca dazu gab es bisher nicht.

Dänischer Todesfall wird untersucht

Der Impfstoff von AstraZeneca sorgt indes wegen eines Todesfalls weiter für Aufregung. Am Donnerstag setzte Dänemark die Verimpfung des CoV-Vakzins vorerst aus. Auch Norwegen entschied sich in der Folge für einen vorläufigen Stopp. Zuvor war ein Todesfall in Kopenhagen bekanntgeworden, bei dem geprüft werden müsse, ob er mit der Impfung in Zusammenhang stehe.

Auf und Ab im Kampf gegen das Virus

Nach einigen Krankheits- und Todesfällen im zeitlichen Umfeld von Impfungen mit AstraZeneca haben Dänemark und Norwegen die Impfungen mit diesem Wirkstoff ausgesetzt. Österreich, Deutschland und die meisten anderen europäischen Staaten impfen weiter.

Die skandinavischen Länder hatten mit dem Aussetzen der Verimpfung auch auf Berichte aus Österreich reagiert. In den vergangenen Tagen waren nach einer Impfung mit AstraZeneca ein Todesfall und zwei Krankheitsfälle aufgetreten. Eine 49-jährige Krankenpflegerin des Landesklinikums Zwettl in Niederösterreich war infolge schwerer Gerinnungsstörungen gestorben, eine 35-jährige Kollegin entwickelte eine Lungenembolie, befand sich zuletzt jedoch auf dem Wege der Besserung.

Dänemark und Norwegen setzen AstraZeneca-Impfungen aus

Nach Dänemark stoppt auch Norwegen vorübergehend Impfungen mit dem Wirkstoff des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca. Bei mehreren geimpften Personen seien Komplikationen durch Blutgerinnsel aufgetreten, teilte die Gesundheitsbehörde in Kopenhagen am Donnerstag mit.

Bei diesen beiden Fällen hatten die betroffenen Frauen zuvor Impfungen aus derselben Charge erhalten. Auch wenn zunächst kein kausaler Zusammenhang ausgemacht worden war, wurde vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) die betreffende Charge aus dem Verkehr gezogen und eine Untersuchung des Todesfalls veranlasst. Ein dritter Fall von Komplikationen wurde aus der Steiermark gemeldet: Eine Grazer Krankenpflegerin musste nach einer Impfung mit AstraZeneca in Spitalsbehandlung. Auch dieser Fall wird noch geprüft.

Österreich hält an AstraZeneca fest

Österreich will am Impfplan nichts ändern, so das Gesundheitsministerium am Donnerstagabend. Am Donnerstagnachmittag hatten Landesgesundheitsrätinnen und -räte mit dem Ministerium über das Vorgehen beraten. Auch Expertinnen und Experten sowie das BASG waren bei der Videokonferenz dabei. Dabei wurde entschieden, den Impfstoff von AstraZeneca weiterhin zu verwenden, hieß es in einer Stellungnahme des Ministeriums.

Das Nationale Impfgremium, das BASG, die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und das Ministerium selbst würden sich ebenso wie die Bundesländer „klar für die Verwendung des Impfstoffes von AstraZeneca“ aussprechen, hieß es. „Der Nutzen der zugelassenen und verfügbaren Corona-Schutzimpfungen ist eindeutig belegt. Das Weiterführen der Impfaktion ist wichtig und rettet täglich Menschenleben.“

„Keine Notwendigkeit“

Die Expertinnen und Experten des Impfgremiums hätten keine Notwendigkeit gesehen, Impfungen aufzuschieben oder auszusetzen. Jeder der EU-weit zugelassenen Impfstoffe habe „ein präzises und verantwortungsvolles Prüfverfahren“ durchlaufen. Somit sei sichergestellt, dass es sich dabei um einen sicheren und effektiven Impfstoff handelt. „So auch der Impfstoff von AstraZeneca“, so das Ministerium. Die FPÖ forderte am Donnerstag, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) solle es Dänemark gleichtun.

Am Mittwochabend hatte die EMA bekanntgegeben, dass sie bisher keine Hinweise darauf habe, dass die Fälle auf Impfungen mit dem Vakzin zurückzuführen wären. Auch das Gesundheitsministerium sah am Donnerstag „keinen Hinweis, dass nach einer Corona-Schutzimpfung mehr venöse thromboembolische Ereignisse auftreten als bei ungeimpften Personen“. Wie bei der Einnahme nach anderen Medikamenten auch solle aber auch nach einer CoV-Schutzimpfung der Gesundheitszustand beobachtet werden: „Wenn bei Patientinnen und Patienten Beschwerden auftreten, sollen diesen ihren Arzt oder ihre Ärztin kontaktieren“, hieß es in der Mitteilung.

Kollaritsch: Keine Anhaltspunkte für Zusammenhang

Herwig Kollaritsch, Mitglied des Nationalen Impfgremiums, sagte im Ö1-Morgenjournal am Freitag, dass es sicherlich noch eine Zeitlang dauern wird, bis man die endgültigen Ergebnisse hat. Die Frage sei, ob ein kausaler Zusammenhang bestehe oder ob es nur „Koinzidenz, wie wir das sagen“, sei, so Kolleritsch. „In dem Fall haben wir keine Anhaltspunkte, dass ein kausaler Zusammenhang besteht“, sondern dass es ein zusätzliches zeitliches Ereignis sei. Kollaritsch nannte als Beispiel: Wenn man von der Impfstraße weg und auf die Straße gehe, ausrutsche und sich etwas breche, „dann ist es auch in zeitlicher Nähe zur Impfung, hat aber nichts damit zu tun“.

AstraZeneca verteidigt sich

Die Sicherheit der Patientinnen und Patienten habe oberste Priorität, und jeder Verdachtsfall von bisher unbekannten schweren Nebenwirkungen werde untersucht, hieß es von AstraZeneca Österreich auf APA-Anfrage. Das Unternehmen erinnerte daran, „dass weltweit bis heute zig Millionen Menschen mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpft wurden, davon drei Millionen in Europa“.

Im Zusammenhang mit Dänemark sowie dem Todesfall und zwei weiteren Vorfällen in Österreich wurde festgehalten: „Ähnliche Verdachtsfälle (u. a. aus Österreich) wurden von der EMA bereits untersucht und als nicht kausal eingestuft.“ Das bedeute, dass die bei der EMA für die Sicherheit zuständigen Behörden den Impfstoff nach wie vor als sicher und zuverlässig erachteten.

WHO: Kein Zusammenhang

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht nach eigenen Angaben keinen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von AstraZeneca und Todesfällen. Eine ursächliche Verbindung zwischen Blutgerinnseln und dem Vakzin sei nicht zu erkennen, sagte eine WHO-Sprecherin. Überhaupt sei bisher kein Todesfall bekannt, den eine Impfung gegen Covid-19 ausgelöst haben könnte. Dennoch sei ein WHO-Beratungsgremium damit beauftragt, die AstraZeneca-Berichte zu prüfen.

Unterschiedliches Vorgehen

In Spanien will man das Vakzin ebenso wie in Österreich weiter verwenden. Es seien keine Gerinnungsstörungen registriert worden, sagte Gesundheitsministerin Carolina Darias. Auch das deutsche Gesundheitsministerium verhielt sich vorerst abwartend. In Italien untersagte die medizinische Aufsichtsbehörde AIFA die Verwendung bestimmter Chargen des AstraZeneca-Impfstoffs.

Die AIFA sagte, es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, da noch kein Zusammenhang zwischen den Impfungen und „schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen“ festgestellt wurde. Offenbar wurden in Italien nach Verimpfung der Charge ABV 2856 schwere Vorfälle gemeldet, darunter Todesfälle. Auch die rumänischen Behörden stoppten vorübergehend die Coronavirus-Impfung mit einer Charge des Vakzins. Thailand verschob die Einführung das AstraZeneca-Impfstoffs, wie Freitag bekanntwurde.