Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Roland Schlager
EU

Kurz vermutet ungleiche Impfstoffverteilung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Freitag die Verteilungspolitik in der EU scharf kritisiert. Die Coronavirus-Impfdosen würden nicht wie vereinbart nach Bevölkerungsschlüssel an die Mitgliedsstaaten verteilt. Es gebe „Hinweise“ darauf, dass es zusätzliche Absprachen auf einem „Basar“ zwischen einzelnen Mitgliedsländern und der Pharmaindustrie gegeben habe. Die EU-Kommission reagierte bereits.

Während Österreich bei der Verteilung der Dosen im Mittelfeld liege und bisher keinen Schaden zu beklagen habe, würden Staaten wie Bulgarien stark benachteiligt. Laut Kurz würden diese, wenn sich der Trend fortsetze, erst im späten Sommer oder Herbst mit der Durchimpfung fertig sein. Andere könnten dagegen schon im Mai fertig sein. Als Beispiel nannte Kurz, dass Malta bezogen auf die Bevölkerungszahl bis Ende Juni dreimal so viele Dosen erhalten werde wie Bulgarien. Die Niederlande bekämen bis dahin das Doppelte von Kroatien.

Als Ursache sieht der Kanzler Nebenverhandlungen im „Steering Board“ der EU. Dort habe eine Art „Basar“ geherrscht, wo zusätzliche Abmachungen zwischen Mitgliedsstaaten und Pharmaunternehmen getroffen worden sein sollen. „Verträge dieses Gremiums sind geheim“, sagte Kurz, ohne Details zu nennen. Eine Reaktion aus Brüssel oder von anderen Mitgliedsstaaten der EU gibt es noch nicht. Darüber hinaus gebe es dem Bundeskanzler zufolge Pläne, das Vorgehen, Impfstoffe nicht nach Bevölkerungsgröße zu verteilen, auch in den nächsten Monaten fortzusetzen.

„Volle Transparenz“

Kurz forderte „volle Transparenz“ und faire Verteilung. Auf nationaler Ebene stimme er hier mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) überein, dass herausgefunden werden müsse, wer mögliche zusätzliche Verträge unterschrieben habe und warum vom gemeinsamen europäischen Ziel abgewichen werde, gleichmäßig zu verteilen.

Kogler war bei dem Pressegespräch nicht zugegen. Im Juni 2020 wurde von der EU beschlossen, den Impfstoff für alle Mitgliedsstaaten gemeinsam zu beschaffen. Dieser sollte pro Kopf fair auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Kurz bezeichnete das als „guten Ansatz“, den er voll unterstütze.

EU-Kommission: „Neuer Verteilungsschlüssel möglich“

Der Kanzler sagte, dass seine Äußerungen „kein Vorwurf an die EU“ seien, und bedankte sich sogar bei EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, „die die Idee der gemeinsamen Beschaffung hatten und das Ziel der gerechten Verteilung unterstützen“. Wen Kurz mit der Kritik meinte, blieb bei dem Pressegespräch auch auf Nachfrage offen. Es gebe „kein Indiz“, dass sich jemand nicht korrekt verhalten habe, so der Kanzler.

Die EU-Kommission räumte Abweichungen vom ursprünglich vereinbarten Bevölkerungsschlüssel ein. Die EU-Staaten könnten sich im „Steering Board“ für mehr oder weniger Impfstoffe entscheiden. „In diesem Kontext ist ein neuer Verteilungsschlüssel möglich“, sagte ein EU-Kommissionssprecher in Brüssel in einer Reaktion. So könnten die Mitgliedsstaaten entscheiden, ob sie von Lieferungen ein „Opt-out“ in Anspruch nehmen, sagte der Sprecher.

Der Steuerungsausschuss mit Gesundheitsbeamtinnen und -beamten der Mitgliedsstaaten sei wichtig bei der Umsetzung der Verträge. Entscheidungen in dem Board würden aber zwischen den EU-Staaten und der EU-Kommission gemeinsam vereinbart. Die EU-Kommission halte an ihrem Ziel fest, dass bis Ende des Sommers alle Erwachsenen in der EU geimpft seien, sagte ein Sprecher der EU-Behörde weiter. Die Impfstofflieferungen seien eine wichtige Komponente, aber nicht die einzige.

Österreich schöpfte Bestellungen nicht voll aus

Am Dienstag wurde bekannt, dass Österreich und mehrere weitere EU-Länder etwa nicht so viele Dosen des Impfstoffs von Moderna bestellt hatten, wie sie hätten können. Österreich schöpfte zwar sein volles Kontingent des ersten und zweiten Vertrags der EU mit Moderna aus, bei einer Zusatzoption wurde aber weniger abgerufen, wie das Gesundheitsministerium in Wien einen Bericht von „Politico“ (Onlineausgabe) bestätigte.

ZIB-Korrespondent Peter Fritz aus Brüssel

Peter Fritz analysiert die Gründe, warum es zu unterschiedlichen Verteilungen kommt.

Der Zeitplan zeigte dem Bericht zufolge auch, dass Österreich, Portugal und Kroatien kleinere Bestellungen für die zweite Charge von Moderna-Dosen aufgaben. Der Grund: der späte Liefertermin. Wie die EU-Kommission dem ORF in Brüssel am Freitag mitteilte, seien auch die Möglichkeiten Österreichs bei Biontech und Pfizer nicht voll ausgeschöpft worden.

Weil die Kritik am Impfstoff von AstraZeneca auch in Österreich lauter wird, sagte Kurz am Freitag erneut, dass er sich mit AstraZeneca impfen lassen wolle und dass hoffentlich alle Europäerinnen und Europäer bis zum Sommer die Möglichkeit erhalten würden, zur Normalität zurückzukehren.