Frau hält ihre Impfkarte
AP/Esteban Felix
Neuer „Impfweltmeister“

Chile strebt bis Juni Herdenimmunität an

Im Vergleich zur EU ist in Chile die Impfkampagne gegen das Coronavirus deutlich später – allerdings umso effizienter angelaufen. Nach rund eineinhalb Monaten überholte Chile bei den täglich verabreichten Impfdosen pro 100.000 Einwohner zuletzt den bisherigen „Impfweltmeister“ Israel. Auch wenn derzeit die Infektionszahlen wieder steigen, soll die Pandemie dank eines strikten Impfplans und der damit erhofften Herdenimmunität bis Mitte des Jahres überwunden sein.

Die bis Juni von der konservativen Regierung von Premier Sebastian Pinera geplante Durchimpfung von 80 Prozent der rund 19 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner erscheint mit Blick auf das bislang vorgelegte Impftempo durchaus in Reichweite. Nach dem am 3. Februar erfolgten Startschuss der chilenischen Impfkampagne wurde in nur 21 Tagen über drei Millionen Menschen die erste Dosis verabreicht. Mittlerweile sind es nach Angaben des chilenischen Gesundheitsministeriums über 4,6 Millionen.

In den rund 1.300 Impfzentren sorgt der von der Regierung ausgegebene und wöchentlich aktualisierter Impfplan für genaue Vorgaben. Die über 60-Jährigen sind bereits durchgeimpft – am Freitag folgte dann etwa der Impfaufruf für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung zwischen 46 und 49 Jahren.

„Grund, stolz zu sein“

Chile ist weltweit mittlerweile das Land mit den meisten innerhalb der letzten sieben Tage geimpften Menschen pro 100 Einwohner und hat damit auch Israel überholt. „Heute haben wir einen neuen Grund, stolz zu sein: Chile hat den ersten Platz im weltweiten Ranking der (innerhalb der letzten sieben Tage) verabreichten Dosen pro 100 Einwohner eingenommen“, schrieb die Regierung des südamerikanischen Landes dazu in dieser Woche auf Twitter.

Nach Angaben der bei der Universität von Oxford angesiedelten Website Our World in Data hat Chile im Siebentageschnitt (Stand Donnerstag) täglich 1,37 Dosen pro 100 Einwohner geimpft und Israel 1,02. Mit einigem Abstand folgen die USA (0,67) und Serbien (0,53). Österreich hat diesen Angaben zufolge einen Wert von 0,28 und liegt damit zwischen Italien (0,29) und Deutschland (0,27).

Impfstraße in chilenischer Hauptstadt Santiago
AP/Esteban Felix
Chile startete seine Impfkampagne relativ spät, aber sofort mit hohem Tempo

Als unsolidarisch kritisiertes Gesundheitssystem

Beobachter zeigen sich angesichts der in der CoV-Pandemie lange als überfordert kritisierten Regierung erstaunt über die bisher abgespulte Impfkampagne. Medien erinnern in diesem Zusammenhang auch an die Protestbewegung, die es seit 2019 gegen das von der Regierung nahezu vollständig privatisierte und als unsolidarisch und zu teuer kritisierte Gesundheitssystem gibt.

Zumindest beim Impfen erweise sich Chiles Gesundheitssystem Medienberichten zufolge nun aber durchaus als robust und flexibel. „Im Fall von Chile war die Idee sehr schlau, das gesamte Gesundheitswesen mit einzubeziehen. Zahnärzte oder Hebammen oder Menschen, die im erweiterten Gesundheitssystem arbeiten. Damit sich alle auf diese nationale Kraftanstrengung konzentrieren“, zitiert der Bayerische Rundfunk dazu Luis Felipe Lopez-Calva vom Welt-Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP).

„Klare Strategie, klare Zuständigkeiten“

Eine große Ausnahme ist Chile für die UNO-Organisation aber nicht zuletzt mit Blick auf die in Lateinamerika an sich problematische Situation bei der Verteilung von Impfstoffen. Laut dem Journal für Internationale Politik und Gesellschaft (IPG) der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung gibt es in Chile nicht nur eine klare Impfstrategie, sondern auch klare Zuständigkeiten: Bereits seit Mai 2020 gibt es einen Sonderbeauftragten, der für die Verhandlungen mit Labors und den Einkauf von Impfstoffen zuständig ist.

Impfstofflager in CHile
Reuters/Ivan Alvarado
Fehlende Impfstoffe sind in Chile bisher kaum ein Thema

Chile setzt bisher auf Impfstoffe von Biontech/Pfizer, AstraZeneca und Sinovac – und alle seien den IPG-Angaben zufolge in klinischen Studien auch von Chile getestet worden. Die Bevölkerung habe „daher ein großes Vertrauen in die Impfstoffe, die Impfbereitschaft ist hoch, die Zahl der Impfgegner und Corona-Leugner hingegen gering“. Laut IPG bringen die von Chile auf eigene Regie und Rechnung durchgeführten klinischen Tests schließlich auch eine Bevorzugung beim Einkauf.

Pinera erklärte die Impfkampagne von Anfang an zu seiner Chefsache und versicherte zuletzt via Twitter, man werde auch weiterhin „jeden Chilenen und jede Chilenin in ihrem Schmerz und in den harten Folgen, die diese Pandemie hinterlassen hat“ begleiten. Für eine CoV-Entwarnung ist es trotz aller Impferfolge jedenfalls auch für Südarmerikas reichste Volkswirtschaft weiter zu früh – kommen diese laut IPG doch „zu einem Zeitpunkt, an dem das Land eine der größten Coronavirus-Fallspitzen seit Monaten verzeichnet“.