Verkehrt liegendes Logo der CDU in einer Wiese
Reuters/Thilo Schmuelgen
Deutsche Landtagswahlen

Schwere Verluste für CDU im Superwahljahr

In Deutschland hat am Sonntag mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz das Superwahljahr begonnen. In Baden-Württemberg gewannen die Grünen Prognosen zufolge mit großem Abstand, in Rheinland-Pfalz liegen die Sozialdemokraten auf Platz eins. Die CDU musste indes deutliche Verluste hinnehmen und erzielte in beiden Ländern ihre bisher schlechtesten Ergebnisse.

In Baden-Württemberg verzeichnete die Partei des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann leichte Zugewinne und kam laut ARD- und ZDF-Prognose auf 32,6 Prozent, während der Koalitionspartner CDU deutliche Verluste hinnehmen musste und nur noch auf 24,1 Prozent kam – ein historisch schlechtes Wahlergebnis in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württemberg. Zum Vergleich: 2016 waren es noch 27 Prozent.

Außerdem werden der Prognose zufolge AfD, FDP und SPD im Landtag vertreten sein. Konkret kam die SPD nur noch auf 11,0 Prozent (2016: 12,7 Prozent). Die FDP verbesserte sich von 8,3 Prozent im Jahr 2016 auf 10,5 Prozent. Die AfD büßte deutlich Stimmen ein und landete bei 9,7 Prozent. 2016 waren es noch 15,1 Prozent. Die Linke verpasste mit 3,6 Prozent den Einzug.

Kretschmann könnte mit der CDU weiterregieren oder eine Ampelkoalition mit SPD und FDP bilden. Kretschmann legte sich aber nicht fest, mit wem er regieren will. Er werde mit CDU, SPD und FDP Gespräche führen.

Winfried Kretschmann (Grüne)
APA/AFP/Thomas Kienzle
Ob Kretschmann mit der CDU weiterregieren oder eine Ampelkoalition mit SPD und FDP bilden wird, ist noch unklar

Prognosen: „Ampel“ in Rheinland-Pfalz möglich

In Rheinland-Pfalz gewann nach ersten Prognosen die SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die Sozialdemokraten kamen laut Prognose auf 36 Prozent nach 36,2 Prozent bei der Wahl 2016 sind dort nun etwa doppelt so stark wie auf Bundesebene. Zweitstärkste Kraft wurde die CDU unter ihrem Spitzenkandidaten Christian Baldauf mit 26,8 Prozent nach 31,8 Prozent vor fünf Jahren.

Die Freien Wähler lagen in den Prognosen bei 6,1 Prozent und schafften somit erstmals den Einzug in den Landtag. Die AfD liegt laut Prognosen bei 9,1 Prozent (2016: 12,6 Prozent), die Grünen bei 8,2 Prozent (2016: 5,3 Prozent), die FDP bei 5,7 Prozent (2016: 6,2 Prozent).

Dreyer regiert seit 2016 in einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen, die sie nach diesen Prognosen fortsetzen könnte – und das voraussichtlich auch tun werde: „Wenn der Abend so weitergeht, wäre das unsere erste Wahl“, sagte Dreyer am Sonntag.

Malu Dreyer (SPD) und ihr Ehemann Klaus Jensen
APA/AFP/Armando Babani
In Rheinland-Pfalz gewann nach ersten Prognosen die SPD von Ministerpräsidentin Dreyer – sie könnte demnach die Koalition mit FDP und Grünen fortführen

„Großes Wahlergebnis“ für Grüne

Von einem „großen Wahlergebnis“ sprachen die Grünen. „Zum dritten Mal in Folge haben die Grünen in Baden-Württemberg zugelegt, sind wieder stärkste Kraft geworden, und auch in Rheinland-Pfalz konnten wir deutlich unsere Stimmen verdoppeln“, sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock am Sonntagabend.

„Es ist ein super Start ins Superwahljahr“, sagte der zweite Parteichef Robert Habeck. „Die Weitsicht und der Pragmatismus, das ist der Auftrag an die Grünen als gesamte Bundespartei aus diesem Wahlabend.“ Die Partei werde den Rückenwind aus den beiden Ländern hoffentlich „mit vollen Segeln aufnehmen“ können.

Wahlbeteiligung gesunken

Die Wahlbeteiligung sank bei den ersten Landtagswahlen seit Beginn der Coronavirus-Pandemie. Sie lag in Baden-Württemberg bei 62,5 Prozent (2016: 70,4 Prozent) und in Rheinland-Pfalz bei 64 Prozent (2106: 70,4 Prozent.)

Erfreut zeigte sich auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) über den Erfolg der Grünen in Baden-Württemberg. „Sie kennen ihn – und wissen, was sie an ihm haben! Ich gratuliere Winfried #Kretschmann und den Grünen #BadenWürttemberg“, schrieb Kogler am Sonntagabend auf Twitter.

Scholz: Regierungsbildung ohne CDU möglich

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz äußerte sich zufrieden über das Ergebnis der Landtagswahlen. „Es ist ein guter Tag, weil er auch zeigt, dass Regierungsbildung ohne die CDU möglich ist in Deutschland“, sagte der Finanzminister am Sonntagabend in der ARD. „Es ist viel möglich, und ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden. Auch das ist heute sichtbar geworden, dass das geht.“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zeigte sich begeistert über das gute Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Das Wahlergebnis zeige, dass die SPD „das Vertrauen der Menschen“ gewinne, wenn sie regiere, sagte er am Sonntagabend im ZDF. Das Wahlergebnis in Baden-Württemberg stelle ihn hingegen „nicht zufrieden“, gab Klingbeil zu. Beide Landtagswahlen zeigten aber, dass es „Mehrheiten jenseits der Union“ gebe, so Klingbeil. Das sei „ein gutes Zeichen auch für die Bundestagswahl“.

CDU: Keine Auswirkungen auf Kanzlerkandidatur

Die Wahlen in den beiden südwestdeutschen Bundesländern markieren den Auftakt zum deutschen Superwahljahr mit insgesamt sechs Regionalwahlen und der Bundestagswahl im Herbst. Sie gelten als wichtiger Stimmungstest. Bei der nationalen Wahl will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach 16 Jahren nicht mehr kandidieren. Über ihren Kanzlerkandidaten entscheiden die Christdemokraten im April oder Mai.

Die Landtagswahlen haben nach Darstellung von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak allerdings keine Auswirkungen auf die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Union. Es bleibe beim Zeitplan, dass CDU und CSU das zwischen Ostern und Pfingsten entscheiden würden, sagte Ziemiak am Sonntagabend in Berlin.

Schlechtes Abschneiden als „Folge von Maskenaffäre“

Für Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sei zumindest positiv, dass die „extremen Parteien“ nicht gewonnen, sondern eher abgenommen hätten. Baldauf gestand die Niederlage seiner Partei offen ein: „Es ist kein schöner Abend. Aber wenn es nur schöne Abende gäbe, wäre es auch nicht in Ordnung. Wir geben alles, dass wir eine starke Opposition bilden“, kündigte Baldauf am Sonntag in Mainz an.

Das Abschneiden der CDU sei sehr schlecht, fügte Baldauf hinzu. Er führte das auf Kritik an der Coronavirus-Politik, auf die Popularität vor allem der Landeschefs Kretschmann in Baden-Württemberg und Dreyer in Rheinland-Pfalz sowie nicht zuletzt auf die Maskenaffäre zurück. In der Schlussphase des Wahlkampfs in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mussten drei Bundestagsabgeordnete ihren Hut nehmen, weil sie in missliche Skandale verwickelt waren.

Georg Nüßlein (vormals CSU) und Nikolas Löbel (vormals CDU) sollen für Vermittlungstätigkeiten bei Schutzmaskengeschäften jeweils sechsstellige Provisionen eingestrichen haben. Gegen den Thüringer CDU-Politiker Mark Hauptmann wurden schwere Lobbyismusvorwürfe laut.

AfD und FDP zufrieden

Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Partei in Baden-Württemberg. Die AfD habe unter widrigsten Bedingungen Wahlkampf führen müssen und habe trotzdem ein „gutes Ergebnis eingefahren“, sagte Weidel am Sonntagabend in der ARD. Der AfD sei auch „rechtswidrig der Verfassungsschutz auf den Hals gehetzt“ worden.

Für die AfD waren es die ersten Wahlen, nachdem der deutsche Verfassungsschutz die Gesamtpartei zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt hatte. Allerdings entschied das Verwaltungsgericht Köln, dass der Verfassungsschutz die AfD vorerst nicht so einstufen darf.

Unterdessen bezeichnete FDP-Chef Christian Lindner die vorläufigen Ergebnisse seiner Partei als „starken Aufschlag in das wichtige Wahljahr 2021“. Es sei ein schwieriger Wahlkampf gewesen, die Pandemiepolitik habe „viele Innovationsfragen überlagert“. Trotz aller Schwierigkeiten habe sich für die FDP ein wachsender Zuspruch ergeben.