Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Helmut Fohringer
Zwist in Regierung

Anschober zieht Impfkoordinator Auer ab

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Montag im Ö1-Frühjournal angekündigt, dass sich der Impfsonderbeauftragte Clemens Martin Auer aus seiner Funktion als heimischer Vertreter im EU-Impfgremium zurückzieht. ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hatte am Freitag schwere Kritik an der EU- und der heimischen Impfbestellung geübt, seine Partei hatte den Rücktritt von Auer und der Generalsekretärin im Gesundheitsministerium, Ines Stilling, gefordert.

Kurz’ Vorgehen hatte am Wochenende für heftige Turbulenzen in der ÖVP-Grünen-Koalition gesorgt. Kurz’ Angriff erfolgte, als sich der zuständige Minister Anschober wegen eines Kreislaufkollaps im Spital befand. Anschober, der nach eigenen Aussagen am Sonntag seine Arbeit wieder aufnahm, räumte ein, dass sich bei neuerlicher Prüfung am Sonntag herausgestellt habe, dass es eine zweite Möglichkeit, Pfizer-Biontech-Impfstoff nachzubestellen, gab, über die ihn Auer nicht informiert habe.

Bei einer ersten Nachbestellung im Jänner, als man gemerkt habe, dass das Vakzin von Biontech und Pfizer ein sehr attraktiver Impfstoff sei, habe man – wie viele andere Staaten – Zusatzverträge geschlossen und die Gesamtbestellung von 24 auf 31 Mio. Dosen erhöht. Auer habe ihm gesagt, er sei davon ausgegangen, dass die bestellte Menge von 31 Mio. Dosen ausreichend sei.

Liefertermin entscheidend

Im Politstreit in der Regierung geht es um die Zahl der Dosen, die sowieso ein Mehrfaches über der Bevölkerungszahl liegt. Für eine Beschleunigung des Impfprogramms ist es aber entscheidend, welcher Hersteller rasch liefern kann.

Anschober: Von Auer nicht informiert worden

Anschober sagte, Auer hätte ihn jedenfalls darüber informieren müssen. Daher werde dieser aus dem EU-Impfgremium abgezogen. Auer habe selbst seinen Rücktritt angeboten. Die Aufgabe der Impfkoordinatorin übernimmt nun Katharina Reich, Chief Medical Officer im Gesundheitsministerium.

Aus Anschobers Sicht besteht Auers Fehler darin, dass er ihn über einen zweiten Topf mit Restmengen nicht informierte. Wörtlich sagte Anschober: „In einem Detail habe ich auch einen Fehler gesehen: dass nämlich in diesem Zuweisungsverfahren auch nicht verteilte Mengen in einem zweiten Topf existent waren. Darüber wurde ich nicht informiert, und ich habe deswegen auch ein Gespräch mit dem sehr gut arbeitenden Sonderbeauftragten geführt“.

Sonderbeauftragter – etwa gegenüber der WHO – bleibe Auer aber, so Anschober. Für die von der ÖVP geforderte Suspendierung Auers würden die Verfehlungen nicht reichen, stellte Anschober klar. Stilling, deren Suspendierung die ÖVP ebenfalls gefordert hatte, bleibt im Amt. Damit zieht Anschober einen als ÖVP-nahe geltenden Spitzenbeamten teilweise ab, die als SPÖ-nahe geltende Stilling bleibt. ÖVP-Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz, sie hatte für die Kanzlerpartei die Suspendierung Auers und Stillings öffentlich gefordert, begrüßte Auers Rückzug.

Geht es um 100.000 Dosen?

Unklar ist bisher, um wie viele Dosen es sich handelte, die bei dieser zweiten Runde an Nachbestellungen zusätzlich hätten gezogen werden können. Das sei im Nachhinein schwer zu rekonstruieren, berichtete der „Standard“ (Onlineausgabe) Montagvormittag. Eine Sprecherin habe aber gesagt, man gehe von etwa 100.000 Impfdosen aus. Aktuell werden etwa 50.000 bis 70.000 Dosen am Tag verimpft.

Anschober geht auf Angriff nicht ein

Auf die Frage, ob Kurz’ Vorgehen nicht ein besonderes politisches Foul gewesen sei und wie er sich diesbezüglich fühle, reagierte Anschober zurückhaltend und meinte sinngemäß: In seinem Verständnis von Politik hätten Befindlichkeiten keinen Platz. Der Zeitpunkt sei ungewöhnlich gewesen, aber „ich gehe zur Tagesordnung über und will mein Bestens geben“. Es sei Aufgabe der Koalition, das Land möglichst rasch durch die Pandemie zu bekommen, und diesem Ziel sei er verpflichtet.

Am Wochenende hatte das Gesundheitsministerium die Vorwürfe zurückgewiesen. Verwiesen wurde mehrmals darauf, dass stets alle Seiten der Regierung – inklusive Bundeskanzleramt – in alle Entscheidungen einbezogen gewesen seien. Außerdem habe das Finanzministerium einen Rahmen von 200 Mio. Euro für Impfbestellungen vorgegeben, sagte auch Anschober im Ö1-Frühjournal. Laut Finanzministerium ist erst ein Viertel des Impfbudgets ausgeschöpft.

Filzmaier: Kein „Zeichen von Souveränität“

Am Montag berät die Regierungsspitze über die aktuelle Pandemielage. Dabei wird der jüngste Impfstreit wohl auch ein Thema sein. Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier zeigte sich ob der Vorgänge verwundert und äußerte scharfe Kritik.

Die „Impfsache“ laufe angesichts des langsamen Tempos „furchtbar schief“, Bundeskanzler Kurz stehe „objektiv und wohl auch subjektiv gewaltig unter Druck“, analysierte Filzmaier in der ZIB2 am Sonntag die politischen Geschehnisse. Kurz sei mit schlechten Umfragewerten konfrontiert, hielten doch zwei Drittel das Coronavirus-Management der Regierung für schlecht.