Der österreichische Innenminister Karl Nehammer und Klubobfrau der Günen Sigrid Maurer.
APA/Helmut Fohringer
Verfassungsschutzreform

Aus BVT wird DSN

Die Regierung hat sich auf eine Reform des ramponierten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geeinigt. Die Organisationseinheiten sollen künftig getrennt werden. Folgerichtig wird das Amt künftig „Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst“ (DSN) heißen, gaben Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Montag in einer Pressekonferenz bekannt.

Die strukturell-organisatorische Trennung soll nach internationalen Vorbildern geschehen. Wie im Regierungsprogramm vereinbart, sollen Gefahrenforschung und -abwehr voneinander getrennt werden, hieß es. Eine Verbindungsstelle, die direkt beim Direktor angesiedelt ist, soll den notwendigen Informationsaustausch sicherstellen.

Geplant ist eine unabhängige und weisungsfreie Kontrollkommission nach Vorbild des Menschenrechtsbeirats. Die parlamentarische Kontrolle wollen ÖVP und Grüne durch erweiterte Berichtspflichten garantieren. Ein Kontrollgremium aus drei Expertinnen bzw. Experten soll künftig für zehn Jahre vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit bestellt werden. Es soll volle Akteneinsicht erhalten.

Bild zeigt das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.
ORF.at/Roland Winkler
Eine Trennung der Organisationseinheiten soll es künftig beim DSN geben

Der Rechtsschutz soll durch mehr Personal beim Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium gestärkt werden. Für Führungskräfte soll es ein Verbot der Ausübung politischer Ämter samt Cool-down-Phase geben, auch Nebenbeschäftigungen werden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verboten.

Direktor und Standort noch offen

Der Nachrichtendienstbereich wird zentralisiert und obliegt nicht mehr den bisherigen Landesämtern. Eine Verbindungsstelle, die direkt beim Direktor oder der Direktorin angesiedelt ist, soll den notwendigen Informationsaustausch sicherstellen. Organisatorisch angesiedelt bleibt die DSN weiter in der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit.

Es wird einen Direktor oder eine Direktorin und zwei Stellvertreter oder Stellvertreterinnen geben, die jeweils für die beiden Bereiche zuständig sein werden. Bestellt werden sie durch eine Kommission, in der auch ein (vom Beamtenministerium bestellter) Experte bzw. eine Expertin vertreten sein wird. Dass die Chefbesetzung bereits für eine Person aus dem Umfeld der niederösterreichischen ÖVP ausgemacht sei, wie die SPÖ vermutet, wies Nehammer als rein parteipolitischen Vorwurf zurück.

BVT wird neu organisiert

Die türkis-grüne Regierung hat Details aus der Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) präsentiert.

Noch offen ist die Standortfrage. Den alten BVT-Gebäudekomplex Ecke Rennweg und Landstraßer Hauptstraße in Wiens drittem Gemeindebezirk habe man adaptiert, Spionage von außen damit erschwert und sensible Bereiche ausgelagert. Längerfristig steht aber eine Übersiedlung in ein neu zu errichtendes Gebäude auf dem Areal der Meidlinger Kaserne im Raum, das der höchsten Sicherheitsstufe entsprechen soll und dann auch andere Einrichtungen des Innenministeriums beheimaten wird, sagte Nehammer.

„Altes BVT hat internationalen Ruf Österreichs ruiniert“

Das BVT war in den vergangenen Jahren mehrfach in Verruf geraten. Zu den Vorwürfen gehören unter anderem die Ausstellung nordkoreanischer Pässe für südkoreanische Geheimagenten, Konflikte zwischen ÖVP-nahen Parteinetzwerken innerhalb des BVT und die seitens der parlamentarischen Opposition vorgeworfene „Umfärbung“ des Verfassungsschutzes durch den damaligen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl.

Zuletzt hatte es eine Reihe von Ermittlungspannen im Vorfeld des folgenschweren islamistischen Anschlags in Wien vom 2. November 2020 gegeben. Das war der letzte Anstoß für eine Reform. „Das alte BVT hat den internationalen Ruf Österreichs ruiniert“, drückte es Maurer aus. Die strukturell-organisatorische Trennung soll nun nach internationalen Vorbildern geschehen. Nehammer nannte hier Dänemark, doch auch mit der Schweiz und Deutschland sei man in intensivem Austausch gewesen.

Man sei die Reform unter größtmöglicher Transparenz und ohne Tabus angegangen, so Nehammer. Auch die Opposition habe man eingebunden, in der Informationspolitik habe es eine „Kulturänderung“ gegeben. „Der Verfassungsschutz hat schwere Risse bekommen“, fasste Nehammer zusammen. Man wollte die brüchigen Stellen kitten für eine „neue Mauer des Verfassungsschutzes“.

Beratungen mit Opposition

Der aktuelle Regierungszwist bezüglich der Impfstoffbeschaffung habe die Pläne von Nehammer und Maurer in keiner Weise beeinflusst. Obwohl man politisch „von woanders“ komme, sei man sich bei der BVT-Reform einig geworden. Maurer freute sich, ein „internationales Best-Practice-Beispiel“ präsentieren zu können, „dass die Sicherheit in unserem Land bestmöglich gewährleistet werden kann“.

Das legistische Vorhaben mit dem Namen „Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz“ (SNG) soll nun mit den Oppositionsparteien beraten werden. In einem der nächsten Ministerräte will man die Regierungsvorlage auf den Weg schicken und den Begutachtungsprozess starten. Den Beschluss im Parlament hat sich die Koalition bis zum Sommer vorgenommen, dann soll die Umsetzung starten.

SPÖ zweifelt „Entpolitisierung“ des Amtes an

Schon im Vorfeld gab es von der Opposition scharfe Kritik. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner forderte konkrete Gesetzesvorschläge zu den kolportierten Reformplänen und zweifelte die von der ÖVP behaupteten Bestrebungen einer „Entpolitisierung“ des Amtes an. Am Montag legte er via Aussendung nach und dementierte Nehammers Aussage, die Opposition sei rechtzeitig eingebunden worden: „Die Opposition wurde nicht wie in der Pressekonferenz dargestellt sehr früh eingebunden. Im Gegenteil haben wir den Gesetzestextvorschlag kurz vor der Pressekonferenz erhalten.“

Ein erster Blick in die Pläne zeige zudem, das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendienst und Staatspolizei bleibe äußerst schwammig, so Einwallner weiter. Die parlamentarische Kontrolle sei in der vorliegenden Form nicht gegeben, da das Kontrollgremium wieder im Innenministerium angesiedelt sein soll. Der Abgeordnete versprach eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gesetzesvorschlag.

NEOS kritisierte den nun aufgebauten Zeitdruck und verlangte eine fundamentale Neuaufstellung des Staatsschutzes. „Dabei geht es aber nicht um das Bauen einer plumpen Mauer, sondern eines kontrolliert arbeitenden, professionellen, agilen Organs“, sagte Stephanie Krisper, NEOS-Sprecherin für Inneres.

FPÖ: Wurden nicht offiziell informiert

Dass die FPÖ nicht offiziell über die Pläne informiert wurde, kritisierte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Er ortete eine „Alibi-Einbindung“ der Opposition. „Seit Monaten präsentiert man uns die immer gleichen Powerpoint-Folien. Bevor wir als Parlamentarier offiziell informiert wurden, standen bereits erste Details im ‚Kurier‘.“

Auch Amesbauer sagte, erst kurz vor der Pressekonferenz den Gesetzesentwurf gesehen zu haben – „in einer kurzfristig einberufenen Besprechung erstmalig zur Kenntnis gebracht“, wie es in einer Aussendung der FPÖ heißt. Dennoch sieht Amesbauer wie auch die SPÖ die staatspolitische Wichtigkeit der Reform und betonte, dass man zu echten inhaltlichen Verhandlungen in den nächsten Tagen bereit sei.