Fische auf einem Markt
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Falsche Kennzeichnung

Betrug mit Meeresfischen weit verbreitet

Fisch wird als Nahrungsmittel immer beliebter. Im vergangenen Jahr stieg der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch laut der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) auf einen Rekordwert von 20,5 Kilogramm. Entsprechend verbreitet ist auch der globale Betrug mit Meeresfrüchten, wie zahlreiche Studien zeigen. Oft verberge sich hinter den gekennzeichneten Fischen eine andere, oft qualitativ mindere und günstigere Art.

Das zeigt eine umfassende Zusammenschau des „Guardian“ über 44 Studien, die in der jüngeren Vergangenheit über die Herkunft von Fischen in Restaurants, in Supermärkten und bei Fischhändlern in mehr als 30 Ländern gemacht wurden. Mittels DNA wurden die ausgewählten Proben untersucht. Dabei zeigte sich dem Bericht zufolge, dass mehr als ein Drittel (36 Prozent) von 9.000 Proben falsch gekennzeichnet war.

Berücksichtigen müsse man aber, dass die Studien schon als problematisch definierte Fischarten untersucht hätten, so der „Guardian“. Es sei daher ungenau, zu folgern, dass ein Drittel aller Fische und Meeresfrüchte falsch gekennzeichnet sei. Bei einigen Arten zeigen unterschiedliche Studien aber eine Häufung von angepriesenen hochwertigen Fischen, die durch billigere, qualitativ mindere ersetzt wurden. Besonders häufig waren demnach Fische in Großbritannien und Kanada falsch gekennzeichnet.

Jakobsmuscheln
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Auch Jakobsmuscheln wurden in manchen Fällen durch weniger begehrte Muscheln ersetzt

Speisekarte und Fisch auf dem Teller nicht immer identisch

Aber auch Beispiele in anderen Ländern zeigen, dass Produkt und Kennzeichnung häufig nicht übereinstimmten. In Deutschland etwa stammte einer Studie zufolge fast jede zweite Probe einer vermeintlichen Jakobsmuschel eigentlich von der weniger begehrten japanischen Variante. In Italien waren 45 Prozent von untersuchten Haifilets stattdessen Teile von billigeren und weniger beliebten Haiarten.

2018 untersuchten rund 100 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Fische und Meeresfrüchte in 180 Restaurants in 23 Ländern in Europa. Die DNA dieser Proben wurde untersucht und mit dem beschriebenen Angebot auf der Speisekarte und dem Preis verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass ein von drei Restaurants einen anderen Fisch servierte, als angepriesen worden war. Diese Werte waren in Spanien, Deutschland, Finnland und Island sogar noch höher. Besonders häufig ersetzt wurden etwa Butterfisch, Seezunge und Blauflossen- sowie Gelbflossen-Thunfisch.

Schwein statt Krabbe

Beliebte Ersatzprodukte für Fische wie Dorsch und Seezunge sind etwa der günstigere Haiwels und Pangasius. Beide Arten sind von Geschmack und Textur ähnlich und werden großflächig in Farmen in Vietnam und Kambodscha gezüchtet.

In einigen Fällen stammt der Ersatz aus Fischen, die durch Überfischung und Bedrohung ihres Lebensraumes ohnehin gefährdet sind. Andere Ersatzfische sind weniger verträglich oder weniger nahrhaft, etwa wenn Tilapia für einen Roten Schnapper herhalten muss. Und nicht immer sind auch tatsächlich Meeresfrüchte in einer Speise enthalten, wenn es so angeboten wird. So fand sich in einigen in Singapur verkauften Krabbenbällchen Schweinefleisch statt Krabben, berichtete der „Guardian“.

Lukratives Geschäft

Beth Lowell, von der Organisation Oceana, die sich für den Schutz der Ozeane einsetzt, ist nicht überrascht über die weltweite Irreführung bei Fischen und Meeresfrüchten. Es gebe so viele Möglichkeiten entlang der oft komplexen Lieferkette, fälschlicherweise geringwertigen Fisch als eine hochwertige Art zu deklarieren oder gezüchteten Fisch als Wildfang.

Fische werden entladen
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Oft wird der Fang gleich auf hoher See verarbeitet und etikettiert

Billigeren Fisch einzusetzen statt des angepriesenen teureren ist ein lukratives Geschäft. Noch mehr Geld könne gemacht werden, wenn dabei illegal gefangener Fisch zum Einsatz komme, sagt der auf Fischfang spezialisierte Ökonom Rashid Sumaila von der Universität British Columbia. Seinen kürzlich durchgeführten Untersuchungen zufolge werden jährlich acht bis 14 Millionen Tonnen Fisch illegal gefangen. Das entspreche dem Gewicht von 15 bis 20 Millionen Kühen, so Sumaila. Die Umetikettierung von Fischen sei oft verbunden mit illegalem und unreguliertem Fang in großem Stil.

Auf großen Umschlagschiffen werde der Fang zur Verarbeitung transportiert, wo eine falsche Etikettierung und eine Mischung aus legal und illegal gefangenen Fischen relativ einfach und profitabel durchzuführen sei. Aufgrund von schlechtem Monitoring und fehlender Transparenz sei das Risiko, erwischt zu werden, gering, sagte Sumaila.

Geteilte Meinungen zu Gütesiegeln

Für Konsumenten und Konsumentinnen ist es schwierig, eine Täuschung beim Fisch zu überführen – vor allem wenn er nur als Filet oder in einem verarbeiteten Produkt verkauft wird. Ein Ansatzpunkt können Gütesiegel sein. Das globale Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) will für nachhaltigen, wild gefangenen Fisch bürgen. Für den Zuchtfisch aus – verantwortungsvoll geführten – Aquakulturen steht das Label Aquaculture Stewardship Council (ASC).

Aber auch hier scheiden sich die Geister. Denn während etwa die Organisation World Wide Fund for Nature (WWF) hinter den von ihr mitbegründeten Siegeln steht, warnt die Umweltschutzorganisation Greenpeace seit Jahren vor Gütesiegeln wie MSC und ASC. Denn über 90 Prozent der in Österreich konsumierten Fische würden importiert, ein großer Teil stamme aus den Meeren, argumentiert Greenpeace.

Herkunft nachvollziehbarer

Laut FAO seien aber knapp 90 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände entweder bis an die Grenze genutzt oder überfischt. Zertifizierungen wie das MSC-Siegel könnten daher keine Nachhaltigkeit garantieren, so Greenpeace. Der irische Fischereiexperte Alan Reilly gibt zudem zu bedenken, dass MSC im Privatsektor agiere. MSC-Mitglieder müssten für das Siegel zahlen.

Zumindest in Bezug auf die Herkunft der Fische können diese Siegel aber mehr Sicherheit geben, meinte der für Großbritannien und Irland zuständige MSC-Manager Seth McCurry gegenüber dem „Guardian“. Mit diesen Siegeln versehene Produkte könnten bis zu einer zertifizierten Fischerei oder Aquakultur zurückverfolgt werden. Zudem gebe es DNA-Überprüfungen. MSC-zertifiziert sind weltweit allerdings nur 300 Fischereien.