Pfizer-BioNTech-Impfdosen
Reuters/Lisi Niesner
Impfstreit

Österreich entgingen rund 100.000 Dosen

Österreich hätte über einen Reservetopf rund 100.000 Impfdosen mehr für das zweite Quartal bestellen können. So bezifferte das Gesundheitsministerium jene Menge, die nicht abgerufen wurde, weil der zuständige Spitzenbeamte Clemens Martin Auer eine Information an Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) unterlassen hatte. Heftige Kritik kam von der Opposition.

Dabei habe es sich um eine mögliche Zusatzbestellung über die schon georderten 30,5 Millionen Impfdosen hinaus gehandelt. Auer habe in einem zweiten Zuweisungsverfahren von Biontech und Pfizer nicht weitergegeben, dass es in einem Zusatztopf nicht abgerufene Mengen gegeben habe.

Im Gesundheitsministerium habe man nun erhoben, dass es sich dabei um rund 100.000 Dosen gehandelt habe, die Österreich hätte abrufen können und die bis Ende Juni geliefert worden wären. Freilich sei die Zahl aber mit Vorbehalt zu sehen, weil sie auch davon abhängig war, wie viel andere Länder aus diesem zweiten Topf abriefen. Der Reservetopf speise sich aus von den Mitgliedsstaaten nicht beanspruchten Impfdosen und sei daher beschränkt.

Für den Bezirk Schwaz wurden 100.000 Impfdosen von der EU zusätzlich zur Verfügung gestellt, um dort in einem Modellfall zu prüfen, ob eine rasche Impfung die Verbreitung einer Virusmutante deutlich bremsen kann. Täglich werden derzeit deutlich unter 100.000 Dosen in Österreich verimpft.

5,8 Mio. Dosen für zweites Quartal

Für das zweite Quartal habe Österreich bei Biontech und Pfizer sowie Moderna insgesamt 4,6 Mio. Dosen, bei AstraZeneca 1,2 Mio. Dosen bestellt, also zusammen 5,8 Mio. Impfdosen. Insgesamt umfasst das österreichische Impfstoffportfolio bis dato 30,5 Millionen Dosen.

Im Detail sind das: 5,9 Millionen Dosen von AstraZeneca, 2,5 Millionen von Johnson & Johnson, 11,1 Millionen von Biontech und Pfizer, drei Millionen von CureVac, 4,7 Millionen von Moderna, 1,9 Millionen von Novavax und 1,2 Millionen von Valneva sowie 200.000 von Sanofi. Die Kosten dafür liegen bei 388,3 Millionen Euro.

Mit Stand Montag wurden laut Daten der Europäischen Gesundheitsbehörde (ECDC) insgesamt 1,37 Mio. Impfdosen an Österreich geliefert. Gegliedert nach Hersteller: 875.745 von Biontech und Pfizer, 369.600 von AstraZeneca und 122.400 von Moderna. Davon wurden laut Gesundheitsministerium mehr als eine Million Dosen verimpft.

„Falscher Verteilungsmodus“

Laut Ö1-Mittagsjournal stand der ÖVP-nahe Auer bereits im Jänner auf der „Abschussliste“ der ÖVP. Die Kritik reiche zudem über das Nichtzukaufen der geschätzten 100.000 Dosen hinaus: Der Impfausschuss auf EU-Ebene, dessen Vizevorsitzender Auer war, habe einen „falschen Verteilungsmodus“ eingeführt, der so nie von den EU-Staaten beschlossen worden sei.

Der Impfstoff werde den Ländern nach Bestellmenge zugeliefert, nicht zur gleichen Zeit und pro Kopf. Hier seien sich Bundeskanzleramt und Gesundheitsministerium einig, dass das geändert werden müsse. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sei diesbezüglich bereits informiert worden.

53 Mio. bisher für Vakzine freigegeben

Laut Finanzministerium wurden bisher 53 Millionen Euro für CoV-Impfstoffe freigegeben. Bis Ende 2020 waren es rund 22 Mio. Euro, im laufenden Jahr bis dato 30,9 Mio. Euro. Zudem hielt man im Finanzministerium fest, dass bisher Anfragen für Budgetfreigaben des Gesundheitsressorts für Impfstoffe „innerhalb weniger Tage“ erfolgten.

Auer zieht sich aus EU-Impfgremium zurück

Jedes EU-Land konnte seiner Einwohnerzahl entsprechend CoV-Impfstoffe bestellen. Da nicht alle ihr volles Kontingent verwendeten, konnten andere Länder mehr Impfstoffe ordern. Weil Clemens Martin Auer die Bundesregierung darüber nicht informierte, muss er seine Funktion im EU-Impfgremium zurücklegen.

Das Gesundheitsressort habe für heuer 120 Millionen Euro für die Beschaffung von Impfstoffen in seinem Budget angemeldet. Darüber hinaus stünden im Covid-Fonds bis zu 1,5 Mrd. Euro zur Verfügung, auf die bei Bedarf zugegriffen werden könne.

Schützenhöfer will „keine Steine werfen“

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), sagte zur Debatte über Auer, er wolle „keine Steine werfen“, da er die Lage nur schwer beurteilen könne. Er hoffe, dass „nichts ganz Grobes passiert“ sei, so der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz.

„Fest steht nach unseren Informationen, dass es Länder gibt, die viel größere Mengen bestellt haben, und dass es Länder wie Bulgarien gibt, die nur eine geringe Menge bestellt haben. Dass so etwas in der EU überhaupt möglich ist, halte ich schon für ein schweres Versagen der gesamten Europäischen Union. Aber das sind wir ja mittlerweile von denen gewohnt.“

Opposition: Regierung kann sich nicht abputzen

Von der Opposition hieß es dagegen, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Gesundheitsminister könnten sich nicht an einem Spitzenbeamten „abputzen“. Damit werde nur versucht, die eigentlichen Versäumnisse zu verschleiern, so
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Immerhin sei die Impfaktion neunmal im Ministerrat gewesen. Ganz ähnlich argumentierten FPÖ und NEOS.

FPÖ-Obmann Norbert Hofer verwies darauf, dass die EU-Kommission bereits Ende Dezember 2020 öffentlich bekanntgegeben habe, dass Österreich die Option hat, aus dem EU-Kontingent des Impfstoffes von Biontech und Pfizer zwei Prozent zu beziehen. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sagte: „Wenn künftig Beamte als Sündenböcke dafür herhalten müssen, dass sich die Politiker nicht für ihre wichtigste Aufgabe interessieren und ihren Job nicht gemacht haben, werden wir in Österreich künftig keine fähigen Beamtinnen und Beamten mehr finden, die ihren Job gewissenhaft ausüben wollen.“